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Detox-Wunder oder Märchen aus dem Saftladen? Was Saftkuren wirklich bewirken

Kommentar schreiben Aktualisiert am 14. Februar 2018

Endlich gesünder leben, ein paar Pfunde verlieren, eine ganz neue Herausforderung meistern – klingen Ihnen solche und ähnliche Vorsätze seit Silvester in den Ohren? Nun ja, einige packen es ja wirklich an – zum Beispiel mit einer Saftkur, die im Zuge der „Detox“-Welle bekanntlich gerade sehr im Trend liegt. „Detox“ kommt von „Detoxifikation“, bedeutet also „Entgiften“. Und so sollen mit einer „Detox“-Kur, zu der auch eine Saftkur zählt, Darm, Nieren und die Haut von schädlichen Giftstoffen befreit und somit der Körper entschlackt, die Fettverbrennung angekurbelt, nebenbei Gewicht abgebaut und ganz allgemein die Gesundheit und das Wohlbefinden gesteigert werden. Auch wenn sich Experten darüber streiten, was eine Saftkur im Einzelnen wirklich an Gutem bewirken kann – zumindest könnte sie einen guten Anfang darstellen, die Ernährung umzustellen und gesunde Lebensmittel schätzen zu lernen. Und wer es schafft, sich der „Challenge“ zu stellen, ein bis fünf (manchmal sogar sieben) Tage lang nur von Säften zu leben und so gut wie gar nicht zu kauen, darf mit Recht stolz auf sich sein – ein nicht zu unterschätzender psychologischer Gewinn.

Was steckt hinter dem Saftkur-Trend?

Der Trend der sogenannten „Juice Cleansers“, also reinigenden Säften, kommt – wen wundert´s – aus den USA. Von eben dort aus sind innerhalb kürzester Zeit auch zahllose Unternehmen wie Pilze aus dem Boden geschossen, die fertige Säfte und Saft-Mischungen herstellen. Diese verkaufen die cleveren Start-ups dann meist über das Internet, zum Teil auch in superschicken Juice-„Boutiquen“. Faltengebügelte Hollywood-Stars bekennen sich öffentlich zur regelmäßigen Saftkur, einige behaupten sogar allen Ernstes, die frischgepresste Ernährung habe „ihr Leben verändert“. Zweifellos wird es – zumindest tageweise – den Alltag verändern, wenn man ausschließlich Flüssiges zu sich nimmt. Bei einer Saftkur werden, über den Tag verteilt, fünf bis sechs Säfte getrunken, damit der Blutzuckerspiegel stabil bleibt. Zwischendurch darf es in beliebiger Menge ungesüßten Kräutertee und Wasser (nach Belieben mit Ingwer versetzt) geben. Wer glaubt, dass es ohne Kauen gar nicht geht, darf schon mal an einem kleinen Snack nagen, etwa an fettfreien Gemüsechips oder einem Apfel- oder Birnenschnitz. Grundsätzlich wird aber empfohlen, möglichst ganz auf feste Nahrung zu verzichten.

Fertig-Saftkuren zu „saftigen“ Preisen

Wer sich gegen die Selbstherstellung von frischen Säften entscheidet, etwa weil es zu viel Zeit und Aufwand kostet oder kein Entsafter zur Hand ist, wird keine Mühe haben, an eine Saftkur zu kommen. Wie schon erwähnt, gibt es mittlerweile viele Hersteller, die kaltgepresste Säfte in Rohkost-Qualität anbieten, Drinks also, die nicht erhitzt wurden und somit besonders nährstoffreich sein sollen. Nicht wenige Anbieter preisen ihre Ware auch als Bio-Produkte mit Zutaten und Inhaltsstoffen aus nachhaltigem Anbau an. Ein Blick ins Internet genügt: Hippe Anbieter wie „Yuicery“, „The Frank Juice“, „Detox Delight“, „Rawganic Revolution“ oder auch die in vielen Städten bekannte Fitness-Food-Kette „Dean and David“ sind für Detox-Freaks eine heißbegehrte Anlaufstelle. Die Preise für Tages-, 3-Tages- oder 5-Tages Pakete sind sehr unterschiedlich, meist aber nicht gerade günstig. So bekommt man z.B. ein 5-Tages-Paket beim einen Anbieter für etwa 90 Euro, beim anderen muss man dagegen für dieselbe Menge deutlich über 300 Euro berappen. In der Regel sind die fruchtigen Kur-Pakete durchaus abwechslungsreich gefüllt. Die Palette reicht von roten, gelben, weißen und grünen Säften (letztere meist mit hohem Gemüseanteil und entsprechend wenig Zucker) und fruchtigen Limonaden über Saftmischungen, z.B. aus Karotte, Orange, Ingwer und Aloe Vera, bis hin zu nahrhaften Nussmilchgetränken, die bei einem vorübergehenden Tief schnell neue Energie liefern können. Was man bevorzugt, darüber entscheidet allein der persönliche Geschmack – doch nicht immer ist das unverbindliche Ausprobieren bei der Belieferung übers Internet möglich. Nur einige Hersteller bieten die Möglichkeit, diejenigen Geschmacksrichtungen, die einem nicht behagen, wieder zurückzuschicken und durch andere zu ersetzen. Bei den anderen gilt: Nach und nach ausprobieren – und mehrfach zahlen. Absolut wichtig ist es, bei den Fertig-Saftkuren ganz genau hinzuschauen, was drinsteckt. Von Produkten, auf deren Etikett es nur so wimmelt vor rätselhaften Inhaltsstoffen, die ihre Inhaltsstoffe nicht zweifelsfrei ausweisen und Prädikate wie „Bio“ u.Ä. nicht belegen, sollte man die Finger lassen.

Selbst gesaftet – wissen, was drinsteckt!

Wer sich entscheidet, die Säfte für die Kur selbst zuzubereiten, kann sicher sein, keine bösen Überraschungen zu erleben, was die Inhaltsstoffe des fruchtigen Produkts angeht. Frisches Obst und Gemüse gibt es an (fast) jeder Ecke, sehr oft auch in Bio-Qualität. Die Eigenmarke kann zudem auch deutlich kostengünstiger sein als die Fertigware. Außerdem lassen sich durch Eigenproduktion umweltschädigende Faktoren wie Plastik-Verpackungen und Versandhandel vermeiden. Wer einen sogenannten „Slowjuicer“ zuhause hat, ist eindeutig im Vorteil. Dieser spezielle Entsafter verwandelt Obst und Gemüse besonders schonend in Saft. Anders als bei einem Zentrifugen-Entsafter kommt es beim Slowjuicer nicht zu einer starken Schaumbildung. Warum das besser ist? Der beim Zentrifugal-Entsaften entstehende Schaum enthält Sauerstoff und oxidiert dadurch in Verbindung mit dem Saft. Das wiederum zerstört nach einer Weile viele wertvolle Vitalstoffe. Aus diesem Grund ist Saft aus dem Zentrifugen-Entsafter nur dann wirklich nährstoffreich, wenn man ihn sofort nach der Herstellung trinkt. Für diejenigen aber, die den Saft länger aufbewahren, ihn z.B. in Flaschen umfüllen und ins Büro mitnehmen wollen, lohnt sich die Anschaffung eines Slowjuicers auf jeden Fall. Ganz billig sind diese aber nicht: Gute Geräte sind ab etwa 300 Euro zu haben, für Spitzenprodukte kann man auch weit über 1000 Euro ausgeben.

Von Ananas bis Rucola - Die Vielfalt macht´s

Säfte aus frischen Zutaten können eigentlich nichts anderes als gesund und wertvoll sein – und lecker sind sie meist auch. Frisch gepresste Säfte lie­fern jede Menge se­kun­dä­re Pflan­zen­stof­fe und damit natürli­che Vi­tal­stof­fe, Antioxidantien und Enzyme und nicht zuletzt wertvolle Flüssigkeit und sind außerdem effektive Helfer beim Ankurbeln des Stoffwechsels. Weil sie schnell verdaulich und arm an Bal­last­stof­fen sind, kommen ihre wertvollen Inhaltsstoffe innerhalb kurzer Zeit im Organismus an, um dort ihre hochqualifizierte Arbeit zu leisten. Wichtig ist, nicht nur Obst zu verwenden, das zum Teil viel Zucker enthält und damit eher Hochkalorisches liefert. Säfte, die zum Teil oder ausschließlich aus Gemüse bestehen, sparen viele Kalorien, sorgen für mehr Nährstoffvielfalt und bieten auch geschmacklich mehr Abwechslung im Glas. Drinks aus ballaststoffreichem Gemüse und Obstsorten wie Äpfel und Birnen machen besser und länger satt als Saft aus Zitrusfrüchten. Möglichst intensive Farben werten die Saftkur auf: So enthalten beispielsweise Rote Bete sowie Rot- und Grünkohl besonders viele immunstärkende Stoffe, die auch freie Radikale im Körper binden. Und sie erfreuen auch das Auge: Karotten- und Rote-Bete-Saft, Gurken- und Spinatsaft, Mango- und Ananassaft, Petersilien- und Rucolasaft und all ihre unzähligen farbenprächtigen Kollegen sehen ganz einfach schön aus! Generell kann man sicher sein, dass man alle wichtigen Nährstoffe erhält, wenn man sich bei der Auswahl der Früchte und Gemüse an der gesamten, prächtigen Farbpalette der Natur bedient.

So wird´s im Saftglas erst richtig gesund

Um aus den frischen Früchten tatsächlich das Optimum herauszuholen, sind noch einige Kleinigkeiten wichtig, die viele nicht bedenken. Zunächst einmal: Bio ist besser! Obst und Gemüse in Bioqualität, möglichst ohne Druckstellen und sachgerecht gelagert, liefert die besten Nährstoffe. Was manche nicht bedenken: Bestimmte Inhaltsstoffe brauchen andere Stoffe, um wirken zu können. So werden fettlösliche Vitamine wie Vitamin A, D, E und K nur dann gut vom Körper aufgenommen und verwertet, wenn sie mit ein wenig Fett verzehrt werden. Deshalb sollte jeder Saft mit einem kleinen Schuss hochwertigen Öls versetzt werden, z.B. mit kalt gepresstem Kürbiskern-, Nuss-, Traubenkern- oder Rapsöl. Die Öle peppen in vielen Fällen den Saft auch geschmacklich auf. Stark eisenhaltige Gemüsesorten wie die Rote Bete oder Spinat sollten immer zusammen mit Vitamin C aufgenommen werden, um im Körper ihre Wirkung entfalten zu können. Deshalb passt z.B. die Rote Bete besonders gut zu Äpfeln, Zitrusfrüchten oder auch Kartoffeln. Übrigens: Natürlich ist es auch gesund und empfehlenswert, frische Früchte und Rohkost zu essen, sprich: zu kauen. Nur sind erst dann, wenn Obst und Gemüse komplett zerkleinert sind, die enthaltenen Nährstoffe in besonders hoher Konzentration verfügbar, da nur bei ganz zerstörten Zellstrukturen alle wertvollen Inhaltsstoffe freigesetzt werden. Die Saftkur ist also eine besonders intensive Form einer Vitalstoff-Powerkur!

Kann zuviel Saft auch schaden?

Im Normalfall kann eine Saftkur sicherlich keine Wunder wirken – schaden kann sie eigentlich aber auch nicht, vorausgesetzt man ist gesund bzw. hat bei einer bestehenden Erkrankung vorab mit dem Arzt abgesprochen, ob dieser eine Saftkur befürwortet. Wer rohes Obst und Gemüse problemlos verträgt, die Kur sachgerecht durchführt und danach wieder behutsam auf normale Ernährung umsteigt, wird kaum Probleme bekommen. Wie bei allen radikaleren Kuren kommt es auch bei der Saftkur zu vorübergehenden Erscheinungen wie starker Müdigkeit und Kopfschmerzen, die meist nach den ersten zwei, drei Tagen wieder verschwinden. Es sind natürliche Reaktionen des Körpers auf die Umstellung der Ernährung. Mangelerscheinungen können während der Saftkur kaum auftreten, da in einem halben Liter Saft rund drei Kilogramm Obst und Gemüse stecken, die den Körper mit allen wichtigen Vitaminen und Mineralien versorgen. Größere Schwierigkeiten mit der Saftkur könnten am ehesten Menschen bekommen, die normalerweise eher wenig trinken und mit der Aufnahme von so viel Flüssigkeit innerhalb kurzer Zeit zu kämpfen haben. Auch besonders gesellige Menschen, die sich gerne und oft mit Freunden zu einem gemütlichen Kneipenabend oder zum Essen verabreden, leiden oft besonders unter den kargen Tagen.

Entsaften, fertig, los? Lieber vorher mal beim Arzt nachfragen

Eher kritisch sehen Ernährungswissenschaftler und Verbraucherschützer die von vielen so gepriesene Saftkur. Die meisten betonen, dass der Körper kein extra „Detox-Programm“ brauche, da die Entgiftungsorgane Niere und Leber diese Aufgabe bereits ausreichend auf natürlichem Weg erfüllten. Wenn diese Organe richtig arbeiteten, hätten Entgiftungskuren kaum einen gesundheitsfördernden Effekt. Auch müsse man beachten, dass man bei einer Saftkur sehr viel Kalium zu sich nehme. Das könne für Menschen mit Herz- oder Nierenproblemen gefährlich sein, so die Warnungen der Experten. Hoffnungen, dass mit Hilfe einer Saftkur selbst Krebserkrankungen geheilt werden könnten, wie es in einigen Veröffentlichungen propagiert wird, erteilen Schulmediziner und andere anerkannte Wissenschaftler – zumindest bisher – eine klare Absage. Außer Frage steht wohl, dass Menschen mit den genannten oder anderen (Grund-) Erkrankungen oder auch Kurwillige, die aktuell in einer physisch und/oder psychisch belastenden Situation stecken, vor Beginn einer Saftkur ihren Arzt konsultieren sollten. Auch schwangere und stillende Frauen, die sich zu einer Saftkur entschlossen haben, sollten vorsichtshalber vorher ärztlichen Rat einholen. Und selbst Personen, die sich kerngesund fühlen, kann es nicht schaden, mit dem Arzt abzusprechen, ob aus medizinischer Sicht irgendetwas gegen eine zeitweilige Saftkur spricht.

Fazit

Ob Saftkuren nun tatsächlich sinnvoll und der Gesundheit förderlich sind, darüber kann man weiterhin geteilter Meinung sein. Viele Erfahrungsberichte lassen darauf schließen, dass es nach dem erfolgreichen Durchhalten vor allem der Stolz auf sich selbst ist, der eine solche Kur zu einem positiven Erlebnis macht. Einige berichten auch davon, wie sie erst durch eine Saftkur dazu kamen, frische Kost lieben zu lernen – ein weiterer wertvoller Effekt! Und mindestens ebenso wertvoll ist es doch, wenigstens für ein paar Tage einmal auf ungesunde Gewohnheiten zu verzichten und zu erleben, dass es selbst abends vor dem Fernseher auch ganz ohne Knabbereien geht. In diesem Sinne: Ran ans Obst - und Wohlsein!

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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