Chaos im Mund: Zahnfehlstellungen im Überblick
Sehr wenige Menschen haben ein makelloses Gebiss. Zähne stehen schief, versetzt oder in zweiter Reihe; Ober- und Unterkiefer passen nicht zusammen oder sind verformt. Zahn- und Kieferfehlstellungen kommen sehr häufig vor. Hier finden Sie eine Übersicht über die verbreitetsten Gebissfehlstellungen – eine Behandlung ist vor allem in jungen Jahren gut möglich. Schiefe Zähne gelten in unserer Gesellschaft als Schönheitsmakel. Doch lediglich jeder zwanzigste Mensch besitzt von Haus aus ein „perfektes Gebiss“. Hierbei sitzen alle Zähne symmetrisch im Kiefer und die Kieferbögen sind in Form und Größe ideal ausgebildet. Doch es ist halb so wild, wenn das nicht der Fall ist. Die Gebissfehlstellungen lassen sich heutzutage gut behandeln.
Das menschliche Gebiss: Form folgt Funktion
Die Aufgabe des menschlichen Gebisses ist es aufgenommene Nahrung zu zerkleinern und auf die Verdauung vorzubereiten. Dazu besitzen Kinder 20 Milchzähne und Erwachsene 32 Zähne, aufgeteilt auf Ober- und Unterkiefer. Die Schneidezähne beißen Stücke aus der Nahrung, die kleinen und großen Backenzähne (Molaren) zermahlen das Essen zu einem Brei. Hier setzt im Mund bereits der erste Schritt der Verdauung ein und Enzyme spalten die Nahrung in einzelne Nährstoffe auf. Liegt eine Gebissfehlstellung vor, kann dieser Prozess nicht optimal ablaufen. Man unterscheidet prinzipiell zwischen Zahnfehlstellungen und Kieferfehlstellungen. Eine Fehlstellung der Zähne kann in jedem Alter mit einer Zahnspange gut behandelt werden. Die Wirkung von Zahnspangen tritt bei Kindern schneller ein als bei Erwachsenen. Kieferfehlstellungen können hingegen nur bei einem noch wachsenden Kiefer behoben werden. Bei erwachsenen Patienten kann eine Operation nötig sein, um den Kiefer zu korrigieren. Die Kosten für Zahnspangen tragen die Krankenkassen bei Patienten bis zur Volljährigkeit, wenn eine medizinische Notwendigkeit für die Behandlung besteht. Bei Erwachsenen kommen die Krankenkassen nur in Extremfällen auf.
Häufige Zahnfehlstellungen: Engstand und Zahnlücken
Der Zahnengstand:
Zu Zahnfehlstellungen kommt es, wenn die Anzahl oder die Größe der Zähne nicht zu den Ausmaßen des Kiefers passt. Ist der Kiefer zu klein schieben sich die Zähne voreinander, brechen in zweiter Reihe durch und stehen zu eng zusammen. Dieser Zahnengstand ist meist erblich bedingt. Doch auch mangelnde Mundhygiene bei Kindern kann zu einem Engstand führen. Fällt ein Milchzahn aufgrund schlechter Hygiene verfrüht aus, wandern seine Nachbarn und verstellen so den Platz für den Durchbruch des bleibenden Zahnes. Die Folge: Die Zähne wachsen verdreht, oberhalb oder unterhalb des eigentlichen Platzes. Die Zahnfehlstellung kann mit Hilfe einer Zahnspange korrigiert werden. Ist der Kieferbogen zu klein für die Anzahl der Zähne, kann ein Bogen eingesetzt und mit Schrauben fixiert werden. Passt der Kieferorthopäde den Bogen immer wieder neu an, wird der Kieferbogen gestreckt und das Knochenwachstum angeregt. Dadurch vergrößert sich der Raum für die Zähne und sie können im Anschluss mit einer Spange in die rechte Form rücken.
Diastema Mediale:
Als Diastema Mediale bezeichnen Zahnmediziner eine deutliche Zahnlücke in der Mitte des Oberkiefers. Die Schneidezähne stehen zu weit auseinander und ergeben kein geschlossenes Zahnbild. Die Ursache für diese Zahnlücke ist meist ein zu großes Lippenbändchen, das das Schließen der Lücke verhindert. Nachdem die Eckzähne des Oberkiefers vollständig durchgebrochen sind, kann eine operative Kürzung des Lippenbändchens dazu führen, dass sich die Lücke schließt. Gegebenenfalls kann eine Zahnspange den Prozess unterstützen.
Häufige Kieferfehlstellungen
Der Überbiss:
Viele Menschen leiden an einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Überbiss (Prognathie) . Dabei ragen die oberen Schneidezähne zu weit über die Zähne des Unterkiefers hinaus. Meist ist ein zu großer Oberkiefer die Ursache. Die Abbeißfunktion ist bei einem starken Überbiss eingeschränkt. Ein Überbiss kann durch Fehlverhalten entstehen: Zu langes Nuckeln am Schnuller oder Lutschen am Daumen bei kleinen Kindern kann zu einer Veränderung des Kiefers führen.
Progenie (Vorbiss des Unterkiefers):
Ein vorstehender, manchmal zu großer Unterkiefer heißt Progenie. Manchmal ist auch ein im Wachstum zurückgebliebener Oberkiefer für die Fehlstellung verantwortlich. Beides führt zu einem Vorbiss des Unterkiefers, die unteren Schneidezähne schließen vor der oberen Zahnreihe ab. Die Abbeiß- und Kaufunktion ist eingeschränkt und die Frontzähne werden ungünstig belastet. So kann es sein, dass sich ihre Verankerung im Kieferknochen lockert. Das hervorstehende Kinn fällt bei einer Progenie ins Auge. Ist der Oberkiefer zu klein, fällt ein unterentwickeltes Mittelgesicht optisch auf.
Der Kreuzbiss:
Der Kreuzbiss bezeichnet die Fehlverzahnung im seitlichen Bereich des Kiefers. Die oberen Seitenzähne liegen weiter innen als ihr unteres Pendant. Die Zähne können ganz aneinander vorbei beißen. Die Kaufunktion kann stark beeinträchtigt sein. In manchen Fällen liegt der Kreuzbiss nur auf einer Kieferseite vor, meist sind allerdings beide Seiten betroffen.
Der offene Biss:
Bei einem offenen Biss stehen die Kieferbögen zwar symmetrisch übereinander, die Zähne treffen dennoch nicht aufeinander. Es besteht ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Abstand zwischen den beiden Zahnreihen. Der offene Biss betrifft häufig die Frontzähne, weniger oft sind die Seitenreihen betroffen. Fehlverhalten und schlechte Gewohnheiten wie Daumenlutschen und zu langer Gebrauch eines Schnullers verändert den Kiefer: Die oberen Schneidezähne stehen nach außen ab und schließen den Biss nicht richtig. Auch Zungenfehlfunktionen und eine Veränderung im Schluckvorgang kann diese Fehlstellung verursachen. Die Lücke zwischen oberer und unterer Zahnreihe beeinträchtigt die Aussprache, Betroffene lispeln häufig.
Symptome einer Zahnfehlstellung: ästhetischer Makel und medizinisches Problem
Eine Zahn- oder Kieferfehlstellung stellt in den meisten Fällen einen optischen Makel dar. Gerade und gepflegte Zähne sind ein Schönheitsideal unserer Gesellschaft. Abgesehen von der Optik kann eine Gebissfehlstellung zu gesundheitlichen Problemen führen. Probleme beim Kaufen, Schmerzen im Kiefergelenk, Sprachfehler, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen im Nacken- und Rückenbereich und Schnarchen treten vermehrt auf. Der Zahnarzt erkennt eine Fehlstellung bei der halbjährlichen Kontrolluntersuchung. In gravierenden Fällen kann die Behandlung schon im frühen Kindesalter beginnen. Normalerweise macht eine Korrektur des Kiefers oder der Zähne etwa ab dem neunten Lebensjahr Sinn. Wird eine Zahnfehlstellung oder eine Anomalie im Kiefer entdeckt, wird der Zahnarzt den Patienten an einen Kieferorthopäden verweisen. Mittels genauer Untersuchung, Röntgenaufnahmen des Kiefers und Gipsabdrücke der Zähne ermittelt der Spezialist die genaue Stellung der Zähne und kann eine individuelle Behandlung einleiten.
Behandlung von Fehlstellungen des Kiefers: Zahnspangen rücken Zähne zurecht
Die meisten Zahn- und Gebissfehlstellungen können mit Zahnspangen behoben werden. Welche Zahnspange den besten Erfolg liefert, hängt individuell von der Fehlstellung und der Mitarbeit des Patienten ab. Konsequenz ist dabei das Mittel zum Erfolg: Wer seine lockere Spange regelmäßig trägt, seine Zähne gut pflegt und den Anweisungen des Arztes folgt, der kann die Behandlungsdauer verkürzen. Bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum lassen sich Kieferfehlstellungen noch gut behandeln. Die Knochen befinden sich im Wachstum und Anomalien lassen sich noch ausgleichen. Das ist für den Patienten nicht immer angenehm, das Resultat ist die Strapazen allerdings wert.
Komplikationen bei Zahnfehlstellungen: Angriffsfläche für Bakterien
Einige Zahnfehlstellungen können unbehandelt auf Dauer zu Komplikationen führen. So bieten zu eng stehende Zähne für Bakterien einen guten Lebensraum. Die Pflege der Zahnzwischenräume ist erschwert und Essensreste und Bakterien können sich leicht anlagern. Das Risiko für Karies und Zahnfleischentzündungen steigt bei einem Engstand der Zähne. Bei einem Überbiss oder einem offenen Biss kann die Lautbildung gestört sein und Sprachprobleme sind die Folge. So kann eine Zahnlücke oder ein Spalt zwischen den Zahnreihen das Lispeln verursachen. Zahnfehlstellungen sollten immer von einem Spezialisten beurteilt werden. Die Therapie ist meist langwierig, bringt die meisten Fehlstellungen allerdings in Ordnung. In schwerwiegenden Fällen kann eine kieferorthopädische Operation notwendig sein.
Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.