Gesunder Körper, gesunde Umwelt – Plogging macht´s möglich!
Müll, Müll, Müll überall – wer mit offenen Augen durch die Straßen oder auch über Feld-, Wald- und Wiesenwege geht, sieht viel Trauriges und Hässliches: achtlos weggeworfene Zigarettenstummel oder Verpackungen, leere Coffee-to-go-Becher bis hin zu ganzen oder zerbrochenen Glasflaschen. Trotz bestens organisierter Müllabfuhr und ausgeklügelter Müllentsorgungssysteme findet sich leider reichlich Abfall außerhalb der Tonnen und Container. Auch draußen in der schönsten Natur, wo viele gerne regelmäßig joggen gehen. Gerade Freizeitsportlern mit Liebe zur Umwelt ist der allgegenwärtige Müll ein Dorn im Auge.
Vielen hat es da oft schon in den Fingern gejuckt, die eine oder andere Hinterlassenschaft einfach aufzuheben – nur hatten sie leider gerade keinen Abfallbehälter dabei und fanden es zu eklig, den Müll mit bloßen Händen anzufassen. Dabei wäre es doch toll, Fitness und Umweltbewusstsein miteinander zu verbinden – also beim Joggen der Gesundheit etwas Gutes zu tun und gleichzeitig die Umwelt ein Stück sauberer (und damit auch gesünder) zu machen. Die gute Nachricht: das geht jetzt ganz einfach! Mit einem neuen Trend, der auf der ganzen Welt schon Tausende von Anhängern gefunden hat: Plogging.
Anstatt Jogging nun „Plogging“?
Plogging ist eine neue Wortschöpfung, ein sogenanntes „Kofferwort“. Es wird gebildet aus den Bestandteilen „plocka“ (schwedisch für aufheben, aufgreifen) und dem allseits bekannten englischen Wort „Jogging“. Plogging bedeutet also nichts anderes als „Aufheben beim Jogging“ und bezeichnet eine äußerst sinnvolle sportliche Betätigung, bei der Läufer die um sich greifende Vermüllung der Landschaft aktiv bekämpfen.
Einzelne Personen oder ganze Gruppen, die sich meist übers Internet bilden, organisieren und verabreden, „bewaffnen“ sich mit Abfallsäcken und Handschuhen, schnüren die Laufschuhe, ziehen los und sammeln dabei den Müll auf, den sie entlang ihrer Wege entdecken. Plogging verbindet also das Sinnvolle mit dem Guten – wer die Natur für sportliche Zwecke nutzt und sie genießt, soll sie doch gleichzeitig müllfreier und damit noch schöner machen!
Wer hat´s erfunden? Ein Schwede!
Es war irgendwann im Jahre 2016, als dem schwedischen Geschäftsmann und Freizeitjogger Erik Alström der Kragen platzte. Auf seiner täglichen Fahrradstrecke zur Arbeit und auch beim Outdoor-Sport hatte er sich ständig über herumliegenden Müll geärgert, den keiner wegräumen wollte. Seinen Unmut teilte er mit anderen Freizeitläufern – und ebenso seine Vision, den herumliegenden Unrat im Laufschritt aufzuräumen und ihn dorthin zu befördern, wo er hingehört: in die Tonne. Die Idee kam super an: „Alle hatten ein Leuchten in den Augen bei der Idee, es war toll, es war wie eine Schnitzeljagd“, erzählt der Plogging-Erfinder begeistert in der ARD-Sendung „Weltspiegel“.1
Erik Alström war schon immer ein Mann der Tat. Er und seine Mitstreiter fackelten nicht lange und setzten im Handumdrehen eine ganz große Bewegung in die Welt – über Social Media wie Facebook, Twitter und Instagram ist das heute schließlich kein Problem mehr. Zunächst schlossen sich immer mehr Schweden dem umweltfreundlichen Läufer an, zahllose Plogging-Gruppen fanden sich in dem skandinavischen Land zusammen, Plogging-Events wurden organisiert, immer mehr ließen sich inspirieren und gesellten sich dazu. Die Ergebnisse wurden und werden stolz im Internet präsentiert, etwa die einer schwedischen Schule, deren Schüler bei einer Plogging-Aktion in kürzester Zeit eine Tonne – also 1000 Kilogramm Müll! – rund um ihr Schulgebäude aufklaubten.
Von der Idee zum weltweiten Trend!
Kein Wunder also, dass Plogging schon bald seinen Siegeszug um die Welt antrat – spätestens ab 2018, als das Thema Plastikmüll und seine verheerende Wirkung auf die Umwelt mehr und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Plogging hat sich in kürzester Zeit zu einer globalen, immer größer werdenden Bewegung entwickelt.
In den ganzen USA, in Südamerika und Australien, in Russland und Finnland, in Thailand und Indien, Kanada und Großbritannien, in Polen, Rumänien, Ungarn und Spanien und anderswo erschallt der Ruf „Let´s plog!“ Schon die Kleinsten sind dabei, mitlaufende Hunde werden zu schnappenden Müllsammlern, und auch immer mehr Einzelläufer, die sich ungern einer ganzen Gruppe anschließen, werden, die Mülltüte in der Hand, beim Laufen, Bücken, Aufklauben, Einstecken und Weiterrennen gesichtet.
Jeder kann unter dem Hashtag #plogging die eigene Aktion verbreiten, dabei mit gutem Beispiel voranlaufen und immer wieder neue Plogger zum Mitmachen motivieren. Allein auf Instagram finden sich unter #Plogging unzählige Beiträge.2
Zu sehen sind Initiativen mit fantasievollen Namen wie „plogolution“, „plasticfreeoceansorg“ oder „cleanupnetwork“, die nicht nur mit Feuereifer sammeln, sondern auch sichtlich Spaß an der Sache haben. Viele heben nicht nur sorgsam den Müll auf, sondern beziffern auch ganz genau ihr Ergebnis, so wie eine Gruppe britischer Schüler, die nach ihrer Ploggingrunde voller Stolz 52 Dosen, 34 Plastik- und neun Glasflaschen sowie 3444 akribisch gezählte Zigarettenstummel präsentieren.
Natürlich ist Plogging längst auch in Deutschland angekommen. Tausende deutsche Umweltschützer betätigen sich als aktive Plogger und werden – in gewohnt gründlicher deutscher Manier – zum Teil sogar von den Kommunen und Abfallwirtschaftsbetrieben tatkräftig unterstützt. So stellten zum Beispiel die Münchner Entsorgungsbetriebe für eine große Plogging-Aktion Warnwesten, Handschuhe, Beutel und Getränke zur Verfügung und brachten die gesammelten Müllsäcke zur fachgerechten Entsorgung weg, wie der Bayerische Rundfunk berichtete.3
Mehr als reiner Ordnungswahn
Erik Alström kann stolz auf seine Idee sein – und er glaubt fest daran, dass die Plogging-Bewegung einen Domino-Effekt verursachen wird. „Wenn die Umwelt erst mal sauberer wird, dann bringt das die Leute dazu, sie auch sauber zu halten“, ist sich der Plogging-Initiator sicher. Dabei sind Plogger alles andere als pingelige Ordnungsfanatiker, die es nicht ertragen können, wenn „mal ein bisschen Müll rumliegt“. Nein, Plogger sind umweltbewusste und zugleich aktive Bürger, denen klar ist, dass wir auf der ganzen Welt ein handfestes Müllproblem haben.1
Die Internetseite des Studierendenmagazins „Unicum“ zitiert eine Instagram-Botschaft der Initiative „The Keep Sweden tidy Foundation“, wonach 80 Prozent des Mülls, der unsere Meere verschmutzt, vom Land aus ins Wasser gelangen. Dort wird es nach seriösen Schätzungen im Jahre 2050 mehr Plastik als Fischbestände geben.4
Müll wegräumen ist gut und hilft der Umwelt. Von vornherein weniger Verpackungsmüll zu produzieren, ist noch besser. Bis sich hier merklich etwas tut, ist es am besten, das Eine zu tun, ohne das Andere zu lassen. Auch die Anhänger der Plogging-Bewegung rufen immer wieder dazu auf, nicht nur zu ploggen, sondern gleichzeitig auch mehr und mehr Verpackungsmüll zu vermeiden, zum Beispiel durch den Einkauf in Unverpackt-Läden oder auf Regionalmärkten und durch die Nutzung von Stofftüten und Mehrwegbehältern. Dabei ist klar: schon der kleinste (Lauf-)Schritt und jedes Stück eingesammelten Mülls zählt.
Auch die Gesundheit freut sich…
Plogging hilft selbstverständlich nicht nur der Umwelt, sondern tut auch der menschlichen Gesundheit richtig gut – vorausgesetzt, man ist fit und lauftüchtig und hat keine Krankheit, die Jogging – und damit auch Plogging – entgegenstehen würde. Wer sich also für die Idee des „Müllsammelns im Laufschritt“ erwärmt, aber nicht ganz gesund ist, sollte auf jeden Fall nicht gleich losspurten, sondern erst einmal mit seinem Arzt sprechen!
Für alle anderen gilt aber: Auf geht´s! Plogging ist durch die Kombination aus Laufen und Bücken, Aufheben und wieder Aufrichten ein noch viel abwechslungsreicheres Work-out als pures Jogging, das deutlich weniger Muskelgruppen beansprucht. Plogging beinhaltet neben dem Laufen eine große Bandbreite von Übungen: Beugen, Strecken, Dehnen, Tragen, In-die-Hocke-gehen usw. Somit werden neben der Bein- und Pomuskulatur auch die Muskeln an Rücken, Schultern und Armen trainiert. Dazu wird der mitgetragene Müllsack auch immer schwerer; durch das Aufheben und Tragen werden Arme und Schultern sowie das gesamte Herz-Kreislauf-System kräftig mit aktiviert.
Dadurch ist Plogging natürlich auch wesentlich anstrengender als eine mehr oder weniger „gemütliche“ Jogging-Runde. Es sei vergleichbar mit einem Ganzkörper-Intervalltraining, wie Sabine Kind, Fitnessexpertin und Dozentin an der Saarbrückener Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie erklärt.5 Die Expertin rät dazu, jede Runde Plogging durch gezielte Übungen noch zu intensivieren, etwa durch tiefe Kniebeugen bei jedem Bücken nach einem Stück Müll, kleine Hocksprünge zwischendurch oder auch ab und zu mal eine Standwaage. So kann man gleich noch zusätzlich Beine und Po kräftigen und das Gleichgewicht trainieren.
Auch Krankenkassen unterstützen den neuen Läufer-und-Sammler-Trend. Wie z.B. die Techniker Kasse (TK) erläutert, sei es nicht nur allgemein bekannt, dass Ausdauersport wie Jogging Herz und Kreislauf stärke, die Stimmung hebe und zahlreichen Krankheiten, darunter Typ-2-Diabetes, vorbeugen könne.6 Plogging mache, so die TK, die gesundheitlichen Effekte des Joggens noch effektiver. Und es bringe durch das zusätzliche Müllfinden und -aufräumen auch mehr geistige Abwechslung ins sportliche Spiel – nicht zu vergessen die Befriedigung darüber, sich aktiv als Umweltschützer zu Fbetätigen.
Risiken und Nebenwirkungen: kaum vorhanden!
Beim Plogging gelten zum Einen dieselben Regeln und Einschränkungen, die auch beim Jogging gelten, zum Anderen die Tipps der klassischen Rückenschulen. Insbesondere bei Rückenproblemen sollte man schwere Gegenstände nicht aus dem Stand heraus vom Boden aufheben, sondern zuvor in die Knie gehen. Ansonsten sind kaum unerwünschte Nebenwirkungen des Ploggings zu befürchten – mal abgesehen von der grassierenden Ansteckungsgefahr!
Personen, denen das klassische Jogging bzw. Plogging zu anstrengend scheint, und Menschen, die mit Gelenk- oder Herz-Kreislauf-Problemen zu kämpfen haben, können sich trotzdem „ploggend“ betätigen, etwa indem sie ganz einfach als Walker, Wanderer oder Spaziergänger mit Abfalltüte und Handschuhen unterwegs sind. Fürs Müllaufsammeln beim Walking oder Spazierengehen haben sich Kreative im Internet auch schon einen Begriff einfallen lassen: Plalking! Wie auch immer man es nennen möchte – auch eine geringere sportliche Intensität verringert den hohen Sinn- und Spaßfaktor und die nachhaltige Wirkung sicher nicht!
Handschuhe für die Hygiene
Wie die Lauf- und Plogging-Expertin Sabine Kind (von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie) erläutert, ist eine besondere Plogging-Ausrüstung nicht nötig. Neben der üblichen Jogging-Ausstattung brauche man nur einen Müllsack und ein paar stabile, gut sitzende Handschuhe, zum Beispiel einfache Arbeitshandschuhe aus dem Baumarkt.5
Sie schützten, so Sabine Kind, die Hände beim Müllaufsammeln vor Schmutz und Verletzungen, zum Beispiel beim Aufsammeln von Scherben oder bei einem Griff in dorniges Gebüsch. Statt eines Müllsacks könne auch ein alter Sportbeutel auf dem Rücken getragen werden; besonders hygienisch sei auch ein großer Rucksack, den man zusätzlich innen mit einem Müllsack auslegen könne. Für eine optimale Hygiene rät die Techniker Krankenkasse zudem, sich mit den benutzten Handschuhen niemals ins Gesicht zu fassen, sie nach der Plogging-Runde immer in einer Plastiktüte zu verstauen und anschließend die Hände gründlich zu waschen.6
Einige Plogger, denen der mitgetragene Müllsack ein wenig Verdruss bereitet, haben übrigens angeregt, einen speziellen „Plogging-Gürtel“ zu entwickeln, an dem der Müllsack praktischerweise befestigt werden könne. Wetten, dass die Fitness-Industrie damit bald um die Ecke kommt?
Mitmachen? Überhaupt kein Problem!
Bei aller Begeisterung und vielen tausend Anhängern – es gibt durchaus auch noch viele Leute, die die „sprintenden Müllschlucker“ schräg anschauen und mit spöttischen Bemerkungen bedenken. Doch davon lassen sich überzeugte Plogger nicht abschrecken. Das betont auch Anita Horn, eine der führenden Plogging-Organisatorinnen in Köln. Im Deutschlandfunk berichtete sie, dass besonders „freundliche“ Zeitgenossen ihrer Laufgruppe sogar schon ihren Müll vor die Füße geworfen hätten. „Es gibt nichts, was wir noch nicht erlebt haben“, sagt Horn.7
Aber Aufmerksamkeit zu erregen, sei schließlich auch genau das, was Plogger wollten: „Wir möchten die Leute darauf aufmerksam machen, dass sie doch bitte ihren Müll in den Mülleimer werfen und pfleglich damit umgehen, damit wir es alle schön haben“, sagt die Aktivistin.
Wer selbst mitmachen und sich einer Gruppe anschließen möchte, wird im Internet mühelos fündig werden – zumindest wenn er oder sie in einer größeren Stadt lebt. Deutschland ploggt – das beweisen viele verschiedene Aktionen und Gruppierungen von Nord bis Süd, von West bis Ost. Hier nur ein paar Beispiele: Die Stadt Hamburg integriert inzwischen Plogging ganz selbstverständlich in die Stadtputzaktion „Hamburg räumt auf“. In Köln lädt die öffentliche Gruppe „Plogging Cologne“ mit bereits mehreren hundert Mitgliedern zum Mitmachen ein, Plogging im benachbarten Bonn findet sich auf der Webseite des Vereins „Bunter Kreis“. In Leipzig veranstaltet der Bund für Umwelt und Naturschutz Plogging-Events, in Frankfurt am Main rennt und sammelt das Team „CleanFFM“.
Viele Gruppen aus deutschen Städten sind bei Facebook, Instagram oder auf Twitter vertreten. Einen Überblick über alle deutschen Plogging-Aktivitäten findet man zum Beispiel auf der Facebook-Seite „Plogging Germany“
Einige weitere Links zu Plogging-Gruppen und Aktivitäten aus größeren Städten:
Also, worauf warten Sie noch? Viel Spaß beim Plogging – und ein dickes Dankeschön von der Natur!
Quellenangaben (Stand 06.05.2019):
1 https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/schweden-muellsammeln-100.html
2 https://www.instagram.com/explore/tags/plogging/?hl=de
4 https://www.unicum.de/de/studentenleben/freizeit/plogging
5 https://www.fitbook.de/fitness/plogging-foedert-umwelt-und-gesundheit
6 https://www.tk.de/techniker/magazi/sport/sporttrends/plogging-2060770
Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.