Demenz – wie man schon im jungen Alter vorbeugen kann
Das Auftreten von Demenz ist zu 60 Prozent vor allem genetisch bedingt, zu 40 Prozent allerdings kann man die Hirnleistung auf Dauer beeinflussen. Das geht ganz leicht und macht Lust zum Mitmachen. Für eine noch bessere Zukunft!
Was ist Demenz?
Jeder kennt das: Man wechselt den Raum, um etwas zu holen oder zu erledigen, und kaum ist man dort, weiß man nicht mehr, was man wollte. Oder man hat den Autoschlüssel vergessen, muss noch einmal zurück in die Wohnung. Eine ganz normale Vergesslichkeit ist völlig unbedenklich, vor allem, wenn man im Stress ist. Wenn die Vergesslichkeit vorübergehend ist, einem nach längerem Nachdenken das Vergessene wieder einfällt und soziale Kontakte erhalten bleiben. Krankhaft wird das erst, wenn erste Anzeichen von Verwirrung entstehen oder die Vergesslichkeit den Alltag erheblich beeinflusst. Dazu dauert die Vergesslichkeit an, das Verlegen von Gegenständen wird ein regelmäßiges Problem, auch bei längerem Nachdenken fällt einem das Vergessene nicht ein und es endet sogar in sozialem Rückzug. Dann spricht man von einer Demenz, lateinisch Dementia, das bedeutet „ohne Geist“. Demenz ist eine Krankheit, die zum Verlust der Merkfähigkeit, der Sprache, der Erinnerung, Orientierung und zu einem Wesenswandel führen kann. Jetzt aber mal eine echt gute Nachricht, die vielen die Angst nehmen kann: Vor dem 70. Lebensjahr sind nur zwei Prozent der Bevölkerung an Demenz erkrankt. Aber: Experten wollen wissen, dass sich bis 2050 die Zahl der Patienten verdoppeln wird. Deshalb ist es so wichtig, frühzeitig vorzubeugen. Zu 60 Prozent ist die Erkrankung genetische bedingt, tolle 40 Prozent allerdings kann man selbst bestimmen, indem man frühzeitig vorbeugt. Am besten ab dem 30. Lebensjahr. Wer jetzt schon anfängt, tut nicht nur sehr viel, eine mögliche Demenz zu verhindern. Er kann sich auch schon Gewohnheiten antrainieren, die einem dann mit 60plus ganz automatisch von der Hand gehen. Man muss bedenken: Rund 1,8 Millionen sind derzeit in Deutschland erkrankt. Die Demenz gehört somit zu den häufigsten Krankheitssymptomen im Alter. Die Betroffenen sind meist über 65, Frauen erkranken häufiger als Männer. Und die Demenz trifft nicht nur die Erkrankten selbst, die ganze Familie leidet unter dieser Diagnose. Denn auch ihr Leben wird durch die Krankheit erheblich beeinflusst.
Wie unterscheidet sie sich von Alzheimer?
Alzheimer ist eine Form der Demenz – und die häufigste. Grundsätzlich wird eine Demenz durch Alzheimer hervorgerufen. Bei einer Alzheimer-Demenz stören Eiweißablagerungen im Gehirn den Stoffwechsel der Nervenzellen und führen zu ihrem fortschreitenden Verlust. Das Gehirn kann so um bis zu 20 Prozent schrumpfen. Meist beginnt die Alzheimer-Demenz schleichend.
Was sind die Risiken?
Die Forschung hat unterdessen vor allem zwölf Risikofaktoren definiert, die für rund 40 Prozent das Demenzrisikos verantwortlich sind:
- Schlechtes Gehör
- Niedere schulische Bildung
- Rauchen Depressionen
- Vermehrter Alkoholkonsum
- Soziale Isolation
- Feinstaubbelastung
- Bluthochdruck
- Bewegungsmangel
- Übergewicht (BMI über 30)
- Diabetes
- Schädel-Hirn-Trauma
Aber auch neurologische Erkrankungen wie ein Schlaganfall, eine Parkinson-Erkrankung oder Chorea Huntington können das Demenz-Risiko erhöhen.
Wie kann man vorbeugen?
Zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr fällt die Entscheidung, ob man dement wird. Das gilt für etwa 60 Prozent der Menschen. Eine gesunde Lebensweise ist schon mehr als die halbe Miete. Jeder sollte bedenken, dass er mindestens 20 bis 30 Minuten am Tag etwas für seinen Körper tun muss. Doch wie macht man das?
a) Die richtige Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung kann das Demenzrisiko um satte 20 Prozent senken. Denn Übergewicht, Fettleibigkeit, Diabetes oder Bluthochdruck sind enorm schädlich fürs Gehirn. Ideal ist eine mediterrane Kost mit Olivenöl, Gemüse, Fisch und wenig Fleisch. Aber auch Nüsse sind hervorragend für die Hirnleistung. Dazu alle Lebensmittel mit einem hohen Vitamin B-Anteil wie Hülsenfrüchte, Bananen und Vollkornbrot. Aber auch Bohnen und Samen sind sehr gesund. Zu viel Salz, Fett, Nahrungsmittel mit viel Cholesterin und rotes Fleisch schaden dagegen. Mit der richtigen Ernährung können Sie auch Ihren Blutdruck senken. Denn ist er zu hoch, bildet er ein enormes Risiko, an Demenz zu erkranken. Wichtig ist auch, genügend zu trinken. 1,5 Liter Wasser oder ungesüßter Tee sollten es täglich schon sein. Von Alkohol bitte möglichst die Finger lassen. Ein kleines Gläschen Rotwein am Abend schadet aber nicht, mehr sollte auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Schließlich ist Alkohol ein Gift, das die Nervenzellen im Gehirn schädigt. Dadurch wird auf Dauer die Gedächtnisleistung verringert und eine Demenz kann entstehen. Auch von Zigaretten sollten Sie unbedingt die Finger lassen. Denn die Schadstoffe im Tabak greifen nicht nur die Lunge, sondern auch die Gehirnzellen an. Auch das führt zu einer Verschlechterung des Gedächtnisses. Darüber hinaus sollten Sie auf zuckerhaltige Lebensmittel oder leicht verdauliche Kohlenhydrate wie Weißmehlprodukte möglichst verzichten.
b) Ausreichend Schlaf
Im Schlaf erholt sich Ihr Gehirn jede Nacht. Fehlt der, fehlt natürlich auch die Erholung. Das Erlebte kann einfach nicht verarbeitet werden. Zu kurze (unter sechs Stunden) als auch zu lange Schlafzeiten (über acht bis neun Stunden) schränken die Leistungsfähigkeit des Gehirns vorzeitig ein. Sorgen Sie deshalb für einen gesunden Schlaf, indem Sie eine erholsame Umgebung schaffen, nicht zu sehr heizen, regelmäßig lüften und den Raum abends abdunkeln.
c) Bewegung hilft so viel
Ausreichend Bewegung sorgt dafür, dass die Durchblutung angeregt wird und dadurch mehr Sauerstoff im Gehirn landet. Die tolle Folge: Die Nervenzellen werden besser vernetzt, der Informationsaustausch erhöht und das Gedächtnis so verbessert. Außerdem bilden sich durch Bewegung Muskeln, die Hormone produzieren, die in der Konsequenz dann helfen, dass sich Nervenzellen besser verknüpfen. 3800 Schritte am Tag können schon vor Demenz schützen, sagt eine Langzeitstudie aus Großbritannien. Je mehr aber, desto besser. Die legendären 10000 Schritte am Tag sind natürlich perfekt. Zwei bis dreimal in der Woche ein ausgedehnter Spaziergang kann auch schon reichen. Ideal aber sind Sporteinheiten à 30 Minuten pro Woche. Und vor allem Tanzen ist hervorragend. Dabei trainiert man das Koordinationsvermögen enorm. Die Umsetzung von Musik und die dazu passenden Schritte zu kombinieren, sich das Ganze dann auch noch zu merken, ist für das Gehirn sehr aufwändig. Hat man schon eine leichte Demenz, kann das Tanzen sogar zu einer Verlangsamung des geistigen Abbaus führen. Ideal sind auch Yoga oder Thai-Chi, denn diese Sportarten kombinieren körperliche und mentale Fitness. Aber man kann auch im Alltag mit kleinen Dingen schon viel erreichen: Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug und das Fahrrad statt des Autos.
d) Richtig hören ist so wichtig
30 Prozent der Menschen über 65 Jahren können nicht gut hören. Doch viele sind zu eitel oder zu faul, sich um ein passendes Hörgerät zu kümmern und es dann auch zu tragen. Dabei gibt es heute so viele Angebote, die Hörhilfen werden technisch immer besser und kleiner. Man sollte immer daran denken: Wer ein Hörgerät benutzt, wird seltener dement. Bekommt man nämlich von Gesprächen nur die Hälfte mit, fehlen die Zusammenhänge und so kann das Gehirn nicht arbeiten. Die Forschung hat herausgefunden, dass Schwerhörigkeit zu massiven Gedächtnisproblemen führen kann. Denn wichtige akustische Reize bleiben aus, die das Gehirn sonst trainieren.
e) Mit sozialem Austausch punkten
Wer in einer stabilen sozialen Gemeinschaft lebt, kann das Risiko um bis zu zehn Prozent senken. Denn wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass Einsamkeit ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Demenz ist. Deshalb sollte man nie einsam in den eigenen vier Wänden sitzen, sondern rausgehen. Schließen Sie sich einem Verein an, oder finden Sie über entsprechende Apps Gleichgesinnte, mit denen Sie gemeinsam einem Hobby nachgehen können.
f) Stress abbauen und Resilienz fördern
Wer ständig gestresst ist, produziert eine viel zu hohe Menge des Stresshormons Cortisol. Je höher das ist, desto mehr steigt der Cholesterinspiegel an, das erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Depressionen, Herz-Kreislauferkrankungen und Schlafstörungen. Alles Faktoren, die auch das Risiko einer Demenz erhöhen. Wichtig ist, Entspannungsübungen wie Meditation, Yoga und vor allem richtiges Atmen zu lernen. Außerdem sollte man auch bei der Arbeit regelmäßig Pausen einlegen und sich dabei bewegen. Und wer viel lacht, senkt den Cortisol-Spiegel ganz automatisch. Gehen Sie also mit mehr Humor durchs Leben. Resilienz ist die Fähigkeit, mit unangenehmen Dringen, die einem im Leben begegnen, gelassener umzugehen. Und das kann man trainieren. Führen Sie doch beispielsweise mal ein Glückstagebuch und machen Sie sich so die schönen Dinge in Ihrem Leben bewusst. Auch die Hindernisse aus der Vergangenheit, die Sie schon hervorragend überwunden haben. Wer an Demenz erkrankt, hat meist mit mentalen und psychischen Problemen zu kämpfen. Depressionen sind auch gleichzeitig ein Risikofaktor. Wurde die Resilienz schon früh erlernt, kann man dieses Problem zumindest lindern.
g) Das Gehirn trainieren
Das Hirn ist neugierig, man muss es ständig beschäftigen, sonst baut es ab. Sich aber nur berieseln zu lassen durch Fernsehen, Internet, YouTube etc. ist dabei kontraproduktiv. Deshalb so früh wie möglich mit dem Denktraining beginnen, denn schon ab 50 nimmt die Flexibilität des Gehirns leicht ab. Eine gute Bildung verhindert zwar keine Demenz, aber Betroffene haben eine größere Reserve und man merkt ihnen die Erkrankung nicht so schnell an. Auch bei einem Schlaganfall ist das übrigens hilfreich. Sind die neuronalen Netzwerke trainiert, beispielsweise durch Gehirnjogging, hat man einen guten Puffer. Bestehende Hirnregionen können dann geschädigte durch einen Schlaganfall übernehmen. Kreuzworträtsel lösen war früher das Mittel der Wahl. Doch man weiß heute, dass allein das nicht ausreicht. Wichtig ist es, regelmäßig zu lesen, auch gerne mal andersprachige Bücher. Aber auch Singen ist ideal, um vorzubeugen. Wer dazu noch in einem Chor ist, tut eine ganze Menge! Auch fröhliche Spielabende machen nicht nur Spaß, sondern sind gut fürs Gehirn. Ein weitere guter Tipp: Machen Sie einfach mal alles anders. Nehmen Sie einen neuen Weg zur Arbeit, lesen Sie ein paar Seiten eines Buches rückwärts, oder versuchen Sie mal, mit Ihrer „schwachen“ Hand zu schreiben. Und: Ein Waldspaziergang ist wie ein Kurzurlaub fürs Gehirn. In Japan ist das Waldbaden sogar in der Gesundheitsvorsorge verankert und wird per Rezept verordnet.
h) Einen Sturz verhindern
Jede Schädigung des Gehirns kann die Entstehung einer Demenz fördern. Eine Gehirnerschütterung sollte man deshalb mindestens vier Tage lang auskurieren. Und zwar im Liegen im abgedunkelten Zimmer, ganz ohne Fernseher, Handy oder Buch. Wichtig ist natürlich, vorzubeugen. Tragen Sie deshalb beim Radeln unbedingt einen Helm. Seit neuestem schützen Kinder sogar beim Fußballspielen ihren Kopf, denn auch Kopfbälle im Kindesalter können eine Demenz unterstützen. Studien zufolge kann es bei Kopfverletzungen zu einer vermehrten Ablagerung bestimmter Proteine kommen, die auch als wichtiges Kennzeichen einer Alzheimer-Erkrankung gelten. Wichtig ist auch, Stolperfallen zu Hause möglichst zu beseitigen und die Augen regelmäßig überprüfen zu lassen. Und: Trainieren Sie Ihre Balance! Wie wär es, einfach mal wieder auf einem Baumstamm zu balancieren?
Gibt es Medikamente, die helfen?
Demenz kann derzeit noch nicht geheilt werden. Aber es gibt Medikamente, die die Lebensqualität verbessern können. Das sind Antidementiva und Antidepressiva. Insbesondere im frühen und mittleren Stadium helfen sie, die Gedächtnisleistung möglichst lange zu erhalten und Begleiterscheinungen zu mildern.
Wie stehen die Chancen in Zukunft?
Berechtigten Grund zur Hoffnung für Alzheimer-Patienten und -Patientinnen im frühen Stadium bietet der Wirkstoff Lecanemab, der Anfang 2023 unter dem Handelsnamen „Leqembi“ in den USA zugelassen wurde. Für Europa wird eine Zulassung derzeit geprüft. Der Antikörper Lecanemab können Alzheimer nicht heilen oder aufhalten, aber den geistigen Abbau relevant verlangsamen. Die Sicherheit der Behandlung muss aber weiter getestet werden. Einer der weltweit führenden Alzheimerforscher, Prof. Konrad Beyreuther, kündigte allerdings vor fünf Jahren schon an, dass Alzheimer Demenz bis 2025 heilbar sein könnte. Ob das klappt? In England und den USA ist die Zahl der Neuerkrankungen in den vergangenen 20 Jahren um 20 Prozent gesunken, also ein Prozent pro Jahr. Man geht davon aus, dass die Zahl weiter sinken wird, weil einer der Hauptrisikofaktoren für Demenz HerzKreislauf-Probleme sind. Es gäbe 50 Prozent weniger Patienten, wenn die Kardiologen weiterhin so erfolgreich sind. Und: Auch an einer Impfung gegen die spezielle Alzheimer Demenz wird geforscht. Die Studie soll 2025 abgeschlossen sein.
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Andrea Rodat ist seit 30 Jahren als Journalistin mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Psychologie tätig. Sie war auch für verschiedene Magazine als Chefredakteurin und Stellvertretende Chefredakteurin verantwortlich. Seit zwei Jahren arbeitet sie als freie Autorin sowie Life und Business Coach. Sie unterstützt seit 2022 auch die Apomio-Redaktion als freie Autorin.