Der Stoff, aus dem die Hoffnung ist: erstes Corona-Impfpräparat in Deutschland zugelassen
Der erste Corona-Impfstoff ist da. Kurz vor Weihnachten 2020 hat die EU-Kommission – der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) folgend – den Impfstoff des Mainzer Technologie-Unternehmens BioNTech und seines amerikanischen Pharma-Partners Pfizer für Impfungen in Europa zugelassen. Gleich nach den Weihnachtsfeiertagen sollen die Impfaktionen in den deutschen Bundesländern starten. Damit wächst nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit die Hoffnung, die Corona-Pandemie bald zu beenden. Doch bis so etwas wie „Normalität“ in unser aller Leben zurückkehren kann, bis die Eindämmungsmaßnahmen gegen die Erkrankung mit Covid-19 ein Ende haben können, wird es trotz Impfstoffs wohl noch eine ganze Weile dauern. Ein Überblick zum Start der Impfungen.
Inhaltsverzeichnis
- Weitere Impfstoffe sind auf dem Weg
- Wie wird ein Impfstoff entwickelt?
- Präklinische und klinische Phasen – bis zur Zulassung
- Nach der Zulassung wird „nachbeobachtet“
- mRNA- und Vektorimpfstoffe: womit in Deutschland als erstes geimpft wird
- Wann starten die Impfungen?
- An vielen Stellen könnte es länger dauern
- Einzelne Impfung nicht ausreichend
- Wer wird zuerst geimpft?
- Herdenimmunität in Deutschland: noch lange nicht erreicht
- Wie lange müssen – trotz Impfstoffs – die Vorsichtsmaßnahmen noch beachtet werden?
- Geringe Impfbereitschaft der Deutschen
In echter Rekordgeschwindigkeit hat das Mainzer Unternehmen BioNTech im Verbund mit dem amerikanischen Pharma-Giganten Pfizer einen anwendungsreifen Impfstoff gegen das global wütende Corona-Virus entwickelt. Was normalerweise – von den ersten Forschungen bis zur Zulassung und Verteilung – viele Jahre dauert, konnte nun auf knapp ein Jahr verkürzt werden.
Erklärt wird dies unter anderem damit, dass man schon auf Erfahrungen und Daten zu Impfstoffen gegen das verwandte Sars-Virus zurückgreifen konnte, das im Jahr 2002 eine Pandemie auslöste. Zum anderen wurden die drei klinischen Forschungsphasen dicht aneinandergereiht statt, wie üblich, zwischen den Phasen längere Pausen einzulegen. Auch die Nachbeobachtungen der klinischen Forschungen wurden deutlich verkürzt. Nicht zuletzt dürfte auch der massive öffentliche Druck die zuständigen Behörden dazu veranlasst haben, den Zulassungsprozess zu beschleunigen.
Weitere Impfstoffe sind auf dem Weg
Der Impfstoff von BioNTech und Pfizer ist bereits im Einsatz: Großbritannien und die USA waren die ersten, die ihn – nach Notzulassungen – ihren Bürgern verabreicht haben. Der Impfstoff des US-Konzerns Moderna steht in Europa kurz vor der Zulassung; die EMA hat ihr entsprechendes Gutachten für den 6. Januar angekündigt.
Bei beiden Impfstoffen geht man von einer über 90-prozentigen Wirksamkeit aus – eine überdurchschnittlich hohe Quote. Ein drittes Vakzin durchläuft bereits das Zulassungsverfahren der EMA. Dieses wird von dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt. Es soll nach aktuellem Kenntnisstand eine etwas geringere Wirksamkeit aufweisen, dafür scheint es aber besonders für ältere Patienten verträglicher zu sein.
Daneben laufen weltweit auf Hochdruck zahlreiche Forschungen zu weiteren Impfstoffen. Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf seiner Webseite bmbf.de veröffentlicht, sind nach Angaben der WHO weltweit über 200 Impfstoffentwicklungen gegen das Corona-Virus angelaufen, 52 Impfstoffkandidaten befänden sich derzeit in klinischen Studien der Phasen 1 bis 3.
Auf der WHO-Liste der damit befassten Institute und Unternehmen finden sich auch einige deutsche: neben dem Spitzenreiter BioNTech u.a. auch die Tübinger Firma CureVac sowie das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung gemeinsam mit dem ostdeutschen Unternehmen IDT Biologika. Weltweit durchlaufen einige Projekte bereits die wichtige dritte klinische Forschungsphase, nach deren erfolgreichem Abschluss die Zulassung beantragt werden kann.
So ist also davon auszugehen, dass im Laufe der Jahre 2021 und 2022 einige weitere Hersteller mit Impfstoffen auf den Markt kommen werden. Die neue, offenbar besonders ansteckende Corona-Virusvariante, die einige Tage vor Weihnachten in Großbritannien entdeckt wurde, dürfte – nach bisheriger Einschätzung führender Experten – die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht beeinträchtigen. tagesschau.de zitiert am Morgen des 21.12.20201 den Charité-Virologen Christian Drosten aus einem Interview des „Deutschlandfunk“, wonach dieser zunächst „nicht sehr besorgt“ über die Virusmutation sei und weitere Erkenntnisse abwarten wolle.
Wie wird ein Impfstoff entwickelt?
Wenn auch deutlich verkürzt, so entspricht die Entwicklung der ersten hierzulande verfügbaren Corona-Impfstoffe doch dem allgemeingültigen Verfahren, das sich in mehrere Forschungs-, Entwicklungs- und Erprobungsphasen gliedert. Bei der Entwicklung eines Impfstoffes gilt es, genau den Stoff zu finden, der das Immunsystem dazu anregt, einen Antikörper zu entwickeln, der das Virus unschädlich machen kann – ohne dass dieser Stoff Schäden im menschlichen Organismus verursacht.
In den meisten herkömmlichen Impfstoffen sind abgeschwächte oder abgetötete Erreger einer Infektionskrankheit enthalten. In ihrer abgeschwächten Form können die Stoffe, wenn sie in den Körper gelangen, die jeweilige Krankheit allenfalls nur in ganz milder Form auslösen. Sie können aber dafür sorgen, dass das menschliche Immunsystem auf sie anspringt und somit Antikörper entwickelt. So kann sich der Körper eigenständig gegen ein Virus wehren.
Präklinische und klinische Phasen – bis zur Zulassung
Die Stoffe, die dazu führen, dass passende Antikörper gebildet werden, heißen Antigene. In der ersten Forschungsphase werden diese Antigene ermittelt. Oft werden mehrere gefunden, die sich jedoch nicht alle gleichermaßen für eine Impfung von Menschen eignen. Vielversprechende Antigene werden zunächst in Zellkulturen (z.B. mit Immunzellen des Menschen) und in Tierversuchen erprobt. Dabei stellt sich u.a. heraus, wie sich der Impfstoff im Körper verteilt und wie er wieder abgebaut wird. Auch erste Fragen nach Wirksamkeit und Sicherheit werden hier bereits beantwortet.
Durch die Tierversuche werden für den Menschen ungeeignete Antigen-„Kandidaten“ ausgesiebt. Die anderen werden in den folgenden klinischen Phasen weiter erprobt. Wenn in der sogenannten „vorklinischen Phase“ der Nachweis erbracht ist, dass ein Impfstoff in guter Qualität verlässlich hergestellt werden kann, geht die Entwicklung in die „klinische Phase“ über. In der klinischen Phase 1 werden kleine Mengen bereits an Menschen (Probanden) getestet, jedoch nur an vergleichsweise wenigen jungen und gesunden Personen, die sich dafür freiwillig zur Verfügung stellen. Hierbei werden wiederum Stoffe aussortiert, die als sichere Impfstoffe nicht in Frage kommen. In der klinischen Phase 2 stehen schon mehr Probanden, in der Regel einige Hundert, zur Verfügung. So kann der Grad der Wirksamkeit genauer ermittelt werden, ebenso die erforderliche Höhe der Dosis und mögliche Nebenwirkungen. Oft geht aus dieser Phase nur noch ein einziger Stoff hervor, der potenziell als Impfstoff in Frage kommt. In Phase 2 wird, basierend auf den hier gewonnenen Erkenntnissen, zudem noch ein mögliches Impfschema entwickelt.
Nach der Zulassung wird „nachbeobachtet“
Damit geht es in die klinische Phase 3, bei der der verbleibende Stoff sehr vielen, meist mehreren Zehntausend menschlichen Probanden über eine längere Zeit verabreicht wird. Die große Anzahl der Probanden soll sicherstellen, dass auch seltene Nebenwirkungen bemerkt werden können. Diese Phase muss die Wirksamkeit, Sicherheit und langfristige Verträglichkeit umfassend bestätigen. Wenn sämtliche Ergebnisse aller präklinischen und klinischen Untersuchungen vorliegen und positiv sind, kann die Zulassung des erprobten Stoffs als Impfstoff beantragt werden.
Für die Zulassung der COVID-19-Impfstoffe in Europa ist die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam zuständig. Die Experten dieser Behörde stellen in der Impfstoffbewertung sicher, dass das Präparat alle Bedingungen erfüllt und dass sein Nutzen in der Abwägung größer ist als seine (potenziellen) Risiken.
Nach erfolgreichem Zulassungsverfahren (das sich normalerweise über Monate hinzieht, in der Corona-Notsituation aber deutlich verkürzt wurde) wird eine Zulassungsempfehlung an die EU-Kommission gegeben. Diese erteilt daraufhin üblicherweise die offizielle Zulassung – das Präparat kann auf den Markt kommen und als Impfstoff angewendet werden.
mRNA- und Vektorimpfstoffe: womit in Deutschland als erstes geimpft wird
Das BioNTech/Pfizer-Präparat und der als nächstes erwartete Moderna-Impfstoff haben als sogenannte mRNA-Impfstoffe eine ganz neue Wirkungsweise. mRNA steht für „Messenger-RNA“, was so viel wie „Boten-RNA“ bedeutet. RNA ist das Kürzel für Erbinformation. Diese Information enthält den Bauplan des Antikörpers, der das Virus im Körper bekämpfen soll.
Die mRNA-Impfstoffe bestehen demnach, anders als herkömmliche Impfpräparate, nicht aus abgeschwächten oder abgetöteten Krankheitserregern, sondern enthalten genetische Informationen des Virus. Nach der Injektion werden diese Erbinformation von Körperzellen als „Bauplan“ genutzt und das Antigen wird in bestimmten Zellen eigenständig produziert.
Die produzierenden Zellen führen ihr Antigen den Immunzellen zu, diese reagieren mit der spezifischen Immunantwort. Der Organismus ist nun gerüstet: Wenn eine geimpfte Person später mit dem Corona-Virus in Kontakt kommt, erkennt das Immunsystem das Antigen wieder und kann somit das Virus bzw. die Infektion damit effektiv bekämpfen.
Bei dem vermutlich als dritter Impfstoff verfügbaren Präparat von AstraZeneca/Universität Oxford handelt es sich um eine schon bekannte Impfstoffart, nämlich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff. Er besteht aus „unschädlich gemachten“ Viren, die für den Menschen nicht mehr gefährlich werden können. Sie sind gentechnisch so verändert, dass sie die genetische Sequenz mit dem Bauplan für Bestandteile des Erregers, also für Antigene, enthalten. Somit enthält der
Vektorimpfstoff Trägerviren, in die ein Gen eingebaut wurde, das den Bauplan für das Oberflächenprotein des Coronavirus enthält. Nach der Injektion lesen die Körperzellen die Erbinformation auf dem Gen aus und „übersetzen“ sie in Eiweiß. Dieses fungiert nun als Antigen und regt das menschliche Immunsystem dazu an, Antikörper gegen den Covid-19-Erreger zu produzieren. Vektorimpfstoffe haben sich u.a. bereits gegen Ebola bewährt und können relativ unproblematisch bei Temperaturen von 2 bis 8 Grad °C transportiert und gelagert werden.
Wann starten die Impfungen?
Nach Angaben der Bundesregierung2 kann in den Bundesländern – zumindest theoretisch – ab dem 27. Dezember mit den Impfungen begonnen werden. Nach der Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur bzw. der EU-Kommission, der anschließenden Freigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Auslieferung an 27 Anlieferungszentren sollen die BioNTech-Impfstoffe mit der Bezeichnung BNT162b2 an die eigens eingerichteten regionalen Impfzentren verteilt werden. Nach Angaben von tagesschau.de3 hat das PEI den Prozess der Impfstoff-Chargenüberprüfung beschleunigt und in Aussicht gestellt, dass seine Freigabe noch am Tag der Zulassung erteilt werden könnte.
Die Bürger, die zuerst geimpft werden dürfen, können also ab dem 27. Dezember direkt zu einer zentralen Anlaufstelle in ihrer Kommune gehen und sich dort impfen lassen. Die allermeisten Länder haben zumindest ein solches Impfzentrum eingerichtet, die meisten sind derzeit in Bayern und Bayern-Württemberg startklar.
Zudem hat sich die Bundesregierung noch kurz vor den Weihnachtsfeiertagen eine große Zahl weiterer Impfdosen für Deutschland gesichert, nachdem die zu geringe Anzahl der ersten Bestellungen weitreichende Kritik ausgelöst hatte. So kommen nach Angaben von tagesschau.de3 nun europaweit 55,8 Millionen Dosen des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs (statt der zunächst vorgesehenen 40 Millionen Dosen) an, weitere 30 Millionen sollen bereits zugesichert sein. Daneben seien über das EU-Kontingent bereits über 50 Millionen Dosen des noch nicht zugelassenen Moderna-Impfstoffes zugesichert.
An vielen Stellen könnte es länger dauern
Wie Medien berichten, u.a. das ZDF4, sollen Bürger vorab online oder telefonisch Termine vereinbaren können, um nicht in einer Warteschlange stehen zu müssen. Impfwillige würden gezielt zu den einzelnen, voneinander getrennten Stationen geführt: zur Anmeldung, zum Informationsgespräch vor der Impfung, zur Impfung selbst und zu einer Ruhezone, wo die Bürger direkt nach der Impfung noch eine Weile beobachtet werden.
Außerdem sollen nach Angaben der Bundesregierung sogenannte „mobile Impfteams“ insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen Impfberechtigte aufsuchen, die nicht in die Zentren kommen können, also vor allem alte und pflegebedürftige sowie weitere nicht mobile Menschen. Erst einige Zeit nach dem Start, vermutlich in einigen Monaten, werden sich „normale“ Bürger dann auch in Arztpraxen – wie beispielsweise beim Grippeschutz – impfen lassen können.
Das hängt vor allem davon ab, ob ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht und ob dieser fachgerecht gekühlt werden kann. Denn während die Impfstoffe von Moderna und AstraZeneca nach Herstellerangaben bei Temperaturen zwischen +2 und +8 °C in herkömmlichen Kühlschränken gelagert werden können, muss das BioNTech/Pfizer-Präparat bei -70 °C tiefgefroren werden, also in speziellen Kühlapparaten, über die gerade Allgemeinarztpraxen normalerweise nicht verfügen. Dass es direkt am 27. Dezember losgehen wird, ist zumindest zweifelhaft.
Bayern z.B. vermeldete zuletzt, dass mit einem Start in den ersten Januartagen 2021 gerechnet werde. Zu erwarten ist, dass auch hier, wie üblich, die Länder unterschiedlich und mal schneller, mal langsamer vorgehen. Im ZDF4 warnte Burkhard Jung, der Präsident des Deutschen Städtetages, vor unrealistischen Erwartungen; er gehe davon aus, dass zunächst vor allem die mobilen Impfteams in Pflegeeinrichtungen, Altenheimen und Krankenhäusern impfen würden.
Einzelne Impfung nicht ausreichend
Für einen zuverlässigen Impfschutz reicht es bei den derzeit verfügbaren Impfstoffen nicht aus, sich nur eine einzige Impfdosis verabreichen zu lassen. Mit den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca müssen sich die Menschen – jeweils im Abstand von mehreren Wochen – zwei Mal impfen lassen. Dabei ist es wichtig, betont das Robert-Koch-Institut5, beide Male denselben Impfstoff zu nutzen – auch wenn zwischenzeitlich weitere Impfstoffe zugelassen und verfügbar sind.
Wer wird zuerst geimpft?
Wer in Deutschland das höchste Risiko hat, durch eine Infektion mit dem Corona-Virus schwer an Covid-19 zu erkranken und dadurch besonders schutzbedürftig ist, soll zuerst geimpft werden. Bei der Priorisierung der Impfberechtigten nach Risikogruppen ist Bundesgesundheitsminister Spahn mit seiner Rechtsverordnung über die Reihenfolge der Impfungen vom 18. Dezember 2020 den Empfehlungen der STIKO, der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts6, gefolgt.
Eine Priorisierung sei notwendig, so das Bundesgesundheitsministerium, weil der Impfstoff zunächst nicht für alle Impfwilligen ausreichte. Das Ministerium hat die entsprechenden Regelungen, die rückwirkend bereits am 15.12.2020 in Kraft getreten sind, auf seiner Webseite veröffentlicht.7
Demnach würden zuerst Menschen „höchster Priorität“ geimpft, dazu gehören insbesondere:
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über 80-Jährige
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Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und Einrichtungen für geistig Behinderte
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Personal dieser Häuser sowie Menschen, die einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind (v.a. Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit hohem Expositionsrisiko)
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Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Menschen mit einem hohen Risiko behandeln, betreuen oder pflegen (v.a. im Bereich der Hämato-Onkologie und Transplantationsmedizin)
Danach wird die Gruppe mit „hoher Priorität“ an der Reihe sein, u.a.:
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über 70-Jährige
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Personen mit schweren geistigen Beeinträchtigungen (z.B. Demenz)
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Personen nach einer Organtransplantation
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Enge Kontaktpersonen von über 80-Jährigen oder Bewohnern von Alten-/Pflegeheimen und Heimen für geistig Behinderte
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Kontaktpersonen von Schwangeren
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Personen, die in stationären Einrichtungen oder ambulant für geistig behinderte Menschen tätig sind
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Personen, die in medizinischen Einrichtungen mit einem hohen oder erhöhten Expositionsrisiko in Bezug auf das Corona-Virus tätig sind
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Polizei- und Ordnungskräfte, die im Dienst einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind
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Personen im öffentlichen Gesundheitsdienst und in relevanten Positionen der Krankenhaus-Infrastruktur
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Personen, die in Flüchtlings- und Obdachloseneinrichtungen leben oder tätig sind
Es folgt die Gruppe der Menschen mit „erhöhter Priorität“. Zu ihr gehören u.a. über 60-Jährige, Personen mit bestimmten Krankheiten und starkem Übergewicht (BMI über 30), Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, z.B. Labormitarbeiter und andere, die keine Patienten mit Verdacht auf Infektionskrankheiten betreuen, außerdem Erzieher und Lehrer sowie Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen.
Herdenimmunität in Deutschland: noch lange nicht erreicht
Bis mithilfe einer Durchimpfung der Bevölkerung eine Herdenimmunität in Deutschland erreicht und die Corona-Pandemie damit beendet werden kann, dürfte noch ziemlich viel Zeit vergehen. Zunächst einmal müssten für eine Herdenimmunität rund 60 Millionen Menschen in Deutschland geimpft werden, was bei der derzeitigen Impfskepsis im Lande alles andere als erwartbar ist. Aus diesem und weiteren Gründen geben sich Experten aller Couleur abwartend und vorsichtig. So sei insbesondere noch unklar, ob der Impfstoff von BioNTech und Pfizer auch gegen schwere Verläufe von Covid-19 schütze, wie lange er schütze und ob er neben dem Ausbruch der Erkrankung auch eine Ansteckung verhindern könne.
In der „Frankfurter Rundschau“9 wird der Fachmediziner Leif-Erik Sander von der Berliner Charité mit den Worten zitiert „Es muss sich zeigen, wie lange der Impfschutz anhält.“ Im selben Artikel vermutet der Immunologe Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig, dass gerade bei älteren Menschen wegen deren schwächeren Immunsystems wohl auch eine höhere Impfdosis nötig sei; demgegenüber sei nicht klar, wie viele Dosen des Impfstoffes in der nächsten Zeit überhaupt zur Verfügung stehen könnten. Hierzu warten Hersteller allerdings mit beeindruckenden Zahlen auf: Allein BioNTech und Pfizer halten es für möglich, dass sie im Jahr 2021 über 1,3 Milliarden Dosen herstellen können.
Der Virologe Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts, und Frank Ulrich Montgomery, Leiter des Weltärztebundes, stellen in der „Frankfurter Rundschau“ eine einfach klingende Rechnung für Deutschland auf. Wenn man pro Tag 100 000 Menschen impfen würde, brauchte man 150 Tage, um 15 Millionen Menschen zu impfen, somit brauchte man für die Durchimpfung der Bevölkerung in Deutschland 830 Tage, also etwa zweieinhalb Jahre. Das Ziel könnte demnach frühestens Ende 2021 bzw. Mitte 2022 erreicht werden. Konservativere Rechner gehen sogar erst von einer Zielgeraden im Jahr 2024 aus.
Wie lange müssen – trotz Impfstoffs – die Vorsichtsmaßnahmen noch beachtet werden?
Traurig, aber wahr: Wer glaubt, dass mit der Impfung alle Vorsichtsmaßnahmen schnell überflüssig werden, der irrt, Nachdem noch unklar ist, inwieweit eine Impfung auch Übertragungen des Virus verhindert oder zumindest reduziert, betonen Experten, allen voran das Robert-Koch-Institut, dass „Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und die AHA+A+L-Regeln – Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen, Corona-Warn-App nutzen und Lüften – weiter essenziell“ seien.6
Auch im „Deutschlandfunk“ dämpfen Experten wie der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens die Freude.10 Zunächst würden ja vor allem die Risikogruppen geimpft, was bereits bis weit ins kommende Jahr hinein andauern werde, da in Deutschland über 20 Millionen zu den Risikogruppen gehören. Dazu gebe es derzeit noch viele weitere offene Fragen, zum Impfschutz ebenso wie zur Zahl der Impfstoff-Dosen, zur Impfbereitschaft wie zu den Kapazitäten der Impfzentren. So sei vor allem, so Mertens, noch unklar, ob geimpfte Menschen das Virus auch tatsächlich nicht mehr übertragen. Bei Impfstoffen stehe die Vermeidung von Krankheit im Vordergrund, das bedeute, dass sie nicht 100-prozentig die Infektion, also die Übertragung des Virus, verhindern könnten.
Geringe Impfbereitschaft der Deutschen
Die Impfbereitschaft in Deutschland ist nicht übermäßig hoch. Das ergeben zahlreiche Befragungen, unter ihnen die seriöse Covid-19-Studie COSMO, ein Gemeinschaftsprojekt, an dem u.a. die Universität Erfurt, das Robert Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beteiligt sind. COSMO hat ermittelt, dass Anfang Dezember 2020 48 Prozent aller Deutschen die Frage, ob sie sich gegen COVID-19 impfen lassen würden, mit „eher ja“ beantworteten.11
Unter anderem in der „Süddeutschen Zeitung“12 ist zu lesen, dass sich noch im April 70 Prozent zur Impfung bereit erklärt hatten. Laut einer weiteren Befragung des „Wissenschaftsbarometers“ hätten im November noch 55 Prozent erklärt, dass sie sich „wahrscheinlich impfen lassen“ würden. Auch in anderen Ländern Europas scheint die Impfskepsis groß zu sein, berichtet die „SZ“ weiter. So zeige sich nur in Großbritannien und Italien eine hohe Bereitschaft, wogegen die Österreicher, Niederländer, Spanier und Franzosen sich überwiegend misstrauisch zeigten.
Den Autoren der COSMO-Studie zufolge ist die Impfbereitschaft gegen COVID-19 höher für Personen, „die Vertrauen in die Sicherheit der Impfung haben (wichtigster Faktor!), sich nicht auf die Impfung anderer verlassen wollen, Impfen als Bürgerpflicht wahrnehmen, der Überzeugung sind, dass schwere Impfnebenwirkungen durch den Staat versorgt und behandelt werden, (...) die männlich oder älter sind, bei denen Impfen in der eigenen Familie befürwortet wird und die Sorge um eine Infektion haben“ sowie „unter Personen, die eine Impfung aus Gesundheitsgründen anstreben.“
Dagegen sei die Impfbereitschaft gegen COVID-19 „geringer für Personen, die Nutzen und Risiken der Impfung abwägen wollen oder glauben, dass Impfnebenwirkungen verheimlicht werden.“ Zudem hätten „Personen, die die COVID-19 Schutzmaßnahmen generell für übertrieben halten, (...) auch eine geringere Impfbereitschaft.“
Quellen anzeigen
Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.