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Adonis-Komplex: Wenn Muskelaufbau Sucht wird

Kommentar schreiben Aktualisiert am 23. Oktober 2016

Durch Hollywood-Filme, Glamour-Zeitschriften und unrealistische Werbeanzeigen verzerrt sich unser Selbstbild und die Wahrnehmung des eigenen Körpers immer mehr. Bislang waren vor allem junge Frauen davon betroffen und eiferten ihren Idolen nach. Doch immer öfter leiden auch Männer an einer gestörten Selbstwahrnehmung. Sie träumen von muskulösen Armen und einem Waschbrettbauch und können schnell süchtig nach dem perfekten Körper werden. Man spricht von Muskeldysmorphie oder auch Adonis-Komplex. 

In den vergangenen Jahren hat sich das ideale Körperbild deutlich verändert: Frauen wollen zwar immer noch schlank, aber auch sportlich und muskulös sein. Strong ist das neue skinny. Bei Männern verhält sich das ähnlich. Wo früher Bierbauch und Speckfältchen völlig in Ordnung waren, muss heute ein gestählter Bauch mit Sixpack her. Frauen müssen sich schon seit Jahrzehnten mit verzerrten Idealfiguren herumschlagen, für Männer ist das nahezu unerreichbare Vorbild noch neu.

Auch deshalb verlieren immer mehr – vor allem junge Männer – den gesunden Bezug zu ihrem Körper. Die Begriffe Muskeldysmorphie, Adonis-Komplex oder Bigorexie beschreiben allesamt die Sucht nach immer mehr Muskeln. Früher wurde die Krankheit auch umgekehrte Anorexia genannt. Denn: Ähnlich wie bei Magersüchtigen haben Betroffene ein falsches Bild von sich vor Augen. Magersüchtige sehen sich als zu dick an und Muskelsüchtige sehen in sich einen zu schmalen Hänfling, obwohl das übermäßige Training Früchte trägt.

Adonis-Komplex: Übermäßiges Training für einen „perfekten“ Körper

Der Psychotherapeut und Autor des Buches „Der Adonis-Komplex“ Doktor Roberto Olivardia begründet die aktuelle Unzufriedenheit des starken Geschlechts mit einer zunehmenden Emanzipation der Frauen. Früher bezogen Männer ihr Selbstwertgefühl aus der Beziehung zu einer Frau, die auf ihn angewiesen war. Der Mann war der Versorger und seiner Rolle sicher. Doch in der heutigen Zeit sind Frauen zunehmend selbstbestimmter: Sie verdienen Geld, bekleiden Führungspositionen in großen Unternehmen und haben politische Entscheiderrollen inne.

Manche Männer sehen in einer muskulösen Erscheinung die einzige Chance, dem maskulinen Stereotyp noch nahe zu kommen, so der Autor. Fitness-Magazine, Diäten und muskelbepackte Hollywood-Superhelden verstärken diesen Eindruck. Außerdem dient das optische Erscheinungsbild um sich mit möglichen Konkurrenten zu messen. Die Folge ist vermehrtes Training und gesunde Ernährung.

Training und Ernährung können zum Zwang werden

Nicht jeder, der in ein Fitnessstudio geht, hat auch ein psychisches Problem. Regelmäßiges Muskeltraining hat einen sehr positiven Effekt auf die Gesundheit und gegen eine bewusste Ernährung spricht auch nichts. Allerdings kann sich aus diesen Elementen ein Zwangsverhalten entwickeln.

Wenn der Sport mehr eine Pflichtveranstaltung ist als eine Freizeitaktivität, kann das ein erstes Anzeichen für Muskelsucht sein. Betroffene Trainieren jeden Tag mehrere Stunden. Gegessen wird nur noch, was dem Muskelaufbau dienlich ist. Dazu gehören vor allem Proteine – gerne auch als Eiweißshake. Kohlenhydrate kommen nur noch in Ausnahmefällen auf den Tisch und ungesunde Fette werden ganz gestrichen. Außerdem wird die Gesamte Nahrung auf ein Minimum heruntergeschraubt. Und: Jede kleine Sünde wird mit übermäßigem Training kompensiert.

Ursachen für Muskelsucht: geringes Selbstwertgefühl

Eine Ursache für die psychische Erkrankung kann ein geringes Selbstwertgefühl sein. Betroffene wurden in ihrer Kindheit oft gemobbt und wegen ihres Aussehens gehänselt. In der Pubertät kann das ein schleichender Prozess beginnen, der den Körper nach und nach in eine Muskelmaschine verwandelt. Auch ein gestörtes Verhältnis zur männlichen Bezugsperson kann, laut der Experten, ein Grund für den krankhaften Wandel sein.

Sind irgendwann die körperlichen Möglichkeiten ausgeschöpft ist für viele Betroffene der Griff zu verbotenen Anabolika und Wachstumshormonen. Und obwohl sie optisch schon dem jungen Schwarzenegger ähneln, sehen Betroffene immer noch einen zu dürren und untrainierten Mann.

Statistiken über Adonis-Komplex fehlen

Wie viele Männer tatsächlich von der psychischen Wahrnehmungsstörung betroffen sind ist unklar. Viele Betroffenen wissen nicht, dass ihr streben nach körperlicher Perfektion krankhaft ist. Außerdem sprechen Männer deutlich seltener über psychische Probleme, Krankheit oder Leiden und suchen sich dementsprechend auch seltener professionelle Hilfe. Dass Sie betroffen sein könnten merken sie, wenn sich Ihr leben nur um das tägliche Training dreht.

Job, Familie, Beziehung – all das wird vernachlässigt und geht nach und nach verloren. Viele Muskelmänner reduzieren sogar ihre Stundenzahl in der Arbeit, um mehr trainieren zu können. Ein entspannender Urlaub ist nicht denkbar, das Hotel muss einen gut ausgestatteten Fitnessraum für das Workout haben.

Muskeldysmorphie: Erste Anlaufstelle Hausarzt

Sollten Sie dieses Verhalten bei sich feststellen, können Sie sich an ihren Hausarzt wenden. Er kann den Kontakt zu einem Spezialisten herstellen. Therapieangebote für Menschen mit Muskeldysmorphie gibt es bislang nur sehr wenige. Die meisten Programme für Wahrnehmungsstörungen richten sich an Frauen mit Anorexia nervosa oder Bulimie.

Dennoch ist eine Therapie der richtige Weg wieder zu einem normalen Körpergefühl zu gelangen. Wird die Störung nicht behandelt, kann es zu anhaltenden körperlichen Schäden kommen. Die übermäßige Muskulatur führt zu Fehlstellungen der Gelenke und zu Schmerzen. Die Knochen werden übermäßig beansprucht, sodass es zu Osteoporose kommen kann. Das harte Krafttraining beansprucht das Herz-Kreislaufsystem und Probleme können entstehen.

Studie belegt: Weniger ist mehr

Um alle Fitness- und Muskelfanatiker zu beruhigen: Eine Studie zeigt, dass Frauen Männer mit leichten Muskelansätzen attraktiver finden als Muskelpakete. Übermäßige Muskulatur wird oft mit gesteigerter Aggressivität und einer Anziehung auf andere Frauen in Verbindung gebracht. Um beim weiblichen Geschlecht zu punkten, muss also Niemand tonnenweise Gewichte auf der Hantelbank stemmen.

Wer die auftrainierte Muskelmasse wieder los werden möchte kann vom Training mit maximalen Gesichten auf ein ausdauerbasiertes Workout umstellen. Dieselben Übungen mit weniger Gesichten aber mehr Wiederholungen sorgen dafür, dass die Muskulatur nicht übermäßig beansprucht wird. Die Masse geht langsam zurück, ohne dass die Ansätze oder die Funktionalität beeinträchtigt werden.

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Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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