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Der Drang, zu stehlen - Kleptomanie

Kommentar schreiben Aktualisiert am 29. September 2020

Kleptomanie ist der zwanghafte Drang, zu stehlen. Auch wenn es der Betroffene nicht will und er das Diebesgut gar nicht braucht – er muss einfach zwanghaft zugreifen. Oft liegt das Diebesgut unbenutzt zuhause herum, wird gehortet oder verschenkt. Trotzdem baut sich die nächste innere Spannung auf, die unweigerlich zum Griff in das Ladenregal führt. Lesen Sie hier, was in einem Kleptomanen vorgeht, wer zur Kleptomanie tendiert, welche Ursachen und Therapieformen es gibt, ob Kleptomanie eine Krankheit ist und was krankhaftes Stehlen außer Kleptomanie noch sein kann.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist Kleptomanie?

  

Kleptomanie ist ein krankhafter Drang zum Stehlen. Sie gehört zu den Impulsstörungen und ins Spektrum der Zwangsstörungen.1 Der Begriff kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus kléptein für stehlen und mania für Raserei und Wahnsinn. Wissenschaftliche Bezeichnungen sind heute z.B. Stehl-Druck oder diebstahl-assoziiertes Verhalten.

 

Kleptomanen verspüren einen plötzlichen, meist wiederholten Drang, für sie wertlose, nicht benötigte oder ohne Probleme zu erwerbende Gegenstände zu stehlen. Sie werden danach gehortet, verschenkt oder weggeworfen. Der Drang bezieht sich allein auf den Vorgang des Stehlens selbst. Der durch Kleptomanie verursachte Schaden soll weltweit Milliarden betragen. Kleptomanie gilt als eigenständiges Krankheitsbild mit einer isolierten Störung der Impulskontrolle.2

 

Was versteht man unter einer Störung der Impulskontrolle?

 

Bei gestörter Impulskontrolle ist der Betroffene nicht in der Lage, dem Trieb oder der Versuchung zu widerstehen, etwas zu tun, das für ihn selbst oder für andere schädlich ist. Störungen der Impulskontrolle können Bestandteil seelischer Erkrankungen wie Schizophrenie oder Sucht sein oder ein eigenständiges Krankheitsbild abgeben, wie es bei Kleptomanie der Fall ist.2

 

Was geht vor in einem Kleptomanen?

 

Menschen, die stehlen, ohne es zu wollen und zu brauchen, leiden unter diesem wiederholten Versagen, gegen ihren Stehl-Drang anzukämpfen. Sie können dieses Verhalten nicht mit ihrem Selbstbild, ihrer Erziehung und ihren Vorstellungen, was sich gehört, in Verbindung und schon gar nicht in Einklang bringen. Obwohl sie wissen, dass ihr Verhalten keinen Sinn ergibt und dabei noch gesetzeswidrig ist, können sie dem Drang nicht widerstehen. Sie führen ihre Tat allein durch, haben Angst, erwischt zu werden, und fühlen sich danach schuldig und deprimiert. Trotz der Angst, Schuldgefühle, depressiven Stimmung und Resignation fühlen sie den inneren Zwang, auch weiterhin Diebstähle durchzuführen.2

 

Ist Kleptomanie eine Krankheit?

 

Kleptomanie ist sowohl in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (ICD 10) als auch in dem Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (APA) als psychische Erkrankung im Sinne einer Störung der Impulskontrolle anerkannt.

 

Diagnose: Welche Symptome sprechen nach diesen Klassifikationen für eine Kleptomanie?

 

Kleptomanie wird als wiederholtes Versagen beschrieben, Impulsen zum Stehlen von Gegenständen zu widerstehen, die weder zum persönlichen Gebrauch noch wegen ihres Geldwertes gebraucht werden. Der Kleptomane hat ein zunehmendes Gefühl der Spannung unmittelbar vor dem Diebstahl. Stehlen gibt ihm das Gefühl von Befriedigung, Vergnügen oder Entspannung. Er stiehlt nicht aus Wut oder Rache, auch nicht aufgrund von Wahn-Phänomenen und Halluzinationen. Der Drang, zu stehlen, kann nicht durch andere bekannte seelische Störungen erklärt werden. Diese offizielle Definition der Kleptomanie liegt auch einer psychiatrischen Begutachtung bezüglich eines Diebstahls, der vor Gericht gebracht wird, zugrunde. Im ICD 10 werden zudem organisch bedingtes Stehlen und Stehlen bei einer depressiven Störung als Möglichkeiten der Kleptomanie aufgeführt.2

 

Wie unterscheidet sich Kleptomanie von „normalem“ Stehlen?

 

Die drei großen Unterschiede liegen erstens in dem unkontrollierbaren Zwang, zweitens in der Auswahl von Gegenständen, die der Stehlende gar nicht wirklich haben will, und drittens den starken Schuld- und Schamgefühlen, die sich dem Diebstahl anschließen.3

 

Wie ist der Verlauf einer Kleptomanie?

 

Man unterscheidet zwischen sporadischem Verlauf mit kurzen Episoden des Stehlens und langen diebstahl-freien Phasen, episodischem Verlauf mit lange dauernden Phasen des Stehlens und auch langen Zwischenphasen ohne Diebstähle sowie chronischem Verlauf mit wellenartiger Intensität des Stehl-Drangs ohne Unterbrechung. Kleptomanie kann jahrelang andauern, auch wenn es zwischenzeitlich zur Verurteilung des Betroffenen gekommen ist.2

 

Wie häufig ist Kleptomanie und wer ist in erster Linie davon betroffen?

 

Das Symbol für WeiblichkeitAuch wenn Ladendiebstähle häufig sind, handelt es sich nur selten um Kleptomanie. Man geht in schätzungsweise 5 Prozent der Fälle vom krankhaften Zwang zum Stehlen aus.3 Meist beginnt die Kleptomanie schon in jungen Jahren, in der Hälfte der Fälle vor dem 20. Lebensjahr. Frauen werden öfter erwischt als Männer. Ob sie deshalb wirklich häufiger an Kleptomanie leiden, ist eine andere Frage, da in erster Linie Ladendiebstähle ausgewertet werden und Frauen mehr shoppen gehen. Würde man den Blick auf den Arbeitsplatz wenden, sähe die Statistik vielleicht anders aus.2

 

Dennoch gilt Kleptomanie gemeinhin als typisches Frauen-Delikt und wird ihnen in 70 bis 77 Prozent angerechnet. Laut Statistik des Bundeskriminalamtes ist bei keinem anderen Vergehen die Frauenquote so hoch. Während Frauen sich auf das krankhafte Stehlen und Essstörungen „spezialisiert“ haben, tendieren Männer mehr zu Alkoholismus und Spielsucht.4 Die Dunkelziffer bei Kleptomanie ist hoch. Da sich Betroffene für ihre seelische Störung schämen, gehen sie kaum freiwillig zum Therapeuten. Unter den Kleptomanen sind die meisten entweder Hausfrau, Angestellte oder Akademiker.2

 

Was sind mögliche Ursachen von Kleptomanie?

 

Eine spezielle Ursache ist bisher nicht bekannt. Neben der Störung in der Affekt- und Impulsregulation geht man von einer Zwangsstörung aus.1 Bei der Frage, ob eine Hirnkrankheit dahinter steckt, konnte bei Kleptomanie-Erkrankten mithilfe der modernen Hirnforschung eine leichte Verringerung der weißen Substanz im Frontallappen (Großhirn) festgestellt werden. Veränderungen in anderen Gehirnregionen werden diskutiert, haben aber noch zu keinem Ergebnis geführt.

 

Warum drei Viertel der Kleptomanie-Erkrankten Frauen sind, kann an keiner bestimmten Ursache festgemacht werden. Es bleibt bisher offen, auf welche hormonellen oder psychosozialen Gründe der hohe Frauen-Anteil zurückzuführen ist. Bei der Untersuchung möglicher psychodynamischer Aspekte, wird als Ursache das Gefühl diskutiert, schon in der Kindheit und auch später als Erwachsener zu kurz gekommen zu sein und vom Leben nicht das bekommen zu haben, was einem gefühlt zusteht. Daraus könnte sich der Drang entwickelt haben, sich die Liebe der Eltern und die Lust, die einem vorenthalten wurde, symbolisch über den Diebstahl mit Gewalt zu beschaffen.

 

Auch eine trotzige oder aggressive Verarbeitung dieses Gefühls mit dem unbewussten Bedürfnis, das erlebte Unrecht durch genauso unrechtmäßigen Diebstahl aufzurechnen, ist möglich. Der Betroffene hat Schuldgefühle durch den inneren Zwiespalt zwischen dem krankhaften Drang, zu stehlen, und dem schlechten Gewissen danach, wegen dem er sich bei Eltern, Vorgesetzten oder Partnern rechtfertigen muss. Die gestohlenen Gegenstände können auch als Teil für eine schmerzlich vermisste Person stehen.2

 

Welche Erkrankungen treten oft zusammen mit Kleptomanie auf?

 

Kleptomanie kommt bis zu 60 % mit Angststörungen, bis zu 60 % mit Essstörungen, bis zu 45 % mit Suchterkrankungen und bis zu 40 % mit Depressionen, manischen Episoden oder einer bipolaren Störung (Wechsel zwischen Depression und Manie) vor.2

 

Differentialdiagnose: Was kann krankhaftes Stehlen noch sein?

 

Häufiges Stehlen kann neben der Kleptomanie auch bei Depressionen auftreten, insbesondere wenn der Patient unter Verarmungswahn leidet, d.h. denkt, bald kein Geld mehr zu haben.3 Auch seelische Störungen wie Schizophrenie, Sucht, Manie3, Borderline- und paranoide Persönlichkeitsstörungen können Diebstahl als Symptom haben, ohne dass der Betroffene Kleptomane ist. Hirnorganische Erkrankungen, Epilepsie, Vergiftungen und Unterzucker können zu krankhaftem Stehlen beitragen.1

 

Therapie: Was hilft bei Kleptomanie?

 

Ein Mann beim TherapeutenDas Problem ist, dass die Betroffenen aufgrund ihrer Scham- und Schuldgefühle gar nicht erst einen Therapeuten aufsuchen. Im Allgemeinen begeben sie sich erst in Behandlung, wenn sie beim Stehlen ertappt wurden. Das passiert entweder nie oder erst nach jahrelanger Erkrankung. Die besten Erfahrungen wurden mit Verhaltenstherapie gemacht. Hierbei soll der Betroffene lernen, Kontrolle über seinen Stehl-Impuls zu bekommen. Daneben wird mit Familientherapie, Gestalttherapie und psychoanalytischen Ansätzen gearbeitet.3 Mit Antidepressiva vom Typ Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und dem Opiat-Antagonisten Naltrexon wird Kleptomanie medikamentös behandelt.

 

Wie steht es mit der Schuldfähigkeit bei Diebstählen durch Kleptomanie?

 

Vor Gericht muss der Fokus auf die Unterschiede zwischen normalem und krankhaftem Stehlen gerichtet werden. Aber auch wenn eine Kleptomanie diagnostiziert wird, wird nicht immer eine verminderte Schuldfähigkeit zugesichert. Deshalb kann es zu mehrfachen Verurteilungen kommen, bei denen das Strafmaß im Laufe der Zeit ansteigt.3

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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