ADHS bei Erwachsenen: Wie viele betrifft es wirklich?
ADHS ist die Abkürzung für das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom und galt lange Zeit als eine typische Kinderkrankheit. Seit einigen Jahren wird die Lehrmeinung, dass sich das Krankheitsbild im Erwachsenenalter auswächst nicht mehr vertreten. Denn ADHS kann auch im Erwachsenenalter auftreten und sich zu einer großen Belastung im Leben entwickeln. Alles rund um das Thema ADHS im Erwachsenenalter im folgenden Beitrag.
Was ist ADHS?
Beim Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz ADHS, handelt es sich um eine neurobiologische Erkrankung und ist der Gruppe „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ zugehörig. Bei ADHS kommt es zu einer teils veränderten Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn, die sich in unterschiedlichen Symptomen in verschiedenen Ausprägungen äußert. Die Kernsymptome bei ADHS sind Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. In einigen Fällen kann ADHS auch ohne Hyperaktivität auftreten, weshalb dann von ADS die Rede ist. Neben der „typischen“ Form von ADHS mit Hyperaktivität gibt es also auch die Form, bei der Betroffene verlangsamt und verträumt wirken und die Aufmerksamkeitsstörung stark im Vordergrund steht. Forscher sprechen dann von einem „vorwiegend Unaufmerksamen ADHS-Typ“.
Besonders im Kinder- und Jugendalter sind die Kernsymptome sehr stark ausgeprägt, sodass Eltern und nahe Angehörige sowie Erzieher/innen folgende Auffälligkeiten beobachten können: Bei betroffenen Kindern besteht ein starker Drang sich zu bewegen, sie sind ungeduldig, können sich nicht lange mit einer Sache beschäftigen, wirken rastlos und wesentlich ablenkbarer als andere Kinder.
ADHS betrifft nicht nur Kinder, denn das Krankheitsbild bleibt auch noch im Erwachsenenalter bestehen und kann sich unerkannt zu einer Chronologie des Scheiterns entwickeln.
Lesen Sie hier in unserem Blogbeitrag "Schule-Spezial: Schulstart = ADHS-Zeit.", mehr zum Thema ADHS bei Kindern.
ADHS im Erwachsenenalter
Heute ist bekannt, dass schätzungsweise zwei Millionen erwachsene Menschen unter ADHS leiden, ohne es zu wissen. Die Kernsymptome von ADHS im Erwachsenenalter sind zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zu betroffenen Kindern unterscheiden sich diese in ihrer Ausprägung. Der Alltag ist durch Einschränkungen und Probleme erschwert, Konzentrationsprobleme im Beruf sowie Schwierigkeiten im Privatleben und dem Führen einer Partnerschaft machen den Leidensweg eines Erwachsenen mit ADHS aus.
Die möglichen Folgen von ADHS im Erwachsenenalter können unter anderem sein:
- verminderte Leistungsfähigkeit
- geringes Selbstwertgefühl
- Angstzustände
- Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen
- Schwierigkeiten in der Partnerschaft
- Schwierigkeiten in der Kindererziehung
- Selbstorganisation und Zeitmanagement
- kein Finanzmanagement (hohes Verschulden)
- Einschränkungen im Straßenverkehr
- Risiko einer Suchtentwicklung
Ursachen für ADHS
Die wichtigste Ursache für die Entstehung von ADHS ist die genetische Veranlagung, das heißt ADHS kann vererbt werden. Hinzukommend können aber auch andere Faktoren zu der Entstehung von ADHS beitragen. Nachgewiesene Ursachen sind nämlich auch neben den genetischen Einflüssen Umwelteinflüsse, Störung im Neurotransmitter-Bereich (Neurotransmitter = Botenstoffe des Nervensystems) sowie Veränderungen bestimmter Gehirnregionen in Funktion und Struktur. Zu Umwelteinflüssen zählen Faktoren wie Komplikationen bei der Geburt, Frühgeburt oder das Rauchen bzw. der Konsum von Drogen während der Schwangerschaft, die für die Entstehung von ADHS von Bedeutung sein können.
Was passiert im Körper?
Bei ADHS besteht ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn – die Botenstoffe des Gehirns werden Neurotransmitter genannt. Bei ADHS kommen folgenden Neurotransmitter eine zentrale Bedeutung zu: Noradrenalin und Dopamin. Beide Neurotransmitter sind an der Stelle, wo sie benötigt werden, nicht ausreichend vorhanden, das heißt es besteht ein Mangel an Noradrenalin und Dopamin. Durch den Mangel dieser Botenstoffe kommt es zu einer gestörten Übertragung von Signalen , wodurch das Zusammenspiel zwischen Aufmerksamkeits- und Motivationssystem beeinträchtigt ist.
Symptome von ADHS
Bei ADHS wird zwischen Kernsymptomen und Nebensymptomen unterschieden.
Die drei Kernsymptome, welche gemeinsam auftreten können, aber nicht müssen, sind
- Aufmerksamkeitsstörung
- Unfähigkeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren
- Unaufmerksamkeit
- ständiges Wechseln der Aufmerksamkeit
- Reize in der Umgebung führen schnell zur Ablenkung
- störende Gedanken führen schnell zur Ablenkung
Die Aufmerksamkeitsstörung kann sich zum Beispiel im Job darin äußern, dass man viele Flüchtigkeitsfehler macht, über eine verminderte Konzentrationsfähigkeit verfügt sowie häufige Tagträume hat, die von der eigentlichen Tätigkeit ablenken. Die Folge: Abmahnung wegen Unzuverlässigkeit. Darüber hinaus besteht die Problematik im Straßenverkehr aufmerksam zu bleiben, sodass ein hohes Unfall- und Verletzungsrisiko vorliegt. In der Partnerschaft kann sich die Aufmerksamkeitsstörung in Form von Kommunikationsstörungen äußern, denn der Betroffene ist unfähig, einem Gespräch dauerhaft Aufmerksamkeit zu schenken bzw. zuzuhören.
- Hyperaktivität
- psychomotorische Unruhe mit Bewegungsdrang und exzessiven motorischen Aktivitäten; Unfähigkeit zu sitzen und zu ruhen
Während im Kindesalter vorwiegend eine motorische Hyperaktivität vorliegt, kann sich dieses Kernsymptom im Erwachsenenalter nach innen verlagern und sich als innere Unruhe oder Nervosität erkennen lassen.
Die innere Unruhe ist gekennzeichnet durch:
- Unwohlsein
- Gereiztheit
- Gefühl von Getriebenheit, ständig „unter Strom“ sein
- Unfähigkeit, länger still zu sitzen
- der Betroffene unterbricht andere
- der Betroffene macht unpassende Kommentare
- Schwierigkeiten besonders am Wochenende „abzuschalten“
- Kino-Besuch oder Fernsehen sind eine große Herausforderung für den Betroffenen, da langes Sitzen erforderlich ist
- Probleme an der Kasse anzustehen und zu warten, bis man dran ist
- Impulsivität
- Unfähigkeit, zurückhaltend zu agieren
- vorschnelles und unüberlegtes Handeln, ohne über die Folgen nachzudenken
- kurzdauernde Wutausbrüche
- Risikofreudigkeit
Beispiele für Impulsivität im Alltag sind zum Beispiel, sich schon bei kleinsten Provokationen mit Wutausbrüchen zu reagieren. Ein anderes Beispiel: Unüberlegte Einkäufe, die spontan stattfinden und mit hohen Kosten verbunden sind.
Erwachsene mit ADHS leiden auch noch an weiteren Symptomen, die als Nebensymptome bezeichnet werden. Diese sind:
- Stimmungsschwankungen
- leichte Reizbarkeit
- verminderte Stresstoleranz (ein normaler Alltag wird als Überbelastung wahrgenommen)
- Desorganisation
Im Hinblick auf diese Symptome werden häufig Fehldiagnosen, wie depressive Erkrankungen, gestellt und es wird versucht, mit Antidepressiva zu therapieren. Die Therapie bleibt dahingehend aber unwirksam; Antidepressiva können den Zustand von ADHS sogar verschlimmern. ADHS kann nicht durch eine „Blickdiagnose“, ein kurzes Gespräch oder durch bestimmte Laborwerte festgestellt werden, sondern erfordert kompetente, fachliche Erfahrung, weshalb bei einem Verdacht auf ADHS ein Arzt aufgesucht werden sollte, der in diesem Bereich spezialisiert hat.
Wie behandelt man ADHS?
Im Allgemeinen bedeutet das Vorliegen von ADHS noch keine Erkrankung, die zwingend behandelt werden muss. Eine Behandlungsnotwendigkeit liegt nämlich erst dann vor, wenn die auftretenden Symptome zu erheblichen Einschränkungen im Arbeitsbereich und Sozialbereich führen. In ausgeprägten Fällen ist daher eine medikamentöse Behandlung sinnvoll, um die Symptomatik zu verbessern. Der medikamentöse Therapieansatz wird häufig in Kombination mit weiteren Therapieverfahren wie der Psychotherapie eingesetzt. Die Psychotherapie in Form einer Verhaltenstherapie, dessen Wirksamkeit bei ADHS wissenschaftlich nachgewiesen worden ist, kann auch ohne medikamentöse Behandlung zum Einsatz gebracht werden. Ob und welche Therapie sinnvoll ist, ist nämlich individuell und hängt immer vom Leidensdruck des Betroffenen ab. Das heißt: eine ADHS-Therapie ist auch ohne eine Medikamenteneinnahme möglich. Das Ziel der Therapie ist immer die leichtere Bewältigung des Alltags.
ADHS - ein Krankheitsbild, das nicht nur Kinder betrifft. Medikamente und psychologische Hilfen können helfen, dass Betroffene unter besseren Bedingungen arbeiten und leben können.
Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.