Antiallergika im Vergleich
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Orale H1-Antihistaminika - eine Generationenfrage
Orale H1-Antihistaminika - eine Generationenfrage
Endlich Frühling - die Temperaturen steigen und die Natur blüht auf. Für viele Pollenallergiker beginnt nun die alljährliche Leidenszeit: ihr Körper reagiert auf eigentlich harmlose Substanzen aus der Umwelt mit einer überschießenden Reaktion des Immunsystems. Tränende Augen, eine laufende Nase, Kratzen im Hals bis hin zu Atemnot bestimmen den Tagesablauf und schränken ihre Lebensqualität teilweise massiv ein.
Allergien entstehen im Zusammenspiel verschiedenster Faktoren. Neben der genetischen Veranlagung zählen schädliche Umwelteinflüsse, Rauchen, Luftschadstoffe aus dem Straßenverkehr, aber auch die Ernährung und wiederkehrender Allergenkontakt zu den Risikofaktoren. Dabei sind allergische Erkrankungen kein Phänomen der Neuzeit. Krankheitsbilder wie Asthma, Nesselsucht oder Ekzeme, aber auch Hinweise auf Nahrungsmittelallergien finden sich schon in der antiken medizinischen Literatur Chinas oder Griechenlands.
Was ist eine Allergie?
Im Laufe ihres Lebens erkranken mehr als 30 Prozent der Erwachsenen und mehr als 20 Prozent der Kinder an mindestens einem allergischen Leiden. Dabei kann prinzipiell jeder Umweltbestandteil eine allergische Reaktion hervorrufen. Nach Schätzungen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes sind aktuell mehr als 20.000 Auslöser für Allergien bekannt.
Bei Kontakt durchläuft die körpereigene Abwehr einen zweistufigen Lernprozess: bei der sogenannten Sensibilisierung trifft das Immunsystem zum ersten Mal auf das künftige Allergen. Spezielle weiße Blutzellen, die Lymphozyten, sorgen dafür, dass Antikörper (Immunglobuline) gebildet werden, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip exakt auf die Struktur des Allergens zugeschnitten sind. Die gebildeten Immunglobuline gehören zur Klasse E (IgE) und sind ein möglicher Marker für vorhandene Allergien. In dieser Phase sind die Betroffenen noch symtom- und beschwerdefrei.
Bei jedem weiteren Kontakt mit dem Allergen wird dieses von spezialisierten Lymphozyten wiedererkannt. Sie sorgen dafür, dass andere Immunzellen aktiviert und IgE-Antikörper gebildet werden. Bei den nun folgenden Prozessen werden entzündungsfördernde Botenstoffe wie beispielsweise Histamin ausgeschüttet. Diese setzen die typischen Symptome wie Niesen, Husten oder Hautausschläge in Gang.
Allergiebehandlung setzt auf drei Grundpfeiler
Eine Allergie sollte nicht auf die leichte Schulter genommen und in jedem Fall adäquat behandelt werden. Viele Betroffene unterschätzen das Allergierisiko, so dass sich aus einem vermeintlich harmlosen Heuschnupfen bei jedem vierten Patienten im Laufe seines Lebens ein allergisches Asthma entwickelt. Man spricht dann von einem sogenannten „Etagenwechsel“: die allergischen Symptome verlagern sich in tiefere Bereiche der Atemwege und können chronisch werden.
Die Vermeidung eines Allergenkontakts bezeichnet man als Allergenkarenz. Hierbei handelt es sich um die wichtigste Therapiemaßnahme und die zumeist einfachste und nebenwirkungsärmste Behandlungsform bei vielen allergischen Erkrankungen.
Zur ursächlichen Allergiebehandlung kann auf eine Hyposensibilisierung zurückgegriffen werden. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Immuntherapie, die sowohl für Erwachsene als auch für Kinder geeignet ist. Betroffenen wird schrittweise eine steigende Allergenkonzentration verabreicht, wobei die Allergenextrakte sowohl gespritzt als auch in Form von Tabletten oder Tropfen eingenommen werden können. Durch diese Konfrontation gewöhnen sich die körpereigenen Abwehrzellen an das Allergen und stufen es nicht mehr als Gefahr ein. Eine Hyposensibilisierung erstreckt sich in der Regel über mehrere Jahre und ist daher nicht zur Akutbehandlung geeignet.
Symptomatische Behandlung mit Antihistaminika
Zur akuten Linderung der Beschwerden stehen Betroffenen eine Vielzahl freiverkäuflicher Präparate zur Verfügung. Besonders orale Antihistaminika besitzen hierbei einen großen Stellenwert. Seit knapp einem Jahrhundert werden sie zur symptomatischen Allergiebehandlung eingesetzt und kontinuierlich weiterentwickelt. Antihistaminika ähneln dem Hormon Histamin, das bei allergischen Reaktionen eine entscheidende Rolle spielt. Sie blockieren die Histamin-H1-Rezeptoren und hemmen dadurch die Wirkung des Botenstoffes im Körper. H1-Antihistaminika, kurz H1-Blocker, lassen sich in drei Generationen unterteilen:
Zu den älteren H1-Blockern der 1. Generation zählt beispielsweise der freiverkäufliche Wirkstoff Dimetinden. Wie alle Verbindungen dieser Klasse kann er schläfrig, unaufmerksam, träge und benommen machen. H1-Blocker der 1. Generation sind in der Lage die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und können unerwünschte Wirkungen auf Gehirn, Herz-Kreislaufsystem und Magen-Darm-Trakt aufweisen.
Dimetinden findet unter anderem Anwendung bei Nesselsucht, Insektenstichen und Juckreiz im Zusammenhang mit Windpocken bei Kleinkindern.
Andere Verbindungen dieser Gruppe spielen aufgrund ihres müdemachenden Effektes heute kaum noch eine Rolle zur Behandlung von allergischen Beschwerden. Sie werden meist zur Therapie von Schlafstörungen sowie Übelkeit und Erbrechen eingesetzt.
H1-Blocker der 2. Generation passieren die Blut-Hirn-Schranke kaum und haben daher nur in verringertem Maße Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark). Die müdemachenden Nebenwirkungen bleiben daher größtenteils aus. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Gruppe zählen die Wirkstoffe Cetirizin und Loratadin. Beide unterscheiden sich in ihrer Wirkschnelligkeit. Loratadin wird nach der Einnahme zunächst in der Leber in das wirksame Abbauprodukt Desloratadin umgewandelt und kann erst dann seine antiallergischen Effekte entfalten.
Die Wirkstoffe Desloratadin und Levocetirizin zählen zur Gruppe der H1-Blocker der 3. Generation. Sie sind weiterentwickelte Formen der Antihistaminika der zweiten Generation, so dass nur die halbe Dosis benötigt wird, um eine vergleichbare antiallergische Wirkung zu erzielen.
Bei Levocetirizin handelt es sich um eine Molekülvariante von Cetirizin. Dieses liegt normalerweise als sogenanntes Racemat vor: es besteht aus zwei Molekülen, die sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten. Nur eines dieser Moleküle (Levocetirizin) ist für die Wirkung von Cetirizin verantwortlich. Durch einen chemischen Prozess kann diese aktive Verbindung separiert werden und muss daher nur in der halben Dosierung im Vergleich zu Cetirizin verabreicht werden.
Da es sich bei Desloratadin bereits um die wirksame Form des Antihistaminikums Loratadin handelt, muss es ebenfalls nur in der halben Dosis eingenommen werden. Des Weiteren wirkt Desloratadin wesentlich schneller als die „Muttersubstanz“ Loratadin.
Für alle Antihistaminika gibt es Gegenanzeigen, die ihre Anwendung einschränken. So sollten sie 10 bis 14 Tage vor einem Hauttest zur Allergiebestimmung abgesetzt werden, da sie das Testergebnis verfälschen können. Außerdem kann eine gegenseitige Verstärkung der müdemachenden Wirkung durch Alkohol und andere zentral dämpfende Substanzen nicht ausgeschlossen werden. Diese Wechselwirkungen sind zwar bei den neuen Generationen nicht unbedingt zu erwarten, können allerdings aufgrund individueller Veranlagungen und Reaktionen auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Besonders bei Tätigkeiten, die ein schnelles Reaktionsvermögen und eine hohe Aufmerksamkeit erfordern, sollte daher besondere Vorsicht geboten sein.
In allen Phasen der Schwangerschaft kann auf die Antihistaminika der 2. Generation, Loratadin und Cetirizin, zurückgegriffen werden.
Dimetinden | Loratadin | Cetirizin | Desloratadin | Levocetirizin | |
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Klassifikation: | 1. Generation | 2. Generation | 2. Generation | 3. Generation | 3. Generation |
Indikation: |
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Wirkeintritt (in Stunden) | 0,5 | 3,4 | 0,7 | 0,5-1,0 | 0,5-0,7 |
Wirkdauer (in Stunden, Tabletten/Dragees ohne verzögerte Wirkstofffreisetzung) | ca. 8 | ca. 24 | >24 | >24 | ca. 24 |
Nebenwirkung:
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++ | - | + | - | - |
Altersgruppen: |
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Gegenanzeigen: |
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Schwangerschaft: | Besser untersuchte Alternativen sollten für die Therapie in der Schwangerschaft bevorzugt werden | Loratadin kann in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden | Cetirizin kann in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden | Desloratadin ist in allen Phasen der Schwangerschaft akzeptabel;besser geeignete Alternative ist Loratadin | Levocetirizin ist in allen Phasen der Schwangerschaft akzeptabel;besser geeignete Alternative ist Cetirizin |
++ stark + schwach - Effekt in der Regel nicht vorhanden; in Einzelfällen aber nicht völlig auszuschließen
Quellen anzeigen
Linda Künzig, Apothekerin mit Weiterbildungen im Bereich Homöopathie und Naturheilverfahren. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterstützt sie seit Mai 2019 die Apomio-Redaktion als freie Autorin.