© Manuel Adorf - Fotolia.com

Alles nur Einbildung oder segensreiche Entgiftung? Was Entschlacken bringen kann

Kommentar schreiben Aktualisiert am 09. Juli 2016

Gifte scheinen in der heutigen Zeit so gut wie überall zu lauern. Selbst Menschen, die versuchen, sich ausgewogen zu ernähren und insgesamt gesund zu leben, können ihnen kaum entgehen. Schädliche Stoffe aus Nahrungsmitteln und der Umwelt gelangen unweigerlich in den menschlichen Organismus – wo sie unter Umständen die Gesundheit und Funktionalität des gesamten Körpers beeinträchtigen können. Da klingt es doch eigentlich nur logisch, dass der Körper regelmäßig von Giften, Schadstoffen unterschiedlichster Art und krank machenden Rückständen gereinigt werden sollte. „Entschlacken“ ist hier das Zauberwort.

Was genau sind eigentlich Schlacken?

Das Wort „Schlacken“ kennt man ursprünglich aus der Schwerindustrie. Mit diesem Begriff werden Verbrennungsrückstände bezeichnet, die an den Innenwänden von Hochöfen entstehen. Diese Schlacken können die Öfen schädigen und müssen deshalb regelmäßig entfernt werden.

Naturheilkundler verstehen unter Schlacken jedoch auch Stoffe im Körper, die – zumindest nicht dauerhaft und nicht in größerer Menge – in den Körper gehören, die ihn belasten und auf Dauer krank machen können. Es kann sich dabei zum einen um Giftstoffe verschiedenster Art und Herkunft handeln, die von außen in den Organismus gelangen, z.B. über Nahrung, Luft und Wasser, Körperpflegeprodukte, Zahnfüllmaterial, Medikamente, Zigarettenrauch und Alkohol. Auch Bakterien, Pilze und verschiedene Parasiten gehören dazu. Es können aber auch Stoffe gemeint sein, die natürlicherweise während der körpereigenen Stoffwechselprozesse entstehen, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht oder nicht vollständig abgebaut und/oder ausgeschieden werden können. Entstehen im Körper zu viele dieser Stoffe (etwa durch ungesunde Ernährung, Fehlfunktionen einzelner Organe oder weil die benötigten Stoffe zum Abbau bzw. zur Neutralisierung der Stoffe fehlen), werden die Organe überlastet, die für ihre Ausleitung zuständig sind, also Darm, Leber, Nieren und die Lymphe. Als Folge wird angenommen, dass diese „Schlacken“ Funktionsstörungen und Krankheiten verursachen, weil sie zu lange im Organismus verbleiben.

Was soll Entschlackung bewirken?

Entschlackungskuren, die große „Reinigung von innen“, sind bei vielen Menschen sehr beliebt. Viele schwören geradezu auf ihre heilsame, fitmachende und energiestärkende Wirkung. Eine solche Kur soll dem Körper helfen, angesammelte Schadstoffe und nicht zuletzt überflüssige Pfunde loszuwerden, außerdem das Immunsystem zu stärken und damit vor Krankheiten zu schützen oder deren Heilung zu beschleunigen. Es handelt sich also um eine gezielte Unterstützung der Reinigung- und Entgiftungssysteme des Körpers. Dies geschieht etwa durch die Einnahme spezieller Nähr- und Vitalstoffe, durch eine veränderte und organschonendere Ernährung, durch Ableitung (z.B. Darmreinigung, Einläufe usw.) oder auch durch die Entlastung des Organismus durch Fasten.

Entschlackungskuren und -methoden werden in den unterschiedlichsten Varianten angeboten. Da gibt es zum Beispiel die Schrothkur oder das klassische Heilfasten nach dem deutschen Arzt Otto Buchinger, der glaubte, dass Entschlacken vor allem die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviere. Auch stehen unzählige Präparate zur Auswahl, etwa homöopathische und pflanzliche Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel oder auch Schüssler-Salze, die zur gezielten Entgiftung und Reinigung von Körperorganen oder des gesamten Organismus angewendet werden können.

Pro und Contra Entschlackung: Ist sie wirklich nötig? Was sagen ihre Gegner?

Vor allem Schulmediziner, aber auch viele Ernährungswissenschaftler glauben nicht an das Prinzip „Entschlackung“. Was in industriellen Schmelz- und Verbrennungsöfen passiere, lasse sich nicht 1:1 auf den menschlichen Körper übertragen. So sei der Darm etwa ein dynamisches System, das ständig in Bewegung sei und laufend Verdauungssäfte produziere, die alle Nahrungsbestandteile wirksam verarbeiteten. Auch Nieren und Leber seien sozusagen „stark genug“, um Giftstoffe eigenständig zu neutralisieren und auszuleiten. In einem gesunden Körper blieben nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen Ablagerungen und Rückstände, die man als „Schlacken“ bezeichnen könne, nicht zurück. Daher sei es nicht notwendig, regelmäßige Entschlackungskuren durchzuführen.

Tatsächlich ist derzeit noch kein allgemein anerkannter Nachweis erbracht, dass der menschliche Körper therapeutisch entgiftet oder „entschlackt“ werden kann, so wie es die Anhänger dieser Kuren meinen. Gegner des „Entschlackens“ behaupten, die von Anwendern verspürten körperlichen Verbesserungen, Erleichterungen und Heilerfolge seien vor allem auf den „Placebo-Effekt“ zurückzuführen. Sprich: Wer daran glaubt, dem hilft es auch.

Alles nur Einbildung?

Einleuchtend ist dagegen natürlich auch die Haltung der Befürworter, dass das Entschlacken nicht allein deswegen reiner Humbug sein müsse, nur weil ein wissenschaftlich eindeutiger „Beweis“ für seine Wirksamkeit bisher fehlt. Und schließlich mache es auch wenig Sinn, von allen bisherigen Anwendern anzunehmen, sie hätten sich den Erfolg ihrer Kur lediglich eingebildet. Grundsätzlich lässt sich sicher festhalten: In vernünftiger Form durchgeführt, ggf. auch unter der Obhut eines Arztes, Naturheilkundlers oder Heilpraktikers, kann eine sorgfältig angewendete Entschlackung kaum schaden.

Auch die Ernährungswissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die dem Entschlacken grundsätzlich nicht viel abgewinnen können, finden doch etwas Gutes daran. Positive Erfahrungen durch Fasten könnten durchaus ein Anlass sein, über die eigene Ernährungsweise nachzudenken und damit zu einem gesundheitsbewussteren Lebensstil zu finden, heißt es in einer Stellungnahme. Tatsächlich sehen die meisten Fastenkuren, die dem Entschlacken dienen sollen, mehr vor als nur die zeitweise Enthaltsamkeit von bestimmten Nahrungsmitteln. Oft geht es vielmehr um ein ganzheitliches Programm mit viel Bewegung und ausreichend Zeit zum Ruhen, Reflektieren und Nachdenken über das gewohnte Leben. Oft genug mit dem Effekt, dass anschließend wieder mehr auf den eigenen Körper gehört wird.

Entschlackungs-Fans schwören auf den heilsamen Effekt

Der nüchternen Wissenschaft zum Trotz schwören zigtausende Menschen auf die wohltuenden Effekte einer Entschlackungskur – sei es, um akute oder chronische Beschwerden zu lindern oder um sich körperlich und seelisch „grundzureinigen“. Erholt und voller Energie fühle man sich danach, berichten Anwender, die Verdauung und das Hautbild habe sich verbessert, selbst lang anhaltende Schmerzen seien deutlich geringer. Experten für Entschlackung wissen auch auf die Behauptung der Schulmedizin, der Körper selbst sei ganz von allein zu einer ausreichenden Entschlackung im Stande, eine Antwort. Sie sagen, die Ausleitungs- und Entgiftungsorgane des Menschen seien bei der heutigen Schadstoffflut schon lange nicht mehr in der Lage, alle aufgenommenen schädigenden Stoffe in ausreichendem Maß auszuscheiden oder zu neutralisieren. Dazu komme die moderne Ernährungs- und Lebensweise, zusätzliche Giftstoffe durch Tabak, Alkohol, Koffein und Co. eingeschlossen, die häufig nicht nur zu vermehrter Schlackenbildung, sondern vielfach auch zu einem Mangel an Vital- und Nährstoffen führe. Auch dies vermindere die Fähigkeit des Körpers, eigenständig zu entgiften.

Viele Methoden stehen zur Auswahl

„Entschlackung“ ist ein Oberbegriff für alle Entschlackungsmethoden, die zur Verfügung stehen. Dazu gehören z.B. Darm-, Leber-, Nieren- und Lymphreinigungen, Entsäuerung (vor allem durch Ernährungsumstellung), Fasten-, Heilfasten- oder Saftkuren und Entgiftungskuren. All diese Methoden sollen geeignet sein, schädliche Rückstände im Körper zu entfernen, etwa Gifte, Säuren, Salze, die sich als Nieren- oder Gallensteine oder in den Blutgefäßen ablagern können, überschüssige Hormone, Mineralien und Vitamine, schädliche Bakterien, Darmgase, Pilze und vieles mehr.

Als Entschlackungskur werden meist diejenigen Methoden bezeichnet, die auf eine langfristige Ernährungsumstellung abzielen oder mit einer kurzfristigen, massiven Änderung der Ernährung (z. B. Heilfasten und Saftkuren) die Schlacken ausleiten wollen.

Welche Methode am besten geeignet ist, muss jeder für sich herausfinden. Es kommt auf den Grad und die Art der Beschwerden an und auch darauf, was einem als „sympathisch“ erscheint und was nicht. In den Körper hineinzuhorchen und dem eigenen Gefühl zu folgen, führt meist zur richtigen Wahl. Manches ergibt sich natürlich auch von selbst: Wer auf Dauer unter Blähungen leidet, wird sicherlich als erstes nach einer geeigneten Darmreinigung Ausschau halten.

Es gibt auch Methoden zur Entschlackung, die man ganz einfach selbst zuhause anwenden kann. Dazu gehört z.B. ein Fastentag oder ein Safttag pro Woche. Wer die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten hat, kann sich z.B. auch für einen Fernurlaub mit ayurvedischer Entschlackungskur entscheiden.

Im Zweifelsfall immer den Arzt fragen: Entschlacken kann auch schaden!

Egal, ob Ayurveda, Basen- oder Heilfasten, Schrothkur oder Colon-Hydro-Therapie – wichtig ist, bei jeder Methode vorher abzuklären, ob aus körperlichen Gründen eventuell etwas gegen diese Form des Entschlackens spricht. Denn wird eine Methode falsch angewendet oder ist wegen einer organischen Einschränkung nicht geeignet, kann sie durchaus negative Folgen haben.

Sehr strenge Fastenkuren etwa können unter Umständen Kreislaufbeschwerden und im Extremfall einen Mineralstoffmangel mit Muskelkrämpfen und/oder Herzrhythmusstörungen hervorrufen. Bei einer Darmreinigung können Abführmittel, die in nicht angemessener Form angewendet werden, der Darmflora schaden und die physische Allgemeinverfassung deutlich schwächen.

Bei Gicht- und Rheumapatienten könnte es vorkommen, dass der strenge Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel zu einem Abbau von Muskelmasse führt, der im ungünstigen Fall die Symptome wieder verstärkt. Auch Gichtanfälle können durch längere Hungerphasen begünstigt werden.

Chronisch Kranke sollten sowieso nur unter ärztlicher Aufsicht entschlacken. Auch Gesunden wird empfohlen, vor geplanten langfristigen Fastenkuren und ähnlich drastischen Methoden einen Arzt zu Rate zu ziehen.

Meist lohnt es sich

Wer also – aus welchen Gründen auch immer – das Bedürfnis hat, seinen Körper (und ggf. mit ihm auch den Geist) zu entschlacken, sollte sich ruhig auf die Suche nach einer geeigneten Methode machen. Schon wenn es nur dazu dient, eine bewusste Auszeit zu nehmen und mit schädlichen Gewohnheiten zu brechen, lohnt es sich ganz bestimmt!

Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

Schreib einen Kommentar

help
help
help

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Zu unseren Datenschutzbestimmungen.