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Der anaphylaktische Schock

Kommentar schreiben Aktualisiert am 22. Juni 2018

Allergie – die neue Zivilisationskrankheit im industriellen Zeitalter?! So oder ähnlich werden Allergien und die auf ihnen beruhenden allergischen Krankheiten von den Medien apostrophiert. Sind Allergien tatsächliche eine moderne Zeiterscheinung? Warum reagiert der Eine gegenüber einer Substanz allergisch und der andere nicht? Und wie ist zu handeln, wenn sich für den Allergiker ein anaphylaktischer Schock einstellt? Mehr zu dem Thema im folgenden Beitrag.

Was versteht man unter einer Allergie?

Bei einer Allergie handelt es sich um eine veränderte Reaktionslage des Organismus gegen Substanzen der Umgebung, die durch das Immunsystem vermittelt wird. Die veränderte Reaktionslage des Körpers tritt infolge der Wechselwirkung zwischen der Fremdsubstanz (auch Allergen oder Antigen genannt) und ihren spezifischen Antikörpern oder sensibilisierten Lymphozyten. Dieser Zustand ist seit 1906 durch Pirquet als „Allergie“ bekannt, eine Bezeichnung, die heute noch gebräuchlich ist. Meist findet eine übernormal gesteigerte Reaktionsbereitschaft, eine Hyperergie, statt, sodass der Begriff Allergie irrtümlicherweise oft auch mit Überempfindlichkeit gleichgesetzt wird. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der wachsenden Zahl allergischer Reaktionen und der idustriell-technischen Entwicklung, was unter anderem mit der Zunahme von sogenannten Fremdsubstanzen zu erklären ist: Bisher sind mehr als 20.000 Stoffe ermittelt worden, die eine allergieauslösende Wirkung haben als Allergene bezeichnet werden. Unter den häufigsten Allergenen zählen Eiweißstoffe aus dem Pflanzen- und Tierreich (Blütenpollen, Hausstaub, Tierhaare), die durch Einatmung oder mit der Nahrung aufgenommen werden. Andere Substanzen, wie verschiedene Metalle, Chemikalien oder Kunststoffe können durch Berührung mit der Haut zu sogenannten Kontaktallergien führen. Manche Menschen reagieren auch nach einem Insektenstich, beispielsweise dem Stich einer Wespe, äußerst allergisch. Die Reaktionen des Körpers reichen von milden Verläufen mit allgemeiner Hautrötung, Juckreiz und Atembeschwerden bis zu explosionsartig auftretenden schwersten Schockzuständen, welche im schlimmsten Fall tödlich verlaufen können. Bei einer Allergie handelt es sich nicht um eine Kleinigkeit, die man als Bagatelle abtun sollte, sondern immer um eine ernstzunehmende Angelegenheit, gegen die frühzeitig etwas unternommen werden muss. Unbehandelt kann die Folge einer Allergie sein, dass die Beschwerden im Laufe des Lebens zunehmen und sich innerhalb weniger Jahren aus einem harmlos geglaubten Heuschnupfen ein schwerwiegendes Asthma-Leiden, einem Asthma bronchiale, entwickelt, weil in diesem Fall (ausgehend von den oberen Atemwegen) der sogenannte „Etagenwechsel“ zu den unteren Atemwegen stattgefunden hat. Jedermann kann jedoch dafür sorgen, dass es gar nicht erst soweit kommen muss. So kann, noch bevor sich ein Asthma bronchiale entwickelt, vorbeugend eine Hyposensibilisierung durchgeführt werden. Hierbei werden über Monate langsam steigende Konzentrationen des Pollenallergens injiziert und damit eine Art „Gewöhnung“ des Organismus erzielt. Wichtig ist der Beginn mit sehr niedriger Dosis, zum Beispiel mit 0,1 Milliliter einer bis zu 100.000-fach verdünnten Lösung, sowie der Überwachung des Patienten während der Behandlung.

Wie kommt es zu einer Allergie?

Das Allergen kann auf verschiedenen Wegen in den Körper gelangen. So werden Gräserpollen häufig eingeatmet und gelangen auf den Schleimhäuten der Atemwege und von den Körperzellen als „fremd“ erkannt. Unmittelbar im Anschluss daran erfolgt die Produktion von speziellen Abwehrstoffen (den Antikörpern) so zum Beispiel dem Immunglobulin E. Diese Antikörper können auf die Oberfläche von anderen Körperzellen, den Mastzellen, binden. Die Bildung von Immunglobulin erfolgt beim ersten Antigenkontakt - den beschriebenen Ablauf bis zu diesem Punkt nennt man Sensibilisierungsphase. Nach einem solchen Erstkontakt können sich bei einer erneuten Begegnung mit dem Allergen allergische Krankheitszeichen ausbilden. Eine Reaktion des Körpers tritt also erst beim zweiten Allergenkontakt auf: Die gebundenen Immunglobulin E-Antikörpern sind bereits an den Mastzellen gebunden und vermitteln nun die Aktivierung der Mastzellen: Eine heftige Antigen-Antikörper-Reaktion findet statt, die eine Mastzelldegranulation zur Folge hat, der Freisetzung von Entzündungsmediatoren, wie unter anderem Histamin.

Warum reagiert der eine Mensch allergisch und der andere nicht?

Bei einem großen Teil allergischer Krankheiten liegt eine erbliche Allergieneigung zugrunde, sodass Allergien in bestimmten Familien gehäuft in Erscheinung treten, während andere Familien verschont bleiben. Hierbei handelt es sich um sogenannte atopische Reaktionen, „atopos“ übersetzt aus dem griechischen Sprachgebrauch bedeutet soviel wie „andersartig“. Nicht für alle Allergien ist die familiäre Allergieneigung entscheidend, für atopische Reaktionen bestimmt allerdings die familiäre Allergiebelastung das Allergierisiko. Für Kinder von Eltern, die beide unter einer atopischen Krankheit leiden, besteht das Allergierisiko 60 Prozent. Vermutet wird, dass bei den Atopikern eine Erbanlage dafür sorgt, dass besonders schnell und heftig auf Allergene mit einer Immunantwort und der Bildung von Immunglobulin E- Antikörpern reagiert wird. Ausschließliche Muttermilchernährung während der ersten vier bis sechs Lebensmonate kann das Risiko minimieren, eine Erkrankung des atopischen Formenkreises zu entwickeln. Sofern ein Stillen nicht möglich ist, kann bei einer familiären Atopiebelastung HA-Milch, das heißt hypoallergene Milchnahrung, alternativ gewählt werden. Zusätzliche äußere Faktoren, wie Luftschadstoffe, etwa Autoabgase, können auch dazu beitragen, dass Allergien begünstigt werden – so kann eine Pollenallergie erheblich intensiviert werden. Von nachhaltigem negativen Effekt sind ebenfalls die Verbrennungsprodukte von Zigaretten. Kinder mit einer allergischen Anlage, welche in ihren Familien auch gezwungenermaßen zu Passivrauchern werden, haben nicht nur ein verstärktes Risiko an Atemwegserkrankungen zu erkranken, sondern auch ein verstärkte allergische Reaktionen zu erfahren und den daraus ergebenen Krankheiten.

Anaphylaxie: Wenn der anaphylaktische Schock droht

Für den Allergiker können Bienen- oder Wespenstiche lebensgefährlich werden, wenn sich ein anaphylaktischer Schock (die Maximalreaktion der Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems) einstellt. Der anaphylaktische Schock ist in zwei Schweregrade einzuteilen. Im ersten Schweregrad besteht noch keine Lebensbedrohung, die allergische Reaktion beschränkt sich auf die Haut; Erytheme und Quaddeln können auftreten. Wichtig ist, dass der Verlauf gut beobachtet wird, da sich der Zustand schnell ändern bzw. verschlimmern kann. Schweregrad 2 handelt von dem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock, der unbehandelt tödlich enden kann. Folgende Krankheitszeichen treten nach den kurz andauernden Alarmsymptomen, wie Jucken, Brennen, Hitzegefühl im Rachen und an den Akren (den stammfernen Körperspitzen des Körpers wie: Finger, Zehen, Nase, Kinn und Ohr) auf:

  • Schluckbeschwerden
  • Hypersekretion
  • Rachenödem
  • Bronchospasmus (Verengung), der zu einer akuten respiratorischen Insuffizienz und damit zur Atemnot führen kann

Die Folge: ein akut eintretender Kreislaufschock – der Puls ist kaum tastbar, es kommt zu einem Blutdruckabfall und kompensatorisch zu einer Tachykardie, Herzrasen, als Versuch des Körpers, den Blutdruck wieder zu erhöhen. Eine sofortige Therapie ist in diesem Fall dringend erforderlich: In der Behandlung spielen nach sofortiger Beseitigung des Allergens Adrenalin und Cortison eine lebensrettende Rolle. Selten ist während eines anaphylakischen Schocks medizinisches Personal sofort vor Ort, aber auch ein Nicht-Mediziner kann folgende Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten:

  1. Auslöser, wenn möglich, entfernen (bspw. Bienenstachel)
  2. Notfall-Medikamente (ein Allergiker sollte immer ein sogenanntes „Notfallset-Allergie“ mit sich führen) anwenden (z.B. Autoinjektor, Antihistaminikum, Kortisonpräparat)
  3. Notarzt rufen
  4. enge Kleidungsstücke entfernen
  5. bei Atemnot: sitzende Haltung
  6. bei Schocksymptomen: Schocklagerung
  7. bei Bewusstlosigkeit: stabile Seitenlage
  8. Lebenszeichen kontrollieren
  9. bei fehlenden Lebenszeichen: Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten

Lesen Sie auch im apomio Gesundheitsblog: "Richtig handeln in einer Notsituation: Erste-Hilfe-Tipps" Fazit: Eine Allergie kommt, aber vergeht leider nicht, man hat sie oder eben nicht. Man kann eine Allergie mittels Hyposensibilisierungstherapie versuchen zu reduzieren oder gar zu heilen. Ganz wichtig jedoch: Eine Allergie ist niemals nur eine Kleinigkeit! Im schlimmsten Fall kann eine Allergie das Leben kosten!

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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