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Geschlechtsspezifische Vorsorgeuntersuchungen: Was Frauen und was Männer nutzen können

Kommentar schreiben Aktualisiert am 19. August 2020

In unserer kleinen Serie zu Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen haben wir bereits über die Maßnahmen für Kinder, über die Untersuchungen, die Männern und Frauen gleichermaßen zustehen, sowie über weitere (Privat-)Leistungen und Bonusprogramme der Krankenkassen informiert. Abschließend folgt hier ein Überblick über das Spektrum der geschlechtsspezifischen Vorsorge, also über die jeweils speziellen Untersuchungen für Frauen und Männer. Auch für diese gilt: sie retten Leben. Denn viele schwere Erkrankungen, die frühzeitig erkannt und behandelt werden, kann die Medizin sehr gut behandeln und nicht selten auch heilen. Daher bieten die gesetzlichen Krankenkassen eine beachtliche Palette an Früherkennungsuntersuchungen an, deren Kosten sie auch komplett übernehmen. Welche das speziell für Frauen und Männer sind, erfahren Sie hier.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorsorgeuntersuchungen für Frauen

 

Ab 20 Jahren: jährliche Genitaluntersuchung zur Früherkennung von möglichen Krebserkrankungen

 

Das Symbol für WeiblichkeitJede gesetzlich krankenversicherte Frau ab 20 Jahren kann und sollte einmal jährlich bei ihrem Gynäkologen eine Früherkennungsuntersuchung für Genitalkrebs – vor allem Gebärmutterhalskrebs – durchführen lassen. Seit Anfang des Jahres 2020 werden alle versicherten Frauen ab 20 Jahren schriftlich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs eingeladen. Die Untersuchung läuft in der Regel folgendermaßen ab: Nach einem Anamnesegespräch, bei dem sich der Arzt nach dem Befinden und eventuellen Beschwerden oder Veränderungen erkundet, werden die äußeren Geschlechtsorgane begutachtet. Dabei geht es vor allem um mögliche Hinweise auf Krebs im Bereich des äußeren Teils der Genitalien. Dann tastet der Arzt zunächst mit der Hand durch die Scheide hindurch die inneren Genitalien ab und achtet dabei auf Veränderungen wie z.B. Verhärtungen oder Wucherungen an der Gebärmutter (bei älteren Frauen über 50 verbindet er diese Tastuntersuchung mit dem Abtasten des Enddarmes).

 

Anschließend führt der Frauenarzt ein Spekulum ein, um das Innere der Scheide und den Muttermund am Gebärmutterhals betrachten zu können. Beim Abstrich entnimmt er aus der Scheide Sekret, außerdem führt er für den sogenannten Pap-Test einen Zellabstrich von Gebärmuttermund und Gebärmutterhals durch. Diese Zellen werden mikroskopisch auf mögliche Veränderungen untersucht, die auf Gebärmutterhalskrebs und/oder seine Vorstufen hinweisen. Ist der Befund auffällig, bedeutet dies noch keine Krebsdiagnose! Jedoch müssen dann zur Abklärung weitere Untersuchungen durchgeführt werden.

 

Bis 25 Jahre: Chlamydien-Screening für sexuell aktive junge Frauen

 

Eine Infektion mit dem genitalen Bakterium Chlamydia trachomatis ist gefürchtet, da sie nicht nur ungewollte Sterilität, sondern bei Schwangeren auch Eileiterschwangerschaften, Komplikationen und Infektionen des Neugeborenen zur Folge haben kann. Gleichzeitig handelt es sich bei den Chlamydien um die weltweit häufigste sexuell übertragbare Erkrankung. Eine jährliche Untersuchung auf diese Erreger wird deshalb von Ärzten und Krankenkassen dringend empfohlen, um mögliche Risiken und Spätfolgen einer unbehandelten Chlamydien-Infektion bei Frauen zu verhindern. Informationen zum Chlamydien-Screening bietet ein Merkblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), das man sich auf der Webseite des G-BA herunterladen kann.

 

Standard-Vorsorge für Frauen ab 30

 

Frauen ab 30 wird als Standard-Brustkrebsvorsorge beim Frauenarztbesuch auch eine jährliche Tastuntersuchung der Brust angeboten. Dabei untersucht der Arzt in den Brüsten und Achselhöhlen der Patientin, ob dort möglicherweise Verhärtungen und vergrößerte Lymphknoten zu finden sind. Er sollte der Patientin gleichzeitig auch eine gut verständliche Anleitung geben, wie sie selbst ihre Brust nach solchen Auffälligkeiten abtasten kann.

 

Darüber hinaus können Frauen ab 35 alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung aus Pap-Abstrich und HPV-Test in Anspruch nehmen. Dabei entnimmt der Arzt Zellen aus dem Gebärmutterhals, die sowohl auf sexuell übertragbare HP-Viren (Humane Papillomviren) als auch auf Zellveränderungen untersucht werden.

 

Wichtig: Gegen die Humanen Papillomviren (HPV), die als gefährlichste und verbreitetste Auslöser des Gebärmutterhalskrebses gelten, können Jugendliche sich impfen lassen. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (STIKO) empfiehlt diese Impfung allen Jugendlichen, also Mädchen und Jungen, im Alter von 9 bis 14 Jahren, spätestens aber bis zum Alter von 18 Jahren. Es gibt verschiedene Arten von HP-Viren; einige davon sind eher harmlos und verursachen beispielsweise die Bildung von gutartigen Feigwarzen an den Genitalien. Von anderen wiederum ist bekannt, dass sie die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs und anderen, nicht nur genitalen Krebsarten – auch bei Männern – fördern.

 

Ab 50: Die umstrittene Mammografie

 

Die Röntgenuntersuchung der Brust, die sogenannte Mammografie, zur Früherkennung von Brustkrebs, wird allen gesetzlich versicherten Frauen zwischen 50 und 70 angeboten. Alle zwei Jahre werden die Frauen automatisch schriftlich dazu eingeladen. Die Untersuchung macht es möglich, gut- und bösartige Veränderungen und Krebsvorstufen zu erkennen und auf der Basis ihrer Befunde weitere Untersuchungen einzuleiten. Daher gilt die Mammografie unter vielen Experten als die derzeit wirkungsvollste Methode der Brustkrebs-Früherkennung. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) empfiehlt in seinem Krebsinformationsdienst1, diese Untersuchung ausschließlich von spezifisch ausgebildetem Personal in zertifizierten Zentren durchführen zu lassen.

Die etwa 15 Minuten dauernde Untersuchung läuft weitgehend standardisiert ab. Laut Krebsinformationsdienst sollten zunächst im Vorfeld keine Deos und Cremes im Brust- und Achselbereich aufgetragen werden, da der durch sie entstehende feine Film auf der Haut die Aussagekraft der Röntgenaufnahme beeinträchtigen könnte. Die zu untersuchende Frau stellt sich mit freiem Oberkörper vor das Mammographie-Gerät, dann wird die Brust zwischen zwei Plexiglasscheiben flach zusammengedrückt, was manche Frauen als unangenehm oder schmerzhaft empfinden. Das Gerät macht von jeder Brust zwei zweidimensionale Aufnahmen vom Brustgewebe, dabei wird entweder die „klassische“ analoge Röntgentechnik oder eine digitale Technik verwendet. Ihre Aussagekraft gilt als gleichwertig.

 

Viele Frauen – und auch nicht wenige Experten – stehen der standardmäßigen Mammografie in Deutschland kritisch gegenüber. Beispielhaft sei hier nur eine Artikelsammlung des „Spiegel“ zum Thema erwähnt, die den aktuellen Wissens- und Meinungsstand gut darstellt2. Auch der Krebsinformationsdienst des DKFZ hält umfassende Informationen bereit3. Frauen, die unsicher sind, ob sie diese Reihenuntersuchung wahrnehmen sollten, beraten sich am besten ausführlich mit dem Gynäkologen Ihres Vertrauens und holen umfassende Informationen, ggf. auch eine Zweitmeinung eines anderen Frauenarztes oder Experten, ein.

 

Gesonderte Untersuchungen für schwangere Frauen

 

Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge werden Frauen, die ein Kind erwarten, zum einen umfassend von medizinischem Personal sowie Krankenkassen beraten. Zum anderen werden spezielle Untersuchungen, insbesondere Ultraschalldiagnostik, durchgeführt, die Aufschluss über den Verlauf der Schwangerschaft sowie die Entwicklung und den Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben. Zugleich werden auch serologische Untersuchungen auf Infektionen (inkl. HIV-Test) angeboten.

 

Im Frühstadium der Schwangerschaft sollte zudem mittels einer Urinprobe ein gesondertes Chlamydien-Screening durchgeführt werden.

 

 

Vorsorgeuntersuchungen für Männer

 

Das Symbol für MännlichkeitMänner gelten – im Gegensatz zu Frauen – als „Vorsorgemuffel“. Wie der AOK-Bundesverband in einer Pressemitteilung aus dem Jahr 20194 bemängelt, nehmen Männer die Früherkennungs-Untersuchungen deutlich seltener wahr als Frauen; eine Erhebung des Robert-Koch-Instituts belege, dass lediglich 40 Prozent der deutschen Männer regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gingen (gegenüber mehr als 67 Prozent der Frauen). Wie viele Experten, raten auch Mediziner des AOK-BV Männern ausdrücklich dazu, diesen Missstand zu beheben – zumal Männer häufig gefährdeter seien, bestimmte Krankheiten zu entwickeln, da sie mehr rauchten, Alkohol tränken und sich insgesamt ungesünder ernährten als Frauen.

 

Viele Männer sähen „offenbar keinen Sinn darin, zum Arzt zu gehen, wenn gar nichts weh tut“, so der AOK-BV. Dies sei fahrlässig, da viele gefährliche Krankheiten, darunter Krebs, aber auch Bluthochdruck oder Diabetes, zunächst keine Symptome verursachten. Komme man ihnen jedoch frühzeitig auf die Spur, könne das den Behandlungserfolg und die Heilungschancen verbessern.

 

Neben den geschlechtsunabhängigen Vorsorgeuntersuchungen stehen speziell Männern vor allem zwei wichtige Angebote zur Verfügung.

 

Männer ab 45: Früherkennung von Genitalkrebs

 

Männern ab dem Alter von 45 Jahren steht einmal im Jahr beim Urologen oder Männerarzt (Andrologen) eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen der äußeren Geschlechtsorgane sowie der Prostata zur Verfügung. Maßnahmen zur Früherkennung insbesondere von Prostatakrebs sind dringend anzuraten, da es sich dabei um die häufigste Krebserkrankung bei älteren Männern handelt, die bei frühzeitiger Erkennung vielfach sehr gut behandelt werden kann. Bei der Untersuchung begutachtet der Arzt die äußeren Genitalien. Weil der Enddarm und die Prostata innerhalb des männlichen Körpers unmittelbar benachbart gelegen sind, kann der Arzt die Rückseite der Prostata abtasten, indem er einen Finger in den Enddarm einführt.

 

Dabei ist es ihm möglich, Auffälligkeiten wie z.B. Verhärtungen festzustellen, die bei Prostatakrebs häufig vorhanden sind. Bei Verdacht auf eine Erkrankung wird, zumeist per Ultraschall, eine Gewebeprobe entnommen (Biopsie). Diese wird mikroskopisch untersucht; weist sie bösartige Abweichungen auf, werden weitere Untersuchungen veranlasst. Dabei ist besonders der sogenannte PSA-Test von Bedeutung. PSA ist das Kürzel für das „Prostata-spezifische Antigen“, einen Stoff, der in der Prostata gebildet wird und im Prostatasekret den Samen verflüssigt. Ist der PSA-Wert erhöht, bedeutet das, dass PSA in ungewöhnlich hohen Mengen ins Blut gelangt. Es besteht Krebsverdacht, da Krebszellen vermehrt PSA produzieren. Die Konzentration des PSA wird mittels einer Blutprobe in einem Labor ermittelt.

 

Die Kosten für den PSA-Test werden allerdings nur bei einem entstandenen Verdacht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Wird er zur reinen Früherkennung durchgeführt, handelt es sich um eine „IGeL“-Leistung, also eine individuelle Gesundheitsleistung, die vom Patienten aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss.

 

65+: Früherkennung von Aneurysmen der Bauchschlagader

 

Relativ neu ist für Männer ab 65 Jahren der Anspruch auf eine einmalige Ultraschalluntersuchung, mit der eine Erweiterung (= Aneurysma) der Bauchschlagader frühzeitig festgestellt werden kann. Sie ist speziell Männern vorbehalten, weil diese ab einem bestimmten Alter deutlich häufiger von einem Bauchaorten-Aneurysma betroffen sind als Frauen. Auch ist der Nutzen dieser Untersuchung bisher ausschließlich bei Männern, nicht aber bei Frauen belegt.

 

Ein Bauchaorten-Aneurysma ist sehr gefährlich. Die große Schlagader im Bauch kann sich z.B. infolge von Bluthochdruck weiten und im schlimmsten Fall platzen. Dabei handelt es sich um einem lebensgefährlichen medizinischen Notfall. In der Ultraschalluntersuchung zeigt sich eine Erweiterung der Schlagader deutlich; die Gefahr kann dann ggf. gleich operativ beseitigt werden. Zu dieser Erkrankung bzw. der Vorsorgeuntersuchung hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein Infoblatt herausgegeben5.

 

IGeL-Leistungen – sinnvoll oder nutzlos?

 

Auch an dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Frauen und Männer natürlich auch bei geschlechtsspezifischen Vorsorgeuntersuchungen die Möglichkeit haben, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die von den gesetzlichen Krankenkassen nicht abgedeckt sind und daher privat bezahlt werden müssen. Umfassende Informationen zu diesen sogenannten IGeL-Leistungen bieten die Verbraucherzentralen6 und der IGeL-Monitor7 des Medizinischen Diensts des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS). Dieser informiert Patienten über die verbreitetsten Angebote und bewertet mögliche Nutzen und schädliche Auswirkungen der IGeL.

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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