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Beckenbodentraining – stärken Sie Ihre innere Mitte

Kommentar schreiben Aktualisiert am 25. August 2015

Das Beckenbodentraining, welches auch, nach dessen Erfinder Arnold H. Kegel, Kegelübung genannt wird, dient dazu die Muskulatur des Beckenbodens zu stärken und gesundheitliche Vorteile mit sich zu bringen – sowohl für die Frau als auch für den Mann. Alles rund um den Einstieg ins Beckenbodentraining und über die Folgen einer schwachen Beckenbodenmuskulatur.

Wissenswertes zur Beckenbodenmuskulatur

Der Beckenboden ist als untere Grenze des Bauchraums zu verstehen: Die Beckenhöhle, lateinisch Cavitas pelvis, ist ein Teil der Bauchhöhle. Die Wände der Beckenhöhle werden zum Einen teils von Knochen, das heißt Wirbelsäule, Becken, Brustkorb und zum Anderen teils von Muskeln, das heißt Zwerchfell, Bauchmuskeln, Beckenboden gebildet. Die Beckenbodenmuskeln sind demnach Teile eines Muskelsystems, das den Bauchinhalt umschließt.

Um das Beckenbodentraining sinnvoll einsetzen zu können, ist es vorteilhaft, die anfänglich schwer vorstellbare Anatomie der Beckenbodenmuskulatur und dessen Funktion zu kennen:

Die Beckenbodenmuskulatur wird in drei Teile untergliedert, nämlich in Diaphragma pelvis (= hinterer Teil des Beckenbodens), Diaphragma urogenitale (= vordere Teil des Beckenbodens) und in die Schließmuskel- und Schwellkörperschicht. Der hintere Beckenbodenteil, das Diaphragma pelvis, wird gebildet vom Musculus coccygeus sowie beidseits vom Musculus levator ani, (welcher wiederum aus den drei Muskelanteilen Musculus puborectalis, Musculus pubococcygeus und Musculus iliococcygeus besteht). Der Musculus levator ani ist der Großflächigste der Beckenbodenmuskeln. Der vordere Beckenbodenteil, das Diaphragma urogenitale, wird gebildet vom Musculus transverus perinei profundus und superficialis. Die Schließmuskel- und Schwellkörperschicht wird gebildet vom Musculus ischiocavernosus, Musculus bulbospongiosus und Musculus sphincter ani externus.

Die drei Hauptfunktionen der Beckenbodenmuskulatur bestehen in anspannen, entspannen und reflektorisch gegenhalten: Anspannen ist für die Sicherung der Kontinenz wichtig, entspannen kommt bei der Miktion (Wasserlassen), bei der Defäkation (Stuhlgang), beim Geschlechtsverkehr der Frau und bei der Erektion des Mannes zustande (ein Wechselspiel von An- und Entspannen erfolgt beim Orgasmus; der Beckenboden pulsiert) und das reflektorische Gegenhalten des Beckenbodens entsteht beim Husten, Niesen, Lachen, Hüpfen sowie schwerem Heben.

Die Beckenbodenmuskulatur dient also der Sicherung der Lage der Bauch- und Beckenorgane und der Unterstützung des Verschlusses von Anus und Harnröhre. Die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur durch Beckenboden-Training kann vor Stuhl- und Harninkontinenz schützen.

Erkrankungen, Beschwerden und Störungen des Beckenbodens

Die Beckenbodenmuskulatur kann – unabhängig vom Geschlecht – durch vielfältige Faktoren geschwächt werden. Diese sind:

  • angeborenes schwaches Bindegewebe
  • Übergewicht
  • körperliche Überlastung
  • Schlechte Haltung (Haltungsfehler können sich negativ auf die Spannung des Beckenbodens auswirken)
  • Operationen im kleinen Becken
  • Schwangerschaften / Mehrgeburten
  • Verletzungen, wie zum Beispiel ein Dammriss
  • Einnahme bestimmter Medikamente

Bei einer Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur, zum Beispiel infolge wiederholter Überdehnungen (bei Mehrgebärenden), kann es zu einer Senkung der Beckeneingeweide kommen und folglich zu einer mangelnden Kontrolle der Ausscheidungsorgane führen. Eine Absenkung der Gebärmutter, die mit einer Absenkung der Harnblase verbunden ist, sowie ein Scheidenvorfall sind möglich. Weil die Vagina bindegewebig mit der Harnblase verbunden ist, ist der Verschlussapparat der Harnblase gestört, sodass betroffene Frauen unter häufigem Harndrang bis hin zur Inkontinenz leiden. Dorsal ist die Vagina mit dem Rektum bindegewebig verbunden, sodass auch das Rektum nach kaudal (nach unten hin) gezogen werden kann; man spricht dann von einem Rektumprolaps.

Rückbildendes Training nach der Schwangerschaft

Um eine dauerhafte Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur zu verhindern und gesundheitliche Folgen wie Gebärmutterprolaps, Scheidenvorfall, Blasensenkung oder Rektumprolaps vorzubeugen, wird ein rückbildendes Training angeboten, um die Schwächen zu beheben, indem besondere Übungen ausgeübt werden, die zur Kontrolle und Entwicklung der Muskulatur des Beckenbodens der Frau beitragen. Nach Schwangerschaft und Geburt sollten Frauen unbedingt an einem Kurs für Rückbildungsgymnastik teilnehmen.

Scheidenkrampf / Vaginismus

Eine reflexartige oder dauerhafte Anspannung der Beckenboden- bzw. Scheidenmuskulatur bezeichnet man als Scheidenkrampf oder Vaginismus. Frauen mit Vaginismus ist es nicht möglich, bei gynäkologischen Untersuchungen, dem Einführen eines Tampons oder beim Geschlechtsverkehr die Muskulatur so zu entspannen, dass sie keine Schmerzen erleiden. Man spricht von einer unwillkürlichen Verkrampfung des Beckenbodens, wodurch der Eingang in die Scheide eng oder wie verschlossen erscheint. Vaginismus ist eine sexuelle Funktionsstörung, die organisch bedingt aber auch psychisch bedingt sein kann. Eine mögliche Therapie ist neben vaginaler Selbstuntersuchung und unterstützender Psychotherapie das Beckenbodentraining. In den meisten Fällen wird ein Behandlungserfolg hauptsächlich durch körperliche Therapie erreicht.

Beckenboden-Training. Übungen im Alltag

Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Beckenbodengymnastik ist zum Einen die Atemtechnik richtig auszuführen, denn Zwerchfell und Beckenboden hängen eng miteinander zusammen, und zum Anderen den Beckenboden, welchen man weder sieht noch spürt, wahrzunehmen. Die Beckenbodenübungen müssen schrittweise durchgeführt werden ohne dabei die Atemübungen zu vergessen. Bei Teilnahme eines Kurses werden die Trainer Sie über die Übungen unterrichten und Ihnen beim Ausführen helfend beistehen.

Auch im Alltag ist es möglich, die Beckenbodenmuskulatur wahrzunehmen und zu trainieren. Dabei muss das bewusste Anspannen und wieder Entspannen erlernt werden:

  • Bewahren Sie eine gerade Haltung, denn ein gebeugter Oberkörper staucht die Bauchorgane zusammen und drückt sie nach unten auf den Beckenboden, sodass die Elastizität der Muskeln nachlassen kann
  • Sofern Sie schwer heben, gehen Sie vorher immer in die Knie und halten Sie den Gegenstand nahe am Körper
  • Sportarten mit plötzlichen Erschütterungen meiden, wie Joggen, Trampolinspringen, Squash oder Tennis. Besser: Nordic Walking, Schwimmen oder Aqua Jogging
  • Verwenden Sie kleine Gewichte für die Vagina, sogenannte Vaginalkonen: Anfangs tendieren die Gewichte dazu, heraus zu rutschen, wodurch eine Art Reflex ausgelöst wird, das heißt die Muskeln spannen sich an und werden gekräftigt
  • Stellen Sie sich vor, den Urin anhalten zu müssen
  • Versuchen Sie den After zusammen zu ziehen
  • Versuchen Sie beide Sitzbeinhöcker zusammen zu ziehen, ohne dabei Ihr Gesäß anzuheben
  • Versuchen Sie Scheide und After bzw. Penis und After anzunähern (der Beckenboden zieht sich in den Bauch hinein)

Fazit: Der Beckenboden kann trainiert werden! Wie jede andere Muskelgruppe auch. Stärken Sie Ihre innere Mitte! Und sie werden feststellen, dass schon kleine Übungen im Alltag einen positiven Beitrag dazu leisten können.

 

J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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