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Dehnen: Lästig aber sinnvoll, doch wie geht es richtig?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 30. Juni 2016

Jeder der Sport treibt, sollte dehnen, heißt es. Sportwissenschaftler und neueste Studien relativieren diesen Aufruf. Sie widersprechen, dass Dehnen als Verletzungsprophylaxe, Schutz vor Muskelkater und Vorspann für eine hohe Leistung dient. In bestimmten Fällen ist es unnötig, manchmal sogar gefährlich. Zutreffend ist, dass Dehnen die Beweglichkeit verbessert, die Muskeln geschmeidig macht und gegen Verspannungen hilft. Wie gedehnt wird, hängt von der Sportart ab. Erfahren Sie hier die neuesten Fakten, wie und wann beim Sport am besten gedehnt werden sollte.

Welche allgemeinen Grundregeln gibt es zum Dehnen?

Muskeln müssen vor dem Dehnen aufgewärmt werden. Nie kalte Muskeln dehnen. Für die Übungen sollte eine entspannte, sichere Stellung eingenommen werden: entweder liegen, sitzen oder beim Stehen sich abstützen. Die Dehnpositionen möglichst korrekt einnehmen, d.h. nicht zur Seite oder ins Hohlkreuz ausweichen. Es wird sanft und nicht ruckartig gedehnt. Dehnungen finden nur bis zur Schmerzgrenze statt, nie darüber hinaus. Nicht den Atem anhalten. Während der Übung bleibt die Atmung gleichmäßig und ruhig.

Wann eignet sich statisches und wann dynamisches Dehnen?

Statisches Dehnen wird das Halten einer Dehnposition genannt. Es dient allgemein der Entspannung der Muskeln, also auch bei Schreibtischtätern für Nacken und Rücken. Wer vor dem Sport statisch dehnen will, bleibt ca. 10 Sekunden in der Position. Nach dem Sport werden 30 bis 60 Sekunden empfohlen. Es gibt Experten, die von dem dynamischen Dehnen mit Wippen und Federn ganz abraten. Andere Sportwissenschaftler empfehlen gerade das flexible, dynamische Dehnen nach dem Aufwärmen. Bei starken Verspannungen nach einem stressigen 8-Stunden-Tag im Büro bringt statisches Dehnen ein tieferes Gefühl der Entspannung, auch für die Seele. Für ältere Menschen ist die Halte-Variante auch besser geeignet. Der 10 Sekunden-Takt sollte vor dem Sport nicht überschritten werden und die Dehnung auch nicht stark sein, um eine Drosselung der Blutzufuhr im Muskel zu vermeiden.

Wie sieht das Aufwärmen und Dehnen vor dem Sport aus?

Wichtiger als das Dehnen ist das sportspezifische Aufwärmen. Die Muskeln müssen dabei nicht über das Herz-Kreislauf-System erwärmt werden. Experten empfehlen, Muskeln und Bindegewebe durch die Bewegung über einen Foam-Roller zu massieren. Knoten werden so gelöst und das Gewebe geschmeidig gemacht. Ein Foam-Roller ist eine ca. 30 cm lange Hartschaumrolle, über die man sich bewegt und Muskeln, Faszien und Bindegewebe durcharbeitet. Zum weiteren Aufwärmen werden Bewegungen passend zur Sportart langsam und mit geringer Intensität durchgeführt. Für Jogger heißt das, die ersten 5 Minuten langsamer zu laufen. Vor dem Krafttraining führt man die Bewegungen ohne oder mit nur kleinen Gewichten durch. Zusätzliches Dehnen ist aus Expertensicht nicht notwendig. Bei Sportarten dagegen, die eine maximale Beweglichkeit verlangen, wie Turnen, rhythmische Sportgymnastik, Ballett, Hürdenlauf, Kampfsportarten und Delfinschwimmen dagegen muss ein spezifisches Dehnprogramm durchgeführt werden, bevor es losgehen kann.

Wie wird nach dem Sport gedehnt?

Nach dem Sport wird lockeres Auslaufen und Bewegen als Cooldown, sprich Abwärm- oder Abkühlungsphase empfohlen. Dynamisches Dehnen kann durchgeführt werden. Von statischem Dehnen wird abgeraten. Für die Regeneration der Muskeln muss die Durchblutung angeregt werden. Dafür eignen sich Sauna, heiße Bäder, Wechselduschen und sanfte Massagen. Schon ab einem Dehnreiz von 30 % wird beim statischen Dehnen durch das Komprimieren der Gefäße die Durchblutung deutlich verringert. Die Erholung des Muskels wird verzögert und erschwert.

Welche Vorteile bringt Dehnen?

Dehnen macht beweglich. Es löst Verspannungen, wenn auch nicht ihre Ursachen, und verbessert die Gelenkreichweite. Es ist aber nicht so, dass sich der Muskel verkürzt, wenn er nicht gedehnt wird. Der Muskel ist und bleibt immer gleich lang. Er kann aber an Flexibilität und Dehnungsfähigkeit verlieren. Dehnen ist unverzichtbar im Rahmen der Rehabilitation, nach einer Verletzungsphase oder wenn man sehr wenig Bewegung hat. Für das Dehnen innerhalb von sportlichen Aktivitäten sollte ein separater Trainingstag angesetzt werden.

Soll man zwischen den Sportsequenzen dehnen?

Nein. Den Muskel erst maximal zu kontrahieren und dann wieder auseinanderzureißen, ist nicht nur unsinnig, sondern gefährlich. Nach intensiver Belastung sind ein Teil der Muskelfasern noch eng zusammengezogen. Sie jetzt zu dehnen, kann sie schädigen. Der Muskel wird beim Training nicht verkürzt und durch Dehnen wieder in die Ausgangsposition zurückgebracht. Mobilisationen wie Armkreisen oder statisches Dehnen zwischen den Sportsequenzen bringt nachweislich auch keinen Vorteil in der Leistungsfähigkeit, im Gegenteil.

Wer sollte dehnen und wer nicht?

Erst mal sollte jeder dehnen, dem es gut tut: bei sitzenden Tätigkeiten, Bewegungsmangel, zu viel Stress und zunehmendem Alter. Auch Freizeitsportler können dehnen, wenn sie sich dadurch besser fühlen, müssen aber nicht, wenn sie keine Probleme oder Schmerzen haben. Leistungssportler büßen 2-5 % ihrer Maximalkraft ein, wenn sie vorher dehnen. Dehnen ist Muskelbelastung. Auch Sportler wie Fußballer und Sprinter, bei denen Schnellkraft gefragt ist, oder Gewichtheber, die Maximalbelastungen abrufen müssen, werden durch vorheriges Dehnen in ihrer Leistungsfähigkeit geschwächt. Wer auf keinen Fall dehnen sollte, sind hypermobile Menschen, die ohnehin schon Probleme aufgrund ihrer Überbeweglichkeit haben. Auch wenn man dazu neigt, häufig umzuknicken, wird von Dehnübungen abgeraten.

Dringend empfohlen wird Dehnen bei Sportarten, die eine hohe Beweglichkeit erfordern, und bei Sportlern mit einer Links/Rechts-Asymetrie. Auch Sportler mit einer Bewegungseinschränkung, die Ausweichbewegungen machen, sollten dehnen. Dasselbe gilt für Sportler, bei denen bestimmte Muskelgruppen sehr beweglich und andere sehr steif sind, um ein Gleichgewicht herzustellen.

Welche Gefahr besteht beim Dehnen?

Die Vorstellung, dass Dehnen Verletzungen vorbeugt, hat sich als falsch erwiesen. Ein gedehnter Muskel ist nicht elastischer und auch nicht belastbarer. Das Dehnen wirkt sich mehr auf die Sehnen und Bänder als auf den Muskel selbst aus. Überdehnen über die Schmerzgrenze hinaus kann gefährlich werden. Durch regelmäßiges, intensives Dehnen nehmen Gelenkreichweite und Beweglichkeit zu. Die Schmerzgrenze nimmt dagegen ab. Deshalb kann der Muskel immer weiter gedehnt werden, ohne dass es weh tut. Die Spannung kann so hoch werden, dass es zu Mikrorissen im Muskel kommt, ohne dass der Sportler es merkt. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass bei jedem starken statischen Dehnen die Blutzufuhr im Muskel gedrosselt bis unterbrochen wird. Das wirkt sich negativ auf den Aufwärmeprozess vor und die Regeneration der Muskulatur nach dem Sport aus.

Beugt Dehnen Muskelkater vor?

Nach neusten Studien definitiv nein. Weder Dehnen vor oder nach dem Sport hat Einfluss darauf, ob man Muskelkater bekommt oder nicht.

Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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