Einsamkeit überwinden - Was tun wenn man sich einsam fühlt?
Immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Untersuchungen zufolge finden sich bei den unter 18-Jährigen mehr Einsame als bei Menschen über 65. Einsamkeit ist nicht an eine Altersgruppe gebunden. Es beschreibt den inneren Zustand, zu wenig oder zu unbefriedigende Kontakte und Bindungen zu Menschen zu haben. Chronische Einsamkeit kann krank machen und die Lebenszeit verkürzen. Stresshormone und Entzündungsparameter sind erhöht. Kopfschmerzen, Abwehrschwäche und Kreislaufstörungen treten auf. In England wurde sogar eine Einsamkeitsministerin berufen, die sich der neuen Epidemie widmen soll! Erfahren Sie mehr über die Ursachen, gesundheitlichen Folgen und den sinnvollen Umgang mit dem Gefühl der Einsamkeit!
Was ist Einsamkeit?
Einsamkeit kann Erkrankungen begünstigen, hat aber selbst keinen Krankheitswert. Es ist die schmerzhafte Sehnsucht nach Menschen. Man ist allein oder es gibt Kontakte, vielleicht sogar einen Ehepartner oder einen großen Freundeskreis und dennoch ist man einsam, da die Bindungen nicht den gewünschten Nährwert haben. Bei emotionaler Einsamkeit fehlt eine Person, mit der man sich eng verbunden fühlt, und sozialer Einsamkeit mit dem Mangel an Unterstützung durch Freunde, Arbeitskollegen und Nachbarn. 2 % Prozent der Deutschen fühlen sich chronisch einsam.
Was ist der Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit?
Alleinsein wird nicht als Defizit wahrgenommen, sondern als Freiraum, Wohltat, Regeneration und Zeit für sich selbst. Alleinsein wird jedoch als Einsamkeit und Leid empfunden, wenn der Zustand nicht freiwillig ist und eine große Sehnsucht nach Kontakten, Zugehörigkeit und Bindung besteht. Dennoch muss unter unfreiwilligem Alleinsein nicht jeder leiden. Man kann nach dem ersten Schockmoment durchaus die Vorteile des Alleinseins sehen und die Zeit konstruktiv nutzen: Man ist keinem Rechenschaft schuldig, kann sich frei bewegen, sich besser spüren und neue Ideen und Visionen entstehen lassen, die den nächsten Lebensabschnitt einläuten.
Wann tritt Einsamkeit am häufigsten auf?
Einsamkeit gehört zum Leben. Sie ist ein ganz natürlicher Zustand nach einer grundlegenden Veränderung im Leben. Das kann ein Umzug sein, die Trennung vom Partner, der Auszug der Kinder, der Verlust des Arbeitsplatzes oder das Antreten eines neuen Jobs, bei dem man noch keinen kennt. Kritisch wird es nur, wenn nach der Veränderung und einer Phase des Alleinseins und Alleinfühlens keine neuen Bindungen aufgebaut werden. Dass sich heute die Jugend einsamer fühlt als die älteren Menschen wird auf die frühe Trennung von Eltern und Kind bei Berufstätigen, die Auflösung der Großfamilie und die fragmentierte Gesellschaft zurückgeführt. Jeder macht sein Ding, wechselt häufiger den Wohnort und Job als früher, hat Freunde für bestimmte Unternehmungen, selten fürs Leben. Die sozialen Netzwerke erwecken die Illusion, nie allein zu sein. Das verzögert und erschwert eine realistische Bestandsaufnahme des Status quo in Punkto nährende Beziehungen, die aufbauend und stabil sind.
Was ist das Problem mit Einsamkeit?
Von den negativen Effekten auf die Gesundheit abgesehen, entspricht es nicht der gesellschaftlichen Norm, allein oder gar einsam zu sein. Man wird fast abschätzig betrachtet oder erntet bestenfalls Mitleid. Jemand, der allein dasteht und sich einsam fühlt, hat aus gesellschaftlicher Sicht etwas falsch gemacht. Er ist scheinbar nicht liebenswert, bindungsunfähig, seltsam, unangepasst. Dazu kommt die Scham. In Phasen der Einsamkeit zieht man sich zurück, damit es keiner mitbekommt, und schämt sich für seine Situation und Befindlichkeit.
Was ist der evolutionäre Hintergrund von Einsamkeit?
Wenn Bindungen funktionieren, wird im Gehirn das Belohnungssystem aktiviert. Es tut gut und wir wollen es immer wieder haben. Bei einem Gefühl der Einsamkeit wird die Region für die Schmerzempfindung aktiviert. Woher kommt das? So wie der körperliche Schmerz davor warnt, dass etwas krank ist, behandelt und geschont werden muss, so soll der soziale Schmerz der Einsamkeit dazu animieren, zu der Gemeinschaft zurückzukehren. Denn nur in der Gruppe konnte man in früheren Zeiten überleben. Früher kam es einem Todesurteil gleich, aus dem Verbund der Familie, des Dorfes oder der Gesellschaft ausgestoßen zu werden. Der soziale Schmerz der Einsamkeit und die Motivation, zur Gruppe zurückzukehren, soll ursprünglich das Überleben sichern.
Wie kann sich chronische Einsamkeit auf die Gesundheit niederschlagen?
Bei dauerhafter Einsamkeit werden mehr Stresshormone, Entzündungen, Erschöpfung und Depressionen beobachtet. Der Blutdruck kann steigen und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Chronische Einsamkeit kann zu Schlafstörungen und weniger Regeneration durch den Schlaf führen. Eine Metastudie, in der 2010 die Ergebnisse von 148 Untersuchungen mit mehr als 300.000 Probanden zusammengefasst wurde, ergab, dass dauerhafte Einsamkeit ebenso schädlich für die Gesundheit ist wie das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag und doppelt so schädlich als Übergewicht. Das Immunsystem wird geschwächt. Es kommt zu Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Problemen. Der dauerhaft Einsame soll laut der Studie auch früher sterben als Menschen mit intakten Bindungen und sozialem Netzwerk.
Was tun, wenn man sich einsam fühlt?
Als erstes: es akzeptieren. Es ist keiner da und das tut weh. Das ist ganz normal. Akzeptieren bringt Ruhe hinein und entspannt. Auf dieser Basis kann man die nächsten Schritte tun. Denn man ist diesem Zustand nicht ausgeliefert, sondern kann aktiv werden. Und: Kein Unterdrücken der Gefühle! Mal richtig weinen und den Schmerz hinausschreien, bringt einen großen Schritt weiter.
Der Professor für soziale Neurowissenschaften und Einsamkeitsforscher John Cacioppo hat mit seinen Kollegen das Programm „ease“ gegen Einsamkeit entwickelt: "e" steht für "extend", zu Deutsch ausweiten. Das heißt, sich eine sichere Plattform zu suchen, von der aus Kontakte aufgebaut werden können, z.B. in einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder einem Fitness-Studio. Das "a" steht für "action" und verweist darauf, dass nur die eigene Aktivität die Einsamkeit beenden kann. Am besten macht man sich einen Plan, was man wann für neue Kontakte oder die Vertiefung bestehender Beziehungen tun will. „s“ ist die Abkürzung für „selective“ als Hinweis, dass man sich ganz genau überlegt, mit wem man in Kontakt treten will, und für die wenigen „Auserwählten“ Geduld investiert. Das „e“ steht für „expect the best“, d.h. erwarte das Beste. Statt die Angst vor Abweisung zu nähren, sollte man sich einen positiven Ausgang der Begegnung vorstellen.
Daneben hilft es, sich selbst zu verwöhnen und sich das zu geben, was man von anderen erwartet: Aufmerksamkeit, Liebe, Achtsamkeit usw. Eine zweite Variante ist es, anderen das zu geben, was man sich für sich selbst wünscht: Einladungen, Offenheit, Zuwendung, Fürsorge usw. Keiner ist der Einsamkeit machtlos ausgeliefert, sondern kann jederzeit aktiv etwas dagegen tun.
Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.