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Altern im Zeitraffer: Das Cockayne-Syndrom

Kommentar schreiben Aktualisiert am 29. Juni 2018

Altern in Zeitraffer: Beim seltenen Cockayne-Syndrom altern Kinder besonders schnell. Sie leiden an Alterserscheinungen wie Arteriosklerose, grauem Star und Diabetes. Die Ursache wird in einem gestörten Mechanismus beim Aufbau von Eiweißen vermutet. Erfahren Sie mehr über die Erbkrankheit.  Tiefe Falten im Gesicht, deutlich ausgedünntes Haar und grauer Star: Kinder, die an dem seltenen Cockayne-Syndrom leiden, altern im Zeitraffer. Bereits im Kindergartenalter weisen sie deutliche Alterserscheinungen auf. Der Organismus der jungen Patienten leidet zudem an typischen Erkrankungen älterer Menschen. Verkalkte Arterien, Diabetes mellitus, Schlaganfälle und neurologische Anfälle führen schließlich meist vor dem Erreichen des 20. Lebensjahres zum Tod der Patienten.

Cockayne-Syndrom: seltene Erbkrankheit

Das Cockayne-Syndrom ist eine sehr selten vorkommende Erbkrankheit. Es wird geschätzt, dass lediglich eines von 250.000 Kindern an dieser Form der Progerie (vorzeitige Alterung) leidet. Dem Cockayne-Syndrom liegt ein spezifischer Defekt der Gene zugrunde. Ein Mechanismus, der in einem gesunden Organismus dafür verantwortlich ist, Hautschäden, die durch UV-Strahlen entstanden sind, zu reparieren, funktioniert nicht richtig. Es wird davon ausgegangen, dass der genetische Defekt autosomal-rezessiv vererbt wird. Das bedeutet, beide Elternteile müssen stille Träger der fehlerhaften Erbinformation sein. Bei ihnen sind keine Krankheitsanzeichen vorhanden, aber beide haben das fehlerhafte Gen weitergegeben. Die Wahrscheinlichkeit bei einer solchen genetischen Disposition ein krankes Kind zu bekommen, liegt bei 25 Prozent. Geschwisterkinder können völlig gesund (Wahrscheinlichkeiten von 25 Prozent) oder ebenfalls stille Träger des Gens (Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent) sein. Forscher um Doktor Sebastian Iben und Marius Costel Alupei von der Ulmer Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie haben Ungenauigkeiten in der Eiweißproduktion betroffener Kinder beobachtet.  Das bedeutet: Bei Menschen, die am Cockayne-Syndrom leiden, passieren bei der Transkription der genetischen Information in Proteine wesentlich mehr Fehler. Fehlerhafte Proteine wiederum stören die Zellbildung und als Folge werden mehr Fehler bei der Eiweißproduktion registriert – ein Teufelskreis.

Instabile Eiweiße als Ursache für Alterung?

Die Proteine betroffener Kinder sind sehr instabil. Die Forscher gehen davon aus, dass das ein Anzeichen für eine geringe Lebenserwartung ist. Denn: Bei Untersuchungen von langlebigen Lebewesen hat sich gezeigt, dass eine sehr hohe Proteinstabilität und wenige Fehler in der Transkription der Informationen vorliegen. Die Seemuschel Arctica islandica kann bis zu 500 Jahre alt werden und weist sehr stabile Eiweiße vor. Dieser Alterungsmechanismus war lange unbekannt und könnte zu einem neuen Therapieansatz verschiedener Alterserscheinungen führen. Auch für Betroffene des Cockayne-Syndroms kann diese Erkenntnis eventuell zu einer neuen Behandlungsmöglichkeit führen. Der Einsatz von künstlich hergestellten Proteinen (Chaperonen) soll dabei helfen, die körpereigene Proteinherstellung zu stabilisieren und Fehler zu vermeiden – so die Theorie. Eine konkrete Therapie gibt es bislang allerdings noch nicht.

Symptome des Cockayne-Syndroms

Betroffene Kinder fallen häufig bereits bei den ersten Untersuchungen beim Kinderarzt durch körperliche Veränderungen auf. Sie haben häufig einen verdickten Schädelknochen und verformte Wirbel. Im Verlauf des ersten Lebensjahres fällt ein angeborener Kleinwuchs auf. Der Kopf der Patienten entwickelt sich nicht wie bei gesunden Altersgenossen – eine Verkleinerung des Schädels (Mikrozephalie) ist die Folge. Gesichtsfehlbildungen fallen nun auf. Es kann zu starken geistigen Beeinträchtigungen kommen. Durch die gestörten Abläufe auf zellularer Ebene sind Patienten mit dem Cockayne-Syndrom besonders lichtempfindlich. Der Körper kann Schäden, die das UV-Licht der Sonne verursacht nicht reparieren. Häufig entstehen Ausschläge, schuppige Hautstellen oder Pigmentflecken. Die Alterserscheinungen stellen sich nach und nach ein. Die Haut der Kinder verändert sich sichtbar, wird ledrig und dünn. Häufig verlieren Betroffene ihr Hör- oder Sehvermögen. Typischerweise bildet sich ein Grauer Star (Katarakt). Verkalkte Arterien und Diabetes mellitus kommen häufig vor. Die motorischen Fähigkeiten der Kinder entwickeln sich sehr langsam und meist nicht vollständig. So ist ein Gehen ohne Hilfsmittel für die meisten Patienten nicht ohne weiteres möglich.

Diagnose Cockayne-Syndrom

Die Diagnose stellt meist der behandelnde Kinderarzt in den ersten Lebensjahren. In seltenen Fällen kann bereits eine pränatale Untersuchung einen Hinweis auf die genetische Veränderung des kindlichen Erbgutes geben. Bei ersten Röntgenuntersuchungen fallen die Veränderungen der Knochenstruktur auf. Ein Gentest des Kleinkindes gibt Klarheit über die Ursache der Veränderung und bereitet betroffene Eltern auf die Erkrankung vor. Die Diagnose ist zunächst ein Schock. Denn eine ursächliche Therapie des Cockayne-Syndroms gibt es bislang nicht. Es können lediglich die Symptome behandelt und so das Leben der Kinder verlängert werden. Das Cockayne-Syndrom endet tödlich.

Therapie: Heilung noch nicht möglich

Zurzeit ist noch keine kausale Therapie möglich. Es werden lediglich die Symptome und die Alterserkrankungen gelindert, um den Patienten ein angenehmeres Leben zu ermöglichen. Gegen auftretende Hörminderung kann der behandelnde Arzt ein Hörgerät einsetzen. Tritt ein Grauer Star auf, kann eine Operation der Linse das Sehvermögen des Kindes erhalten. Kinder mit dem Cockayne-Syndrom sollten gut vor der Sonne geschützt werden, da ihre Haut nicht in der Lage ist durch die Strahlung entstandene Schäden zu reparieren. Gegen eine Versteifung der Gelenke kann eine Physiotherapie sinnvoll sein. Durch die Mobilisierung des Bewegungsapparates kann die Gehfähigkeit länger erhalten werden. Gegen epileptische Anfälle oder Spastiken verschreibt der Arzt Medikamente, die die Symptome abschwächen sollen. Bei einer bereits vorliegenden Verkalkung der Blutgefäße kann eine prophylaktische Therapie mit dem blutverdünnenden Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gegen Herzinfarkt, Lungenembolie und Schlaganfälle vorbeugen.

Psychologische Betreuung für Eltern und Kind

Durch das stark veränderte Äußere sind betroffene Kinder oft Mobbing und Ausgrenzung ausgesetzt. Sie leiden nicht nur unter ihren Symptomen, sondern entwickeln unter Umständen Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen. Eine psychologische Betreuung kann dabei helfen, den betroffenen Kindern ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Auch die Eltern eines Patienten mit Cockayne-Syndrom profitieren häufig von einer psychologischen Betreuung. Die Krankheit ist eine große Belastung für die gesamte Familie. Nicht selten kämpfen auch die Eltern mit Depressionen. Ein neutraler Gesprächspartner kann dabei helfen, die Diagnose zu verarbeiten und besser mit der Krankheit umzugehen.

Aussicht und Prognose

Die Prognose für Kinder mit dem Cockayne-Syndrom ist leider nicht gut. Patienten werden im Durchschnitt 12 Jahre alt. Die beschleunigten Alterungsprozesse führen früher oder später zum Tod des Betroffenen. Je nach Typ des Gendefekts kann das Syndrom einen rasanten oder einen etwas langsameren Krankheitsverlauf annehmen. Manche Patienten können dank medizinischer Betreuung bis zu 20 Jahre alt werden. Die neuen Therapieansätze könnten neue Möglichkeiten eröffnen. Wenn es den Wissenschaftlern und Ärzten gelingt den beschleunigten Alterungsprozess durch den Einsatz von künstlichen Proteinen aufzuhalten beziehungsweise zu verlangsamen, bestünde für die Kinder die Hoffnung auf ein längeres Leben.

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Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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