Die Glasknochenkrankheit: Knochen zerbrechlich wie Glas
Die sogenannte Glasknochenkrankheit, Osteogenesis imperfecta, beruht auf erblich bedingte Fehlern in der Synthese von Kollagen Typ I – die Kollagenfibrillen, die für die Biegefestigkeit wichtig sind, versagen und vermehrte Knochenbrüche sind die Folge. Im schlimmsten Fall sogar bereits während der Schwangerschaft im Mutterleib. Mehr über die Glasknochenkrankheit im folgenden Beitrag.
Definition: Was ist die Glasknochenkrankheit?
Die Erkrankung Osteogenesis imperfecta, abgekürzt OI, bedeutet übersetzt so viel wie „unvollkommene Knochenentstehung“ und wird umgangssprachlich – aufgrund der vermehrten Knochenbrüche und der im Röntgenbild glasig erscheinenden Struktur des Knochens - als die Glasknochenkrankheit bezeichnet. Es handelt sich hierbei um eine seltene Erbkrankheit, der Erbgang ist überwiegend autosomal-dominant, seltener aber auch autosomal-rezessiv. Ist keiner der Eltern betroffen und der Nachwuchs erkrankt spricht man von einer sogenannten Spontanmution. Die Häufigkeit liegt bei 1 zu 10.000 bis 15.000 – in Deutschland sind etwa 4000 bis 5000 Menschen von der Glasknochenkrankheit betroffen. Die Bedeutung der zugfesten Kollagenfibrillen für die Biegefestigkeit wird durch die Glasknochenkrankheit verdeutlicht: Das Knochengewebe besteht aus verschiedenen Zelltypen, nämlich Osteoblasten, Osteozyten und Osteoklasten und zudem aus mineralisierter Extrazellulärer Matrix (EZM) – zu den Hauptbestandteilen der EZM gehören Kollagenfibrillen - hauptsächlich Kollagen Typ I - und Hyroxyapatit-Kristalle, die aus Calcium-, Phosphat- und Hydroxid-Ionen bestehen. Aufgrund dieser besonderen EZM – Kollagen Typ 1 macht rund 90 Prozent der Knochenmatrix aus – ist der Knochen biegefest, und zwar sowohl druck- als auch zugfest. Durch die fehlerhafte Synthese von Kollagen Typ I bei der Erberkrankung Osteogenesis imperfecta, kommt es bei Betroffenen lebenslang immer wieder zu Biegefrakturen, in schwersten Fällen sogar in utero. Der Knochen bricht bildhaft wie Glas und erscheint auch so auf Röntgenaufnahmen. Da wenig schattengebende Knochensubstanz vorhanden ist, wirkt der Knochen milchglasähnlich als verwaschene Struktur; die Strahlentransparenz ist verglichen mit einem gesunden Knochen erhöht.
Einteilung der Glasknochenkrankheit in Typen
Die Unterteilung der Glasknochenkrankheit erfolgt in verschiedene Subtypen mit unterschiedlichem Verlauf und Schweregrad. Im Folgenden werden die ersten vier Subtypen beschrieben:
- Typ 1: Typ 1 der Glasknochenkrankheit, auch Typ Lobstein genannt, zählt zur mildesten Verlaufsform, die oft erst diagnostisch erkannt wird, wenn das Kind älter ist und sich vermehrt auffällige Knochenfrakturen zuzieht. Manchmal kommt es auch erst zu einer Diagnose, wenn Begleitsymptome anderer Organsysteme (siehe unten) auftreten: Die Skleren können bläulich verfärbt sein. Ansonsten ist der Typ 1 eher unauffällig.
- Typ 2: Typ 2 ist die schwerste Form der Glasknochenkrankheit. Die Betroffenen sind extrem frakturgefährdet, weswegen Neugeborene häufig 24 Stunden nach der Geburt versterben. Zudem leiden Betroffene des Typ 2 unter einer unterentwickelten Lunge: auch die nicht ausgereifte Lunge kann ausschlaggebend für den frühzeitigen Tod sein.
- Typ 3: Betroffene des Typ 3 leiden auch sehr unter der starken Ausprägung der Erkrankung: Sie sind kleinwüchsig, die Wirbelsäule ist deformiert, wodurch die Atmung beeinträchtig werden kann. Oft sind Betroffene auf einen Rollstuhl angewiesen.
- Typ 4: Typ 4 zählt als eine mildere Form von Typ 3, da auch hier Kleinwüchsigkeit zu beobachten ist, jedoch weniger Skelettdeformierungen. Auch ein Rollstuhl wird nicht benötigt.
Symptome der Glasknochenkrankheit
Neben der vermehrten Knochenbrüchigkeit sind noch weitere Symptome zu beobachten, die den Bewegungsapparat betreffen:
- Deformierung der Schädelkalotte
- Kautschuk-Kopf (weicher Schädel)
- Ausbildung von flachen Wirbelkörpern
- Verformung der Wirbelsäule
- Verzögerung der Knochenbildung
- Kleinwuchs
Andere Organsysteme können auch wie folgt betroffen sein:
- blaue Skleren
- Kurzsichtigkeit
- Störung der Zahnbildung
- Neigung zu Hämatomen
- Schwache Muskulatur
- Neigung zu Leistenbrüchen
- Aortendilatation
- Subdurales Hämatom
Prognose und Therapie
Die Behandlungsmöglichkeiten bei der Glasknochenkrankheit sind begrenzt. Handelt es sich um eine Frühform können Knochenbrüche schon in der Gebärmutter auftreten, sodass die Kinder tot geboren werden oder bald nach der Geburt sterben. Bessere Aussichten bestehen bei der milderen Spätform der Erkrankung: Durch konsequente konservative und operative Frakturbehandlung können schwere Deformierungen vermieden werden. Nach dem Wachstumsabschluss geht die Knochenbruch-Häufigkeit zurück. Da es sich um eine genetisch bedingte Störung handelt, zielen die Therapiemöglichkeiten nur auf die Symptombehandlung bzw. Eliminierung ab – eine intakte Kollagen Typ I Synthese wieder herzustellen ist nämlich leider nicht möglich. Zu den Behandlungsmethoden gehört unter anderem die Marknagelung, bei welcher der gebogene Knochen gezielt mehrfach durchtrennt (im medizinischen Sprachgebrauch: osteotomiert) und die Knochensegmente anschließend „perlschnurartig“ auf den Marknagel „aufgefädelt“ werden. In der Vergangenheit habe man starre Nägel verwendet, die allerdings während der Wachstumsphase regelmäßig ausgetauscht werden mussten, da der Knochen irgendwann die Länge des Nagels überschritten hatte. Aus diesem Grund hatten Orthopäden den Teleskopnagel erfunden, der sich beim Knochenwachstum teleskopartig auseinander zieht und quasi „mitwächst“. Weitere Behandlungsmethoden, die in Kombination empfohlen werden, sind Physiotherapie und die Einnahme von Bisphosphonat, bei der ein Knochenzuwachs gemessen werden kann und mittlerweile zum Standard bei der Behandlung von Osteogenesis imperfecta zählt. Der Physiotherapie wurde seit den Siebziger Jahren auch ein größerer Stellenwert zugeschrieben, da man festgestellt hatte, dass eine Immobilisierung zum vermehrten Knochenabbau führt. Aus dem Grund wird nicht mehr wie früher eine Ruhigstellung empfohlen, um bloß keine Frakturen zu provozieren. Gut geeignete Bewegungen können sein: Schwimmen, Aquagymnastik/aerobic, Aquaboxing und isometische Übungen. Von ungewohnten Bewegungen sei abzuraten. Diese sollten nur unter Aufsicht von Physiotherapeuten durchgeführt werden. Bei allen therapeutischen Maßnahmen gilt: Knochenbrüche vorzubeugen, anstatt welche zu riskieren.
Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.