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Co-Parenting – Eltern sein ohne Liebesbeziehung

Kommentar schreiben Aktualisiert am 06. Oktober 2020

Der Begriff Co-Parenting ist vermutlich so manchem bereits zu Ohren gekommen. Vor allem in Anbetracht sich wandelnder Normen erfährt das alternative Familienmodell wachsende Bedeutung. Co-Parenting, auch als Co-Elternschaft bezeichnet, beschreibt dabei das Aufziehen eines gemeinsamen Kindes – ganz ohne Liebesbeziehung. Es geht also darum, die soziale Elternschaft auf freundschaftlicher Basis zu leben. Eine solche Familienkonstellation lässt sich nicht nur sehr individuell gestalten, sie durchbricht und erweitert ebenso bisher Gewohntes.

 

Wir haben uns näher mit dem Konzept der Co-Elternschaft beschäftigt. Was versteht man unter Co-Parenting eigentlich genau? Wieso entscheiden sich Menschen für solch ein alternatives Modell? Wo findet man den geeigneten Partner für eine Co-Elternschaft und wie darf man sich Co-Parenting in der Praxis vorstellen? Auch Vor- und Nachteile dieses besonderen Familienmodells haben wir in den Blick genommen.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist Co-Elternschaft?

 

Co-Elternschaft – gemeinhin auch als Co-Parenting bezeichnet – beschreibt ein alternatives Familienmodell. Es geht hierbei darum, Elternschaft mit allen Höhen und Tiefen zu leben, allerdings nicht als Liebespaar. Dazu finden Menschen zusammen, die keine intime oder romantische Beziehung eint, sondern der Wunsch nach einem Kind. Interessant ist solch ein Familienkonzept nicht nur für alleinstehende Männer oder Frauen, sondern auch für gleichgeschlechtliche Paare. Der Wunsch, dass beide Elternteile an der Erziehung beteiligt und im Alltag präsent sind, spielt eine gewichtige Rolle.1

 

Im deutschsprachigen Raum wurde Co-Parenting vor allem in den letzten Jahren immer sichtbarer. Dabei ist das Familienkonzept keinesfalls so neu, wie man vermuten könnte. Bereits in den 60er-Jahren hat es sich – ausgehend von den USA – vielerorts etabliert. Abgegrenzt werden muss die Co-Elternschaft von Patchwork-Familien einerseits, klassischen Regenbogenfamilien andererseits.2

 

Dass Co-Parenting auch in unseren Breiten immer mehr an Bedeutung gewinnt, liegt einerseits am generellen Aufschwung alternativer Familiensysteme, andererseits kommt es durch neue Medien zu steigender Vernetzung und Sichtbarkeit. Im Rahmen der Co-Elternschaft wird Familie zwar nicht nach dem traditionellen Modell gelebt, die jeweiligen Elternteile sind jedoch in der Regel auf freundschaftlicher Ebene verbunden und vertraut. Somit steht das wertschätzende gemeinsame Großziehen des Kindes im Fokus, fernab von einer Liebesbeziehung.3

 

Ein schlafendes BabyStreng genommen geht es beim Co-Parenting also darum, die soziale Elternrolle wahrzunehmen und dabei gleichzeitig das traditionelle Familienbild zu durchbrechen beziehungsweise zu erweitern.4 Elternschaft ist die Basis, eine Liebesbeziehung oder sexuelle Beziehung ist in diesem Zusammenhang unwesentlich. Demnach findet in der Mehrzahl aller Fälle von Co-Parenting die Befruchtung auch auf künstlichem Wege statt (z.B.: Bechermethode).5

 

Wie viele Menschen solch eine Co-Elternschaft leben, ist aktuell nicht abbildbar. Weder gibt es Statistiken zum Thema, noch entsprechende Studien. Man kann aber davon ausgehen, dass Co-Parenting – so wie andere alternative Familienmodelle auch – im Aufschwung begriffen ist. Demnach wird man dem Konzept der Co-Elternschaft in Zukunft gewiss häufiger begegnen. Auch die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. immerhin bindet nicht jeder der Allgemeinheit gerne seine persönliche Familienkonstellation auf die Nase.

 

Wieso entscheiden sich Menschen für Co-Parenting?

 

Die Gründe, weshalb sich Menschen für eine Co-Elternschaft entscheiden, sind ganz unterschiedlich. In vielen Fällen besteht ein starker Kinderwunsch, der passende Partner aber fehlt. Auch Konstellationen, in denen das gängige Familienkonzept biologisch nicht zu bewerkstelligen ist, sind häufig – man denke an gleichgeschlechtliche Paare. In anderen Fällen wiederum möchte man das klassische Familienbild vielleicht gar nicht erfüllen. Auch viele Alleinerziehende entscheiden sich für Co-Parenting, weil sie sich weitere Kinder sowie einen präsenten zweiten Elternteil wünschen.6

 

Mögen Voraussetzungen und Gründe für das Familienkonzept Co-Elternschaft auch sehr unterschiedlich sein, etwas Verbindendes ist stets vorhanden: Co-Parenting macht eine Elternschaft dort möglich, wo sie im Regelfall zumindest deutlich erschwert ist.7

 

Wo findet man einen Partner für eine Co-Elternschaft?

 

Grundsätzlich kann man einen Partner für Co-Parenting natürlich überall finden. Die Praxis aber zeigt, dass viele solche Familien ihren Anfang im Internet haben. Im englischsprachigen Raum sind schon lange unterschiedliche Online-Plattformen zum Thema Co-Elternschaft etabliert. Hier findet nicht nur Vernetzung statt, es können auch konkrete Gesuche aufgegeben werden.

 

Im deutschsprachigen Raum hat sich dementsprechend die Plattform www.familyship.org entwickelt. Das Portal wurde von einer Frau gegründet, die gemeinsam mit ihrer Partnerin den Wunsch nach einem Kind samt Vater realisieren wollte. Rasch war augenscheinlich, dass keine entsprechende Lobby vorhanden ist. Daher wurde sie selbst initiativ und hat Familyship ins Leben gerufen.

 

Wie funktioniert Co-Parenting in der Praxis?

 

Wie jedes andere Familienmodell auch, folgt Co-Parenting ganz individuellen Spielregeln. Es obliegt den beteiligten Personen, wie man das gemeinsame Miteinander in der Praxis konkret gestaltet. Am Anfang steht – wie in traditionellen Familien – das Kennenlernen der künftigen Eltern. Emotionale Tiefe, Freundschaft sowie eine gute Vertrauensbasis sind Grundlage für alles Weitere. Gerade im Hinblick auf das gemeinsame Aufziehen eines Kindes schaden ähnliche Normen und Wertvorstellungen natürlich ebenfalls nicht.

 

Wie die Befruchtung selbst vonstattengeht, ist Ausmachungssache. Man kann jedoch davon ausgehen, dass tatsächlicher Sexualkontakt eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Gemeinhin führen alternative Möglichkeiten (künstliche Befruchtung durch Bechermethode, …) zur Schwangerschaft.

 

Co-Parenting-Familien sind ganz unterschiedlich aufgestellt. Neben den Kindern umfassen sie in der Regel zwischen zwei bis vier weitere Personen. Gängige Konstellationen sind Mann plus Frau, gleichgeschlechtliches Pärchen plus Mann/Frau oder auch zwei gleichgeschlechtliche Paare. Wie in anderen Familien ebenfalls, können sich Konstellationen in weiterer Folge ändern – wenn etwa Trennungen stattfinden oder neue Partner ins Spiel kommen. So muss man Co-Elternschaft zwar von klassischen Patchwork-Situationen oder Regenbogenfamilien abgrenzen, Überschneidungen kann es aber durchaus geben.

 

Auch das örtliche Setting ist nicht festgelegt, Familien entscheiden hier nach individuellen Wünschen und Bedürfnissen. Somit reichen die Möglichkeiten vom gemeinsamen Haushalt über getrennte Haushalte bis hin zu nebeneinanderliegenden Wohnungen oder Häusern. Bei getrennten Wohnsitzen wird der Umgang individuell geregelt. Wechselmodell (Kinder wechseln zwischen beiden Wohnsitzen) sowie Nestmodell (Kinder haben einen Wohnsitz, Eltern wechseln sich dort mit der Betreuung ab) kommen häufig zur Anwendung. Das Setting ist jedoch keinesfalls ein starres Konstrukt. Bei sich ändernden Bedingungen kann es selbstverständlich angepasst werden.

 

Welche Vorteile bietet Co-Parenting?

 

Co-Parenting geht mit der Zeit und bietet alternativen Familienmodellen Raum – zweifellos ein Vorteil. Immerhin gibt es immer mehr gut situierte Männer und Frauen, die sich in ihrem Singleleben wohlfühlen, dabei auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches aber nicht verzichten möchten. Dem Nachwuchs können und wollen sie eine gute Basis bieten.8

 

Ein lachendes KleinkindGrundsätzlich muss betont werden, dass Co-Parenting in der Regel Kinder hervorbringt, die von beiden Elternteilen absolut gewollt sind und dementsprechend umsorgt und gefördert werden. Der Wegfall der romanischen Beziehung zwischen den Eltern lenkt den Fokus auf den freundschaftlichen Aspekt. Dieser ist als Basis für ein Familiengefüge nicht die schlechteste Wahl. Kinder aus Co-Parenting-Familien finden sich häufig in einem liebevollen Umfeld wieder, in dem sich die Eltern durchaus sehr respektvoll begegnen. Darüber hinaus sind bei einer Co-Elternschaft in der Regel beide Elternteile sehr präsent und engagiert. Eine solche „Arbeitsteilung“ reduziert familiäre Belastungen erheblich.9

 

Zudem wird eine gute freundschaftliche Basis zwischen den Eltern oftmals als stabiler als eine Liebesbeziehung empfunden und beschrieben. Dadurch, dass die Beziehung emotional weniger stark gefärbt ist, ergeben sich automatisch weniger Konfliktherde. Streit ist seltener ein Thema. Vor unangenehmen Rosenkriegen sowie Loyalitätskonflikten bleibt das Kind gemeinhin eher verschont.10

 

Darüber hinaus ist in Co-Parenting-Familien der Vater überdurchschnittlich präsent. Das hat zweifellos positive Auswirkungen auf das die kindliche Entwicklung von Rollenverhalten und Rollenmustern. Etwas, wovon der Nachwuchs im weiteren Leben profitiert.11

 

Co-Parenting: Vorteile im Überblick

 

  • Zeitgemäßes Familienmodell, das Kindern eine gute Basis bietet
  • Freundschaftliches Fundament der Eltern als stabiler Faktor
  • Liebevolles Umfeld, respektvoller Umgang, weniger emotional gefärbte Konflikte zwischen Eltern
  • Geringere Wahrscheinlichkeit für Rosenkriege und Loyalitätskonflikte
  • Beide Elternteile sind sehr präsent → Arbeitsteilung reduziert familiäre Belastung
  • Überdurchschnittliche Präsenz des Vaters hat positive Auswirkung auf Rollenmuster und Rollenverhalten

 

Welche Nachteile hat Co-Parenting?

 

Nachteile einer gut funktionierenden Co-Elternschaft sind tatsächlich recht überschaubar. Ein Aspekt, der hierzu häufig angeführt wird, ist die Tatsache, dass ohne romantische Beziehung zwischen den Eltern automatisch auch weniger Konflikte ausgetragen werden. Damit fällt eine gewisse „Vorbildfunktion“ weg. Eventuell wird dadurch das Konfliktverhalten der Kinder weniger gut gefördert. Statistische Belege gibt es hierfür jedoch nicht. Bestehen getrennte Wohnsitze, kann sich zudem manchmal das Gefühl des Alleinseins einschleichen, wenn sich das Kind gerade beim anderen Elternteil aufhält.12

 

Nachteile von Co-Parenting ergeben sich manchmal – wie so häufig bei alternativen Lebensmodellen – aufgrund von Vorurteilen Dritter. Übermäßige Neugierde oder das Gefühl, sich rechtfertigen oder erklären zu müssen, kann durchaus für Missmut sorgen. Darüber hinaus können rechtliche Unstimmigkeiten oder Schwierigkeiten auftauchen – vor allem dann, wenn außer den leiblichen Elternteilen noch weitere Personen beteiligt sind (zum Beispiel in gleichgeschlechtlichen Konstellationen).

 

Co-Parenting: Nachteile im Überblick

 

  • Eventuell wird Konfliktverhalten der Kinder etwas weniger gefördert (keine Belege!)
  • Konfrontation mit Vorurteilen, übermäßiger Neugierde oder Erklärungsnot
  • Rechtliche Unsicherheiten/Schwierigkeiten

 

Was muss man aus rechtlicher Sicht beim Co-Parenting beachten?

 

Zeugen Mann und Frau in einer Co-Parenting-Konstellation ein Kind, ergibt sich keinerlei Unterschied zu unverheirateten Paaren in einer Liebesbeziehung. Im Rahmen der Sorgeerklärung erklären beide Elternteile, das Sorgerecht gemeinsam wahrzunehmen. Der leibliche Vater erhält vor dem Gesetz somit sämtliche Rechte und Pflichten, die mit der Vaterschaft verbunden sind (Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhaltspflicht, …).13

 

Sinnvoll ist es in jedem Fall, schon vor der Geburt des Kindes wesentliche Aspekte gerichtlich abzuklären. Eine rechtliche Beratung ist hier unbedingt anzuraten, vor allem, wenn außer den leiblichen Eltern noch weitere Personen beteiligt sind.

 

Welche Folgen kann eine Co-Partnerschaft für das Kind haben?

 

Eine gut funktionierende Co-Elternschaft bietet dem Kind nicht nur ein stabiles und liebevolles Umfeld, sondern darüber hinaus Eltern, die sich wertschätzend begegnen und den Fokus auf die gemeinsame Erziehungsaufgabe legen. Kinder, die im Rahmen von Co-Parenting zur Welt kommen, sind stets herbeigesehnt und sehr erwünscht. Darüber hinaus profitieren sie davon, dass in der Regel beide Elternteile sehr präsent sind. Das hat im Hinblick auf die Entwicklung von Rollenverhalten und Etablierung von Rollenmustern durchaus Vorteile. Stark emotional gefärbte Konflikte zwischen den Eltern, Rosenkriege oder Loyalitätskonflikte sind weit weniger häufig Thema. Möglicherweise hemmt das die Kinder in ihrem eigenen Konfliktverhalten. Auch Vorurteile oder Abwertung von Außenstehenden können Thema sein.

 

Doch welche Vor- oder Nachteile mit Co-Parenting auch verbunden sein mögen, im Endeffekt zeigt das Konzept auf, dass sich Familienbilder im Wandel befinden. Längst findet in unserer Gesellschaft nicht mehr bloß das klassische Familienmodell Platz. Vielmehr wird dieses aufgeweicht und um weitere Möglichkeiten, Familie zu leben, ergänzt. Solch alternative Konstellationen haben wunderbares Potential und bringen im Idealfall zufriedene, glückliche und durchaus resiliente Menschen hervor. 

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Daniela Jarosz
Autor: Daniela Jarosz

Daniela Jarosz ist Sonder- und Heilpädagogin. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit Inhalten aus Medizin und Psychologie auseinandergesetzt. Sie arbeitet seit vielen Jahren im psychosozialen Feld und fühlt sich außerdem in der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin zuhause. Im redaktionellen Bereich hat sie sich auf die Fachrichtungen Medizin, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance sowie Kinder und Familie spezialisiert.

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