Glutenfrei leben - Häufig ungesund und nicht ganz ungefährlich!
Immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei. Das eine Prozent der Bevölkerung, das an Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie) erkrankt ist, muss tatsächlich auf glutenhaltiges Getreide verzichten. Für die übrigen 99 % ist eine glutenfreie Ernährung unnötig und kann sich sogar schädlich auswirken. Denn glutenhaltiges Getreide versorgt den Körper mit Ballaststoffen, Mineralstoffen und Vitaminen, die bei glutenfreier Fertigkost weitgehend fehlen. Erfahren Sie mehr über Gluten, seine gesundheitlichen Effekte, Zöliakie und warum der Verzicht auf das Klebereiweiß nichts für Gesunde ist.
Was ist Gluten?
Gluten1 ist das Klebereiweiß in Weizen und anderen Getreiden: Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste, Grünkern, Emmer, Kamut, Einkorn, Tritordeium und Triticale sowie in ihren Produkten (Mehl, Nudeln, Brot usw). Gluten besteht u.a. aus den Eiweißfaktoren Glutelinen, Gliadinen und anderen Prolaminen. Gluten macht ca. 80 % der Proteinmenge in den benannten Getreiden aus. Bei seinem Verzehr steht weniger der Nährwert als die emulgierende („klebende“) Wirkung bei der Verarbeitung und der Geschmack im Vordergrund.
Was enthält Gluten und welche Wirkung hat es auf die Produkte?
Gluten kommt in Backwaren wie Brot, Kuchen, Torten, Kekse und Pizza sowie in Teigwaren, Fertiggerichten, Müsli, Cerealien, Panaten, Soßen, Malzbier und Bier vor. Gluten bindet Wasser, geliert und stabilisiert die Produkte. Es hält den Teig zusammen und verleiht als Emulgator den Lebensmitteln eine angenehme Konsistenz. Gluten ist zudem Träger von Aromastoffen. Ohne Gluten bröseln Brot und Kuchen und haben weniger Geschmack.
Wie viele Menschen sind von einer Gluten-Unverträglichkeit betroffen?
Die Häufigkeit liegt in Deutschland bei etwa 1 Prozent. Eine Untersuchung2 von über 12700 Kindern und Jugendlichen lässt jedoch auf eine hohe Dunkelziffer an Erkrankten in Deutschland schließen.
Was ist eine Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie)?
Zöliakie ist eine erblich bedingte Autoimmunerkrankung: Der Dünndarm reagiert immunologisch auf die Eiweißkomponenten des Glutens. Die Unverträglichkeit führt zu einer chronischen Entzündung der oberen Dünndarmschleimhaut und zur Rückbildung der Darmzotten (Ausstülpungen).
Dadurch können die Nährstoffe nicht mehr ausreichend aufgenommen werden. Folge können neben Bauchschmerzen, chronischem Durchfall und Fettstühlen auch Mangelzustände wie Wachstumsstörungen des Kindes, Eisenmangel mit Anämie, Osteoporose, depressive Verstimmungen sowie langfristig Darmtumore sein. Die Krankheit kann auch ohne die typischen Symptome auftreten, weshalb sie meist zu spät diagnostiziert wird.3
Wie kann eine Gluten-Unverträglichkeit zuverlässig diagnostiziert werden?
Wenn der Verdacht auf eine Gluten-Unverträglichkeit besteht, sollte nicht mit glutenfreier Ernährung experimentiert, sondern zuerst ein Gastroenterologe aufgesucht werden. Eine glutenfreie Diät erschwert die Diagnose, da die spezifischen Antikörper im Blut abgebaut werden.
Für eine sichere Diagnose werden Bluttests auf IgA-Antikörper und die Zöliakie-typischen Antikörper durchgeführt. Unausweichlich ist eine Dünndarmbiopsie, um die krankhafte Veränderung der Darmschleimhaut festzustellen. Auch ein Gentest ist möglich. Daneben bieten die Krankheitssymptome und die Besserung der Beschwerden bei glutenfreier Ernährung Anhaltspunkte für die Erkrankung.4
Wie sieht eine gesunde Ernährung bei einer Zöliakie aus?
Bei einer Zöliakie muss lebenslang auf Gluten verzichtet werden. Alternativen sind z.B. Buchweizen, Hirse, Mais, Reis, Amaranth, Quinoa, Mehl aus Reis, Kastanien, Kichererbsen, Linsen, Lupinen, Traubenkernen, Hanf, Nüssen, Mandeln und Rapskernen.5 Alternativen als Bindemittel bieten z.B. Johannisbrot- und Guarnkernmehl, Kartoffel- und Maisstärke, Chia- und Leinsamen sowie pulverisierter Flohsamen – alles Produkte, die Vital- und Ballaststoffe enthalten. Auch Pektin, Agar-Agar, Ahornsirup, Honig und Eier können als glutenfreie Bindemittel fungieren.
Glutenfreie Fertigprodukte werden durch das Symbol einer durchgestrichenen Getreideähre gekennzeichnet. Hersteller finden Sie auf der Seite von der dzg-online.6 Beispiele für glutenfreie Rezepte7 gibt es auf der Website der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V.8
Wie viele Menschen verzichten auf Gluten in ihrer Nahrung?
Nicht nur in den USA, auch in Deutschland ist die glutenfreie Diät zunehmend Trend. Nach einer Umfrage verzichten 3,4 % vollständig auf Gluten, 14,8 % zum Teil. Und das, obwohl bei 88 % der Befragten keine ärztlich bescheinigte Gluten-Unverträglichkeit vorliegt.9
Warum verzichten Menschen ohne Zöliakie auf Gluten?
Schauspielerinnen schwärmen von dem Gesundheits- und Abnehmeffekt der glutenfreien Kost. Die Fans machen es nach. Daneben verleiten Diät-Bücher dazu, Gluten vom Speiseplan zu streichen. Die Industrie der 2-4-mal so teuren glutenfreien Produkte freut sich über das neue Klientel.
Gluten ist jedoch für 99 % der Bevölkerung nicht schädlich. Es kann problemlos abgebaut werden und es besteht kein Grund, das Proteingemisch aus der Küche zu verbannen. Gesunde Ernährung ist immer noch ganz einfach definiert: Gemüse, Obst, Vollkornprodukte (bei Zöliakie ohne Gluten), 1-2-mal Fisch in der Woche. Wer sich dazu noch bewegt, kann so viel Gluten essen, wie er will. Es wird ihm, wie schon in den letzten Jahrtausenden auch, nicht schaden, im Gegenteil.
Welche positiven Effekte haben Gluten bzw. Vollkornprodukte auf den Körper?
Der Körper braucht nicht Gluten selbst, sondern das ganze „Paket“ Lebensmittel, das Gluten enthält, d.h. Vollkornbrot, Vollkornnudeln usw. Gluten selbst hat keine nachweisliche Relevanz auf die Gesundheit. Sehr wohl aber die Vollkornprodukte, die zur glutenhaltigen Ernährung dazu gehören. Ihre Ballaststoffe senken den Blutzuckerspiegel, vermeiden Glukoseintoleranz als Vorstufe für Diabetes-Typ-2 und Heißhungerattacken als Mitursache für Gewichtszunehme. Außerdem sind sie Voraussetzung für eine gesunde Darmflora und ein intaktes Immunsystem. Ihre Vitalstoffe nähren den Körper und gewährleisten den Ablauf der Stoffwechselprozesse.
Warum schaden wir uns gesundheitlich bei einem Verzicht auf Gluten?
Neben einer möglichen Mangelernährung, die bei glutenfreien Fertigprodukten auftreten kann, ist diese einseitige Art der Ernährung auch schädlich für das Herz. Das fanden Wissenschaftler an der Columbia University New York und Harvard School of Medicine in einer Studie heraus.10
Die Frage war, ob Gluten eine schädigende Wirkung auf das Herz hat. Die Antwort war ganz klar nein. Unabhängig von der Menge an verzehrtem Gluten blieb die Zahl der Herzerkrankungen gleich. Und: Gluten nicht nur unschädlich. Glutenhaltige Vollkornprodukte mit ihren B-Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen schützen das Herz vor Erkrankungen.
Forscher der Universität von Newcastle machten eine Studie zur gesundheitsschädigenden Wirkung glutenfreier Ernährung. Ergebnis war: Glutenfreie Ernährung kann zu einem Mangel, z.B. an Kalzium und Vitamin D, führen und die Risikofaktoren für Herzerkrankungen wie erhöhte Cholesterinwerte, Gewichtszunahme, Glukose-Intoleranz und Bluthochdruck können sich erhöhen.11
Eine Langzeitstudie an der Havard Universität in Boston ergab, dass ein höherer Verzehr an glutenhaltigen Nahrungsmitteln das Risiko, an einem Diabetes Typ 2 zu erkranken, senkt.12
Ist eine glutenfreie Ernährung vor allem für Kinder gefährlich?
Bei Kindern schlägt sich ein Nährstoffmangel noch gravierender nieder als beim Erwachsenen: Es kann zu Wachstums- und Gedeihstörungen kommen. Deshalb ist bei Kindern von einer glutenfreier Ernährung ohne eine Erkrankung an Zöliakie abzuraten.
Quellenangaben (Stand 14.05.2019)
1 https://flexikon.doccheck.com/de/Gluten
3. https://flexikon.doccheck.com/de/Zöliakie
5. https://www.dzg-online.de/files/2019_1___bersicht_glutenfreie_lebensmittel_2019.pdf
6. https://www.dzg-online.de/hersteller-glutenfreier-produkte.34.0.html
7. https://www.dzg-online.de/glutenfreie-rezepte.33.0.html Abruf 07.05.19
8. https://www.dzg-online.de/homepage.1.0.html
10. https://www.sciencedaily.com/releases/2017/05/170502204553.htm
Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.