Darum ist Vorlesen so wichtig
Bücher sind nicht nur Wissensquelle, großartiges Hobby und Zufluchtsort, Lesen fördert zudem eine Vielzahl kognitiver sowie sozialer Kompetenzen. Kein Wunder, dass Vorlesen für die kindliche Entwicklung von großem Wert ist.
Dieser Artikel befasst sich ausgiebig mit der Frage, weshalb Vorlesen für Kinder so wichtig ist. Ab wann sollten Eltern ihren Kindern vorlesen und was ist dabei besonders wichtig? Zum Abschluss dürfen Tipps und Tricks für ein gemütliches, aufregendes und abwechslungsreiches gemeinsames Leseerleben nicht fehlen.
Inhaltsverzeichnis
- Kindern vorlesen? Bitte von klein auf!
- Vorlesen fördert Kinder vielseitig
- Wie Vorlesen die Allerkleinsten fördert
- Vorlesen stellt Weichen für später
- (Vor-)Lesen – wichtig für die soziale Entwicklung
- Vorlesen tut der Eltern-Kind-Bindung gut
- Kindern vorlesen: Das ist wichtig
- Vorlesen: ein Ritual für jeden Tag
- Kindern vorlesen: Tipps und Tricks für die Praxis
Kindern vorlesen? Bitte von klein auf!
Viele Eltern fragen sich, ab wann sie dem Nachwuchs denn am besten vorlesen sollen. Die Antwort mag durchaus überraschen – so früh wie möglich! Dass Kinder unter zwei Jahren dem Inhalt einer Geschichte noch nicht folgen können, tut da wenig zur Sache. Das Vorlesen selbst ist in diesem Alter nämlich klar untergeordnet. Vielmehr geht es darum, Sprache vertraut zu machen, erstes Interesse für Bücher zu wecken sowie liebevoll gestaltete Illustrationen gemeinsam zu bestaunen. Dabei muss nicht einmal zwingend gelesen werden, auch Sprachspiele oder lebhaftes Erzählen finden Babys und Kleinkinder toll.
Die jährliche Vorlesestudie von Stiftung Lesen, DIE ZEIT und Deutsche Bahn Stiftung zeigte bereits 2017 auf, dass Kindern häufig erst recht spät beziehungsweise zu sporadisch vorgelesen wird. So blätterten 55 Prozent aller Eltern mit ihren Kindern unter einem Jahr nur unregelmäßig gemeinsam in Bilderbüchern. Bei 28% kam das Lesen sogar in den ersten drei Lebensjahren des Kindes zu kurz. Dabei sind Eltern dahingehend alles andere als unwillig. Im Gegenteil, gute Voraussetzungen und Bildungschancen sind den meisten von ihnen sogar ausgesprochen wichtig. Der verzögerte Lesestart ergibt sich vielmehr dadurch, dass bezüglich kindlicher Konzentrationsspanne sowie passender Bücherauswahl Unsicherheit herrscht.1
Vorlesen fördert Kinder vielseitig
Kindern vorzulesen ist unschlagbar, was den Förderaspekt angeht. So fördert Lesen Kinder ganzheitlich. Ob kognitive oder soziale Kompetenzen – hier findet sich kaum ein Bereich, der nicht geschult wird. Schließlich zählen Sprache und Lesekompetenz zweifelsohne zu den Schlüsselkompetenzen für Alltag, Schule und spätere Berufstätigkeit. Somit eignet sich das geschriebene Wort gleichsam als Wissensquelle, liebgewonnenes Hobby sowie Zufluchtsort. Lesen Eltern ihren Kindern von klein an vor, ist die Wahrscheinlichkeit übrigens hoch, dass der Nachwuchs später auch selbst gerne liest.
Wie Vorlesen die Allerkleinsten fördert
Schon bei den Allerkleinsten fördern regelmäßiges Erzählen, Vorlesen oder Sprachspiele das Sprechenlernen. Grundkompetenzen werden auf diese Weise spielerisch vermittelt – sei es nun der Klang von Sprache, Ausdruck, Satzbau oder Satzmuster. Kinder, denen vorgelesen wird, erweitern ihren Wortschatz mitunter rasant. Studien zeigen auf, dass Lesen und Schreiben später rascher erlernt wird, wenn Kindern schon im Baby- und Kleinkindalter entsprechend viel vorgelesen wird. Nicht zuletzt schult Lesen abstraktes Denken, Kreativität sowie den Umgang mit unterschiedlichen Gefühlen – und das in jedem Alter!2
Vorlesen stellt Weichen für später
Bücher, Geschichten und Vorlesen, all das ist prima mit der kindlichen Neugierde vereinbar. Kinder sind von Natur aus wissbegierig und werfen sich mit Feuereifer in jedes Abenteuer, das sich ihnen bietet. Beste Voraussetzungen also, schon die Allerkleinsten spielerisch an Bücher heranzuführen. Das Interesse für Sprache ist uns in die Wiege gelegt. Demnach sind schon kleine Kinder am Vorlesen interessiert. Je früher damit begonnen wird, umso besser. So findet der Nachwuchs später nicht nur leichter Zugang zur Welt der Bücher, er wird sprachlich wie kognitiv gefördert. Auch die Konzentrationsfähigkeit nimmt durch das gemeinsame Lesen zu.3
(Vor-)Lesen – wichtig für die soziale Entwicklung
Nicht zu vernachlässigen sind soziale Kompetenzen, die durch Vorlesen und späteres Selbstlesen massiv gefördert werden. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist dies von großem Vorteil. So werden beispielsweise Geduld, Konzentration und Ausdauer entsprechend geschult. Besonderer Fokus liegt auf der Fantasie. Immerhin verleihen Bücher dieser Flügel. Das Kind denkt sich in Szenerien hinein, malt sich die Protagonisten nach seinem Geschmack aus, spinnt Geschichten weiter – beste Voraussetzungen also, um geistig in Bewegung zu bleiben. Nicht zuletzt trägt regelmäßiges Vorlesen stark zur Entwicklung von Empathie bei. Fremde Perspektiven einnehmen, sich in andere hineinversetzen – das gelingt beim Lauschen abenteuerlicher Geschichten fast wie von selbst. Kein Wunder, dass Kinder, denen viel vorgelesen wird, übermäßig viel Einfühlungsvermögen, Verantwortungsgefühl sowie Sinn für Gerechtigkeit zeigen.4
Noch etwas können Bücher schaffen, wenn man sich die Forschungsarbeit rund um Alan Mendelsohn, einem außerordentlichen Professor für Pädiatrie an der New York University School of Medicine, ansieht. Die 2018 veröffentlichten Studienergebnisse zeigen auf, dass Lesen durchaus auch hilfreich bei Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Hyperaktivität oder Aufmerksamkeitsdefiziten sein kann.5
Vorlesen tut der Eltern-Kind-Bindung gut
Neben sprachlichen, kognitiven sowie sozialen Kompetenzen, die durch Bücher gefördert werden, wirkt sich Vorlesen positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus. Das gemeinsame Blättern in spannenden Büchern schafft Inseln der Ruhe. Hier kann sich das Kind fallen lassen, der hektische Alltag bleibt außen vor. Das wirkt nicht nur einer Überreizung entgegen, es schafft zudem Nähe und Geborgenheit zwischen Eltern und Kind. Dass dieses gemeinsame Auftanken ein Segen für die Eltern-Kind-Bindung ist, versteht sich von selbst.6
Beim gemeinsamen Bücherlesen sind große wie kleine Kinder mit allen Sinnen bei der Sache. Das schafft gemeinsame Momente in toller Atmosphäre. An das Vorlesen in der Kindheit haben auch Erwachsene oftmals sehr schöne Erinnerungen. Das Verbindende und Vertraute stärkt den kindlichen Selbstwert ungemein. Darüber hinaus fördert gemeinsames Lesen auch die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. Gerade verschlossenen Kindern fällt es in diesem Rahmen häufig leichter, sich zu öffnen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch Vorlesen ein Raum voll Geborgenheit, Vertrauen und Kommunikation geschaffen wird. In diesem darf der schnelllebige Alltag ruhig bewusst ausgeklammert werden.7
Kindern vorlesen: Das ist wichtig
Damit das gemeinsame Bücherlesen für Klein und Groß zum entspannenden Ritual wird, muss einiges bedacht werden.
Zunächst sollte man sich ausreichend Zeit zum Vorlesen nehmen. Greift man in Zeiten großer Hektik zum Bilderbuch, kann das nur nach hinten losgehen. Vorteilhaft sind Tagesrandzeiten oder bei kleineren Kindern auch die Zeit vor dem Mittagsschlaf. Störquellen wie Handy, Radio oder Laptop sollten unbedingt ausgeschaltet werden. So kommt es zu keinen Unterbrechungen und Eltern wie Kinder können sich gut auf das gemeinsame Leseritual einlassen.
Wichtig ist, dass sowohl Eltern als auch Kinder mit Freude bei der Sache sind. So bleibt das gemeinsame Ritual schön authentisch. Die Buchauswahl muss für alle Beteiligten passen, dann wir Lesen auch tatsächlich als angenehm und entspannend erlebt. Weder sollten Eltern dem Nachwuchs Lektüre aufzwingen, an der er kein Interesse zeigt, noch sollten sie sich dazu zwingen, dasselbe Buch wieder und wieder vorzulesen.
Dennoch muss sich die Buchauswahl nach den Interessen des Kindes richten, nicht nach jenen der Eltern. Eine gewisse Auswahl von unterschiedlichen Büchern und Themen ist sinnvoll. Anregungen dazu finden sich im regionalen Fachhandel sowie in gut sortierten Bibliotheken. Bei Bedarf kann man hier auch Beratung in Anspruch nehmen.
Natürlich sollte die Wahl der passenden Vorlesebücher stets altersentsprechend stattfinden. Dazu muss aber gesagt werden, dass Altersempfehlungen Richtlinien und nicht in Stein gemeißelt sind. In der Regel haben Eltern ein ganz gutes Gefühl dafür, welche Bücher den Nachwuchs ansprechen, ganz unabhängig von der Altersempfehlung.
Vorlesen: ein Ritual für jeden Tag
Je öfter Kindern vorgelesen wird, desto besser. Dementsprechend ist das gemeinsame Bücherlesen wunderbar als tägliches Ritual geeignet. Man kann hier gut variieren – Vorlesen als Familienevent, Bücherschmökern als vertrautes Beisammensein zwischen Elternteil und Kind, Lesen als verbindender Moment zwischen Geschwistern.
Die Vorlesezeit lässt sich bestens an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Meist richtet sie sich nach der Aufmerksamkeitsspanne des (jüngsten) Kindes sowie den vorhandenen Zeitressourcen. Zwischen wenigen Minuten und einem offenen Ende ist hier alles möglich. Bei mehreren Kindern sollte sich das gemeinsame Lesen nach den Bedürfnissen des jüngsten Kindes richten. Nicht altersgemäße Thematiken oder eine zu lange Lesedauer können sonst rasch überfordern und für Unruhe sorgen.
Im Ausgleich dazu sollten ältere Kinder Exklusivzeit mit den Eltern bekommen, wenn jüngere Geschwister schlafen. Um beim gemeinsamen Lesen dennoch Anreize auch für Ältere zu schaffen, kann man sie beispielsweise mit einbeziehen, indem man sie einzelne Textstellen vorlesen oder improvisieren lässt. Ein nett gestaltetes Leseevent – etwa in einer Kuschelhöhle mit Taschenlampe ausgestattet – begeistert Kinder unterschiedlichen Alters.
Kindern vorlesen: Tipps und Tricks für die Praxis
Damit das gemeinsame Lesen zu einem schönen Ritual für alle Beteiligten wird, dürften abschließend Tipps und Tricks für die Praxis nicht fehlen.
Atmosphäre ist alles
Das Um und Auf für ein gemütliches Vorlesen ist die passende Atmosphäre. Hier darf nach Herzenslust experimentiert und variiert werden. Für ganz Kleine eignen sich gemütliche und gut bekannte Orte. Zusammenkuscheln auf der Couch, im elterlichen Bett oder auf einer bequemen Decke am Boden kommt gut an.
Kinder ab zwei oder drei Jahren mögen es auch ein bisschen aufwändiger. Da darf gerne eine Kuschelhöhle gestaltet, mit Taschenlampe gelesen oder die Hängematte bevölkert werden. Auch gemeinsames Lesen in der Badewanne lieben Kinder – wasserfestes Buch vorausgesetzt. Das Licht darf so gedimmt werden, dass es zum Lesen gerade reicht. Störquellen sollten unbedingt ausgeschaltet werden.
Mut zur Kreativität
Zwar hören Kindern ihren Eltern beim Vorlesen immer gerne zu, wenn es aber nicht zu monoton ausfällt, freut das große und kleine Kinder. Hier ist Mut zum Ausprobieren gefragt. Mit verstellten Stimmen sprechen, die Tonalität verändern, mal lauter oder leiser werden – das kommt immer gut an. Wenn das Vorlesen dann noch mit verschiedenen Geräuschen (Triangel, Gong, Pfeifen, Klatschen, Tiergeräusche, ...) aufgelockert wird, überzeugt das sogar Vorlese-Muffel.
Bücher zum Mitmachen wählen
Vor allem bei kleinen Kindern ist die Aufmerksamkeitsspanne noch nicht sehr hoch. Nur Zuhören alleine strengt sie an. Sie möchten Bücher mit allen Sinnen begreifen und sind am aktiven Tun interessiert. Diesen Erkundungsdrang stillen Eltern am besten mit der richtigen Buchauswahl.
Für die Allerkleinsten eignen sich Fühlbücher oder Bücher, die Geräusche von sich geben. Kindergartenkinder gucken gerne hinter Klappen und lieben Wimmelbücher, in denen es so vieles zu entdecken gibt. Mitmachbücher sind in dieser Altersklasse ebenfalls der Renner. Etwas ältere Kinder denken sich gerne in die vorgelesenen Geschichten hinein. Personalisierte Bücher kommen nun besonders gut an. Diese können bestellt werden. Der Protagonist oder die Protagonistin tragen dann den Namen des Kindes und sind diesem im Aussehen nachempfunden.
Der Bücherfundus kann gar nicht groß genug sein
Eine gewisse Auswahl an unterschiedlichen Büchern zu verschiedenen Thematiken ist nie verkehrt. Das erweitert den Horizont bei kleinen wie großen Lesern. Der regelmäßige Besuch im regionalen Buchhandel oder der örtlichen Bücherei ist hier empfehlenswert. So kann nicht nur beobachtet werden, wo es das Kind hinzieht, bei Bedarf kann man sich auch professionell beraten lassen.
Vorlesen darf interaktiv sein
Vorlesen ist niemals eine Einbahnstraße. Kinder dürfen und sollen mitgestalten. Interaktivität ist hier durchaus gefragt. Eigene Überlegungen, Zwischenfragen und ein wenig Improvisation dürfen also unbedingt sein. So bleibt es für Eltern und Kinder gleichermaßen spannend!
Quellen anzeigen
Daniela Jarosz ist Sonder- und Heilpädagogin. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit Inhalten aus Medizin und Psychologie auseinandergesetzt. Sie arbeitet seit vielen Jahren im psychosozialen Feld und fühlt sich außerdem in der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin zuhause. Im redaktionellen Bereich hat sie sich auf die Fachrichtungen Medizin, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance sowie Kinder und Familie spezialisiert.