Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen - Schattenseite der virtuellen Welt
Das Internet ist aus unserer heutigen Lebensrealität nicht mehr wegzudenken. Durch mobiles Internet haben wir mittlerweile gar die Möglichkeit, immer und überall online zu sein. Das führt allerdings auch dazu, dass sich manche Phänomene vermehrt in virtuelle Räume verlagern.
In diesem Zusammenhang möchten wir uns in diesem Artikel näher mit Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Was ist Cybermobbing überhaupt und was sagen Statistiken und Gesetzgebung? Weiterhin sollen Ursachen und die Auswirkungen auf Betroffene in den Blick genommen werden. Wesentlich ist auch der Umgang mit Cybermobbing in der Praxis. Wie können sich Betroffene wehren? Was können Eltern und Schulen tun? Welche Möglichkeiten gibt es, um für das Thema Cybermobbing zu sensibilisieren und auf diese Weise wertvolle Präventionsarbeit zu leisten?
Was ist Cybermobbing?
Strenggenommen ist Mobbing kein neues Phänomen. Systematisches Ausgrenzen, Beleidigen und Bedrohen haben allerdings durch die Verbreitung sowie Verbesserung neuer Medien – allen voran das Internet – gänzlich neue Qualität erfahren. In Anlehnung an den Mobbingbegriff hat sich mittlerweile ein eigenständiger Terminus etabliert – Cybermobbing. Im deutschsprachigen Raum findet dieser bereits seit 2007 Anwendung.1
Der Definition nach versteht man unter Cybermobbing absichtliches sowie über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltendes Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen anderer via digitaler Medien.2
Cybermobbing findet online im Internet sowie über Mobiltelefone/Smartphones statt. Soziale Netzwerke, Videoportale oder Messengerdienste wie WhatsApp stellen beliebte Bühnen dar. Es existieren unterschiedliche Formen von Cybermobbing.
Solche sind beispielsweise:
- Beleidigen, Beschimpfen, Erpressen und Bedrohen
- Belästigung
- Verbreiten von Gerüchten
- Bloßstellen
- Ausschluss/Isolation
- Aneignen einer anderen Identität („Fake-Profil“)3
Eine Vielzahl von Handlungen fällt unter Cybermobbing. Solche sind beispielsweise die Verbreitung unangenehmer oder intimer Fotos/Videos, die Gründung von Hassgruppen in sozialen Netzwerken sowie wiederholtes Verschicken von beleidigenden oder bedrohlichen Nachrichten über SMS, Mail, Messengerdienste oder Chats.4
Opfer von Cybermobbing kann prinzipiell jeder werden, doch Kinder und Jugendliche, für die virtuelle Welten Lebensrealität sind, sind besonders gefährdet. Auch wenn Mobbingattacken häufig anonym stattfinden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Opfer und Täter kennen, hoch.5
Was macht Cybermobbing so gefährlich?
Mobbing unter Kindern und Jugendlichen war zwar in früheren Zeiten genauso vorhanden, allerdings meist auf bestimmte Situationen (Schule, Hobby, Heimweg, …) beschränkt. Demgegenüber weist Cybermobbing durch veränderte Voraussetzungen eine ganz individuelle Qualität auf.
Besonderheiten von Cybermobbing im Vergleich zu „herkömmlichem“ Mobbing:
- Mobbing kann ununterbrochen stattfinden (nämlich immer und überall dort, wo digitale Medien genutzt werden).
- Inhalte/Gerüchte verbreiten sich rasend schnell, erreichen ein großes Publikum und bleiben häufig dauerhaft abrufbar („Das Internet vergisst nicht“).
- Durch die Möglichkeit, vermeintlich anonym agieren zu können, sinkt die Hemmschwelle der Täter.6
Cybermobbing: Statistik macht betroffen
Laut JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) aus dem Jahr 2018 sind 19 % der Jugendlichen schon einmal Opfer einer Verbreitung von falschen oder beleidigenden Inhalten über die eigene Person per Handy oder Internet geworden. Der größte Anteil (25 %) ist in der Altersklasse 16- bis 17-jähriger zu verzeichnen. Auf die Frage, ob es im Bekanntenkreis jemanden gäbe, der online oder per Smartphone schikaniert wurde, antworteten 34 % der Teilnehmer mit Ja. Auch hier ist mit insgesamt 40 % der Anteil in der Gruppe der 16- bis 17-jährigen am größten. Die Frage, ob ihnen selbst schon Cybermobbing widerfahren sei, bejahten 8 %.7
Die JIM-Studie zeigt deutlich auf, dass Mobbing in digitalen Medien zur Lebenswirklichkeit vieler Jugendlicher gehört. Mitnichten handelt es sich bei Cybermobbing also um ein seltenes Randphänomen, sondern vielmehr um eine reale Bedrohung, die im Prinzip jeden treffen kann. Umso wichtiger ist eine Sensibilisierung für das Thema im Elternhaus, im Bildungskontext und nicht zuletzt bei den jungen Leuten selbst.
Was sind die Ursachen für Cybermobbing?
Gründe für Cybermobbing sind ganz verschieden. Auffällig ist, dass es durchaus häufig zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommt. Opfer von Cybermobbing wenden sich dann gegen ihre Peiniger oder aber auch völlig unbeteiligte Personen und werden ihrerseits zu Tätern. Klassische Auslöser von Mobbing sind Wut, Langeweile oder schlechte Laune. Gerade beim Phänomen des Mobbings ist auch ein gewisses Mitläufertum nicht von der Hand zu weisen.
Darüber hinaus nutzen junge Menschen zum virtuellen Austausch mittlerweile vorwiegend mobile Dienste am Smartphone sowie nicht-öffentliche Messengerdienste, was eine Kontrolle durch Eltern oder Lehrer erschwert. Durch die fehlende soziale Kontrolle, bleiben in Folge allerdings auch Konsequenzen für Mobbing aus. Nicht selten führt das dazu, dass sich Täter ihrer Handlungen gar nicht richtig bewusst sind (unbewusstes Cybermobbing).8
Mobbing hat drastische Auswirkungen
Die Folgen von Cybermobbing ähneln jenen des klassischen Mobbings. Auf lange Sicht wirkt sich Mobbing deutlich auf das Selbstwertgefühl Betroffener aus. Der psychische Leidensdruck kann bis zur sozialen Isolation oder sogar zum Suizid führen. Direkte Auswirkungen von Cybermobbing werden nicht immer gleich erkannt. Das liegt darin begründet, dass einerseits unspezifische Symptome auftreten und andrerseits Betroffene sich häufig scheuen, sich jemandem anzuvertrauen.
Mögliche Symptome/Folgen von Cybermobbing:
• Konzentrationsprobleme
• Kopfschmerzen/Migräne
• Magen-Darm-Beschwerden
• Nervosität
• Schlafstörungen
• Vermeidungsverhalten (klassisch: Schulverweigerung, bis hin zum Schulabbruch)
• Lustlosigkeit, depressive Verstimmung, Depression, Angststörungen
• Leistungsabfall
• Freundschaften zerbrechen/soziale Isolation
• Rückzugsverhalten; Realitätsflucht
• Minderwertigkeitsgefühle; Auswirkungen auf das Selbst- und Körperbild
• Appetitstörungen; Essstörungen
• Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht9
Wie kann ich mich gegen Cybermobbing wehren?
Scheinbar harmlos fängt es mit kleinen Sticheleien an. Doch ehe man sich versieht, steckt man mittendrin im Cybermobbing. In diesem Zusammenhang wesentlich: Cybermobbing ist nichts, das man als gegeben hinnehmen muss und schon gar kein Kavaliersdelikt! Es gilt hier, erwachsene Vertrauenspersonen ins Boot zu holen, Grenzen zu setzen und Bewusstsein zu schaffen.
Folgende Schritte helfen, aus der Dynamik von Ohnmacht und Hilflosigkeit, die häufig mit Mobbing verbunden ist, auszusteigen:
- Auch wenn es nicht ganz einfach ist, sollten Betroffene versuchen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Eine Reaktion stachelt die Täter meist zusätzlich an.
- Es ist wichtig, sämtliches Beweismaterial (beleidigende/bedrohliche Bilder, Nachrichten, Videos, …) zu sichern.
- Cybermobbing sollte stets den Anbietern betreffender Plattformen gemeldet werden. Mobbende Personen können so gesperrt und diffamierende Inhalte gelöscht werden.
- Aus Scham vertrauen sich Opfer von Cybermobbing häufig niemandem an. Dabei ist genau das wesentlich, um die Situation zu verändern und die Täter mit ihren Handlungen sowie Konsequenzen zu konfrontieren. Auch wenn es schwerfällt - Ist man Opfer von Mobbing geworden, sollte man das Gespräch mit einer erwachsenen Vertrauensperson suchen.10
Übrigens: Sowohl Täter als auch Opfer sind sich der rechtlichen Konsequenzen von Cybermobbing oftmals gar nicht bewusst. Cybermobbing selbst stellt in Deutschland zwar keinen Straftatbestand dar, einzelne Handlungen sind allerdings sehr wohl strafbar. Dazu zählen unter anderem die Verletzung des Rechts am eigenen Bild, die Verletzung des Rechts am eigenen Namen sowie Beleidigung.11 Die Rechtslage zu vermitteln, ist auch im Rahmen von Präventionsarbeit wesentlich.
Cybermobbing: Was können Eltern und Schulen tun?
Was Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen Einhalt gebietet? Das beherzte Einschreiten anderer! Vor allem Eltern und Pädagogen stehen hier in der Verantwortung. Zudem hilft Präventionsarbeit maßgeblich dabei, Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen.
Cybermobbing: die Rolle der Eltern
Cybermobbing sticht selten sofort ins Auge. Es ist wichtig, dass Eltern genau hinschauen. Sind Wesensveränderungen beim Kind oder Jugendlichen noch angemessen oder bewegen sie sich in einem bedenklichen Rahmen? Reagiert das Kind wütend oder traurig nach Nutzung von Laptop oder Smartphone? Sondert es sich vermehrt ab und meidet den Kontakt zu Freunden und Bekannten? Fallen Veränderungen in Bezug auf die Schule auf, wie etwa Leistungsabfall oder Vermeidungsverhalten? All das können Hinweise auf Cybermobbing sein.
Opfer von Cybermobbing müssen ihre Sorgen bereden dürfen, um den Leidensdruck abzubauen. Wichtig ist, dass sie dabei ausnahmslos ernst genommen und nicht bewertet oder verurteilt werden. Dem Kind aufgrund von Cybermobbing das Internet zu verbieten, ist in der Regel keine gute Lösung. Vielmehr gilt es, Lösungen zu suchen: Wer wird über die Geschehnisse in Kenntnis gesetzt? Wird Kontakt mit den Eltern des mobbenden Kindes aufgenommen oder wendet man sich direkt an die Schule?
Manchmal macht es auch Sinn, eine Beratungseinrichtung aufzusuchen, um die eigenen Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Im Falle von beharrlicher Verfolgung oder deutlicher Bedrohung, ist die Polizei erste Anlaufstelle.
Präventivmaßnahmen sind wesentlich, damit es gar nicht erst zu Cybermobbing kommt. In erster Linie gilt es, auf eine vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung zu setzen und das Selbstbewusstsein des Kindes nachhaltig zu stärken.
Im Rahmen der Erziehung sollte außerdem vor allem in jungen Jahren Wert auf Medienerziehung gelegt werden. Sich gemeinsam auch mit den Schattenseiten der Medienwelt auseinander zu setzen, sich von Kindern deren Onlinewelt zeigen zu lassen und im Gespräch miteinander zu bleiben, sind hier wichtige Grundpfeiler.
Cybermobbing vorbeugen, erkennen und handeln: die Rolle der Pädagogen
Bildungseinrichtungen profitieren von Präventionsprogrammen. Es ist nicht nur wichtig, dass Pädagogen Anzeichen für Cybermobbing erkennen und entsprechend handeln können, vor allem der Präventionsarbeit kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Ein Vertrauensverhältnis zwischen Lehrern und Schülern zu schaffen, auf wertschätzenden Umgang zu setzen und die Bildungseinrichtung zu einem Ort von Beziehung und Schutz zu machen, tragen maßgeblich dazu bei, Cybermobbing auf keinen fruchtbaren Boden fallen zu lassen.
Interessierten und Betroffenen möchten wir gerne die Initiative „Bündnis gegen Cybermobbing“ ans Herz legen. Hier finden sich wertvollen Informationen und Handlungsempfehlungen. Zudem kann nach professionellen Beratungsstellen in Wohnortnähe gesucht werden.
Quellenangabe (Stand 20.05.2019):
1 https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/pwi/pa/cybermobbing.html
2 https://www.saferinternet.at/faq/cyber-mobbing-was-ist-das/
3 https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/ratgeber/fuer-schueler.html
4 https://www.saferinternet.at/faq/cyber-mobbing-was-ist-das/
5 https://www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/cyber-mobbing/cyber-mobbing-was-ist-das/
7 JIM Studie 2018, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, downloadbar:
https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2018/
9 https://www.profiling-institut.de/cybermobbing/
10 https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/ratgeber/fuer-schueler.html#tab-622-4
11 https://www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/cyber-mobbing/was-sagt-das-gesetz
Daniela Jarosz ist Sonder- und Heilpädagogin. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit Inhalten aus Medizin und Psychologie auseinandergesetzt. Sie arbeitet seit vielen Jahren im psychosozialen Feld und fühlt sich außerdem in der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin zuhause. Im redaktionellen Bereich hat sie sich auf die Fachrichtungen Medizin, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance sowie Kinder und Familie spezialisiert.