„Glubschaugen“: nicht so harmlos, wie der Name vermuten lässt
„Glubschaugen“: das ist erst einmal ein ziemlich flapsiger Ausdruck für große, vielleicht auch intensiv blickende Augen, die aus den Augenhöhlen hervortreten. Doch eigentlich steht diese zunächst harmlos klingende Bezeichnung für ein Krankheitsbild, das keineswegs unterschätzt werden sollte. Hervortretende Augen (medizinisch Exophthalmus) sind in aller Regel das Symptom einer ernstzunehmenden Erkrankung und damit weit mehr als nur ein ästhetisches Problem. Für die Betroffenen können „Glubschaugen“ nicht nur körperlich, sondern auch psychisch eine große Belastung darstellen.
Was sind Glubschaugen?
Glubschaugen sind der umgangssprachliche Begriff für den sogenannten Exophthalmus, auch Protrusio bulbi oder Proptosis bulbi genannt. Die lateinischen Fachbegriffe können mit „Herausstehen des Auges“ oder „Hervorwölbung des Augapfels“ übersetzt werden. Der etwa 2,5 cm große Augapfel mit Muskeln, Nerven, Gefäßen, Fett- und Bindegewebe sowie der Tränendrüse liegt sicher eingebettet in der Augenhöhle im Kopf, der sogenannten Orbita. Diese bietet dem gesamten Auge normalerweise genügend Platz, um den Augapfel (Bulbus oculi) nur leicht aus den Augenhöhlen hervortreten zu lassen. Manchmal kann es allerdings durch verschiedene Erkrankungen zu einer Schwellung des in der Augenhöhle liegenden Gewebes kommen. Da der natürliche Platz in der knöchernen Höhle begrenzt ist, muss in diesen Fällen der Augapfel nach außen treten.
Bei den „Glubschaugen“ handelt es sich nicht einfach um große Augen, die auf viele ja attraktiv wirken. In den meisten Fällen wirken Menschen mit stark hervortretenden Augen eher ein wenig grotesk, ihr Blick ist oft starr oder wirkt erschreckt („Blick aus weit aufgerissenen Augen“), das Zwinkern ist erschwert, in schweren Fällen sogar unmöglich. Dadurch trocknet das Auge häufig aus, sodass es zu Entzündungen und sogar zu Hornhautrissen kommen kann. In schwereren Fällen wird auch der Sehnerv geschädigt, es drohen Sehstörungen bis hin zum Verlust des Sehnervs.
Hervortretende Augen: Symptom unterschiedlichster Grunderkrankungen
Das Auftreten der Glubschaugen kann auf ganz unterschiedlichen Ursachen beruhen. Bei manchen zugrundeliegenden Erkrankungen tritt nur ein Auge hervor, dies wird meist als ein Anzeichen für eine Verletzung, eine Entzündung oder auch eine Krebserkrankung (gut- oder bösartiger Tumor in der Augenhöhle) gedeutet. So kann sich etwa ein Abszess oder andere eitrige Entzündungen (Orbitaphlegmone) gebildet haben, auch die Augenmuskulatur kann entzündet sein. Ebenso kann ein heftiger Sturz oder ein Schlag aufs Auge, evtl. mit Bruch der Augenhöhle, ein „Glubschauge“ verursachen.
Selbst eine sehr starke Kurzsichtigkeit kann der Grund für einen Exophthalmus sein, da hierbei der Augapfel besonders lang ist und daher mehr Platz in der Augenhöhle benötigt als vorhanden ist. Daneben gibt es auch mögliche Ursachen, die gar nicht in der Augenhöhle selbst liegen, darunter bestimmte Gefäßanomalien im Gehirn.
Bei den meisten Exophthalmus-Fällen sind beide Augen betroffen. Ursache hierfür sind dann sehr häufig zwei Schilddrüsenerkrankungen, nämlich die Basedow-Erkrankung, auch Morbus Basedow genannt, und eine spezielle Form der Schilddrüsenentzündung, die sogenannte Hashimoto-Thyreoiditis. Etwas seltener kann auch noch die sogenannte Schilddrüsenautonomie, eine Form der Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), verantwortlich für die Glubschaugen sein. Hierbei setzen – meist bei älteren Menschen – selbstständige Gebiete in der Schilddrüse einen Überschuss an Hormonen frei.
Die endokrine Orbitopathie: häufigste Ursache für Glubschaugen
Verursachen diese Erkrankungen die Glubschaugen, spricht man von einer endokrinen Orbitopathie und meint damit eine autoimmun-entzündliche Krankheit der Augenhöhle, an der die Schilddrüse (meist mit einer Überfunktion) beteiligt ist. Bei der endokrinen Orbitopathie, von der besonders häufig Frauen in ihrer Lebensmitte betroffen sind, kommt es neben dem unnatürlichen Hervortreten des Auges außerdem zu Störungen der Augenbeweglichkeit, Schwellungen der Lider und der Bindehaut, trockenen Augen, Hornhautentzündungen und Sehstörungen.
Die endokrine Orbitopathie kann ganz unterschiedlich verlaufen und sich manchmal erst nach Jahren bemerkbar machen. Die Schilddrüsenüberfunktion wird dabei zuweilen erst entdeckt, wenn die Augen schon eine ganze Weile Probleme machen. Die Patienten haben es oft zunächst mit entzündlichen Prozessen an den Augen zu tun, mit Rötungen, Schwellungen, Druckgefühl und häufig tränenden Augen. Erst im weiteren Verlauf zeigt sich dann das unnatürliche Hervortreten des Augapfels mit den oben genannten Symptomen. Nicht immer sind beide Augen gleichermaßen betroffen. Neben diversen Beschwerden und Auffälligkeiten am Auge (u.a. deutlich sichtbares Augenweiß unter dem oberen Lid, unvollständiger Lidschluss, Fremdkörpergefühl, verschwommenes Sehen, erhöhte Lichtempfindlichkeit) tritt beim Morbus Basedow (benannt nach dem Entdecker der Krankheit, dem Merseburger Arzt Karl Adolf von Basedow) klassischerweise, aber nicht immer, der sogenannte Merseburger Trias auf. Dabei handelt es sich um ein dreiteiliges Symptombild aus Glubschaugen, Herzrasen und einer Vergrößerung der Schilddrüse, die sich in einem deutlich sichtbaren Kropf am Hals zeigt.
Immer ein Fall für den Facharzt
Mit hervortretenden Augen sollte man in jedem Fall zum Arzt gehen, egal ob sie als alleiniges Symptom oder zusammen mit anderen Beschwerden auftreten. Bei einer akuten Verletzung, etwa durch einen Schlag oder Sturz, wird man sich ohnehin sofort behandeln lassen – und das ist auch gut so, denn Verletzungen am Auge sind gefährlich und müssen schnell durch einen Facharzt therapiert werden.
Etwas länger wird meist mit dem Arztbesuch gewartet, wenn keine klaren Symptome vorliegen. Eine Augenentzündung wird oft mit Hausmitteln oder rezeptfreien Augentropfen behandelt, Schilddrüsenerkrankungen zeigen sich häufig zunächst in Beschwerden, die einer anderen Ursache zugeordnet werden, etwa in Müdigkeit und Antriebslosigkeit, oder im Falle der Schilddrüsenüberfunktion durch Unruhe, Schwitzen, unerklärbare Gewichtsabnahme, starkes Herzklopfen und Schlafstörungen.
Wird dann doch der Arzt – oft erst einmal der Hausarzt – aufgesucht, wird dieser an den Augenarzt überweisen, bei Verdacht auf Schilddrüsenbeteiligung an einen Endokrinologen, also einen Facharzt für Drüsenerkrankungen. Wird schließlich die Diagnose endokrine Orbitopathie gestellt, stimmen sich die Fachärzte bei der nachfolgenden Behandlung ab.
Umfangreiche Untersuchungen führen zur Diagnose
Bevor es bei einem Menschen mit Exophthalmus zu einer klaren Diagnose kommt, müssen mitunter umfangreiche und langwierige Untersuchungen durchgeführt werden. Schließlich muss er Grund für das Hervortreten des Auges oder der Augen gefunden werden, um dann entsprechend behandeln zu können. Der Augenarzt wird nach einem ausführlichen Anamnese-Gespräch mit dem Patienten zunächst einen Sehtest und eine umfassende Augenuntersuchung durchführen. Um die Augenvorwölbung genau zu vermessen, wird ein spezielles Diagnosegerät eingesetzt, das Exophthalmometer. Je nach Verdacht können dann auch noch Untersuchungen der Augenhöhle mittels Röntgen, Ultraschall, Computertomographie oder Kernspintomographie-Untersuchungen folgen. Zugleich wird der Augenarzt ggf. eine Blutuntersuchung anordnen, um eine mögliche Schilddrüsenstörung und andere entzündliche Prozesse im Körper zu ermitteln bzw. auszuschließen. Wird eine Schilddrüsenanomalie entdeckt, erfolgt dann die Überweisung zum entsprechenden Facharzt, also dem Endokrinologen.
Behandlung je nach Ursache
Die Behandlung richtet sich immer nach der diagnostizierten Grunderkrankung. Liegt eine Schilddrüsenüberfunktion bzw. eine endokrine Orbitopathie zugrunde, muss der Patient regelmäßig Schilddrüsenblocker einnehmen und parallel die Schilddrüse kontinuierlich vom Arzt kontrollieren lassen. Manchmal kommt auch eine Entfernung der Schilddrüse durch eine Operation in Frage.
Nicht immer kommt es durch die medikamentöse Behandlung der Schilddrüse auch zu einer deutlichen Verbesserung der Augenveränderungen. Dann muss der Exophthalmus noch gezielter behandelt werden, etwa mit Kortison oder Bestrahlungen.
Liegt eine entzündliche Erkrankung der Augenhöhle vor, wird meist ein Antibiotikum verordnet. Tumoren in der Orbita können operativ entfernt oder mit Chemotherapie und Bestrahlungen bekämpft werden.
Daneben wird auch symptomatisch behandelt, vor allem um weitere Schädigungen der Augen zu vermeiden. Gegen das Austrocknen der Augen gibt es sehr wirksame Befeuchtungsmittel in Form von Tropfen, Sprays oder Gels, häufig mit dem Wirkstoff Hyaluron. Entzündungen werden mit entzündungshemmenden Präparaten bekämpft. Bei starker Lichtempfindlichkeit helfen getönte Brillengläser als Lichtschutz.
Prognose und Möglichkeiten der Vorbeugung
Leider kommt es in vielen Fällen auch durch gezielte medizinische Behandlung nicht zu einer wirklichen Verbesserung des Exophthalmus, die Glubschaugen bleiben also oft bestehen. Da viele Patienten hierunter sehr leiden, ist häufig auch eine begleitende psychotherapeutische Behandlung anzuraten.
Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, selbst „Glubschaugen“ zu entwickeln, können dies durch entsprechendes Verhalten zumindest verringern. So kann eine regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenwerte im Blut frühzeitig Veränderungen anzeigen, die dann noch gut behandelt werden können. Wer mit einer Sehschwäche oder anderen Augenproblemen zu tun hat, sollte die Augen und die Sehkraft mindestens einmal pro Jahr beim Augenarzt bzw. beim Optiker untersuchen lassen.
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Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.