Hebamme im Interview: "Der ganz besondere Moment im Leben"
Seit 2014 betreibt Hebamme Alexandra Heim die Praxis "Schwanger in Nürnberg" im Stadtteil Schweinau. Während und nach ihrer Ausbildung machte sie Station in Würzburg, Frankfurt und Altdorf und lernte dort die verschiedenen Facetten der Geburtshilfe kennen. Mit apomio.de spricht Sie am Welthebammen-Tag über das Berufsfeld, intensive Berufs-Erlebnisse und die problematische Zukunft der Geburtshilfe.
apomio.de: Frau Heim, Sie sind seit zwei Jahren freiberufliche Hebamme in Nürnberg. War Hebamme schon immer ihr Wunsch-Beruf?
Alexandra Heim: „Nein. Viele haben den Wunsch von Anfang an, aber bei mir war das nicht so. Nach dem Abitur wusste ich so langsam, dass ich in die medizinische Richtung gehen möchte. In einer Kinderklinik habe ich dann als Schwesternhilfe gearbeitet und hatte zufällig die Möglichkeit mal mit in den Kreissaal zu gehen, weil eine Freundin von meiner Mutter in diesem Krankenhaus Hebamme war. Ich war einen Tag dabei und habe mir gedacht: Das ist genau das was ich will.“
apomio.de: Und dann war’s um Sie geschehen?
Heim: „Ja, genau. Ab dann habe ich mich beworben und es hat zum Glück auch gleich geklappt“
apomio.de: Wo und wie kann man sich denn zur Hebamme ausbilden lassen?
Heim: „Die Ausbildung kann man an staatlichen Hebammenschulen machen. Die sind angegliedert an große Kliniken, normalerweise Unikliniken. Über Deutschland verteilt gibt es ein paar. Inzwischen bieten auch zwei Universitäten Hebammenwesen als duales Studium an.“
apomio.de: Was gehört alles zum Aufgabenfeld einer Hebamme? Man hat immer nur das Bild von skurrilen Atemübungen von Mann und Frau im Kopf.
Heim lacht: „Das sind die Klassiker, die es in den amerikanischen Filmen immer gibt. So läuft der Geburtsvorbereitungskurs gar nicht ab. Es geht eher um Informationsvermittlung, Körper- und Entspannungsübungen, aber da müssen die Teilnehmer nicht hecheln. Die Arbeit einer Hebamme fängt in der Regel bei der Frühschwangerschaft an. Es geht in vielen Fällen aber auch schon um die Kinderwunschberatung. Eine wichtige Aufgabe ist die Schwangerschaftsvorsorge, ähnlich wie die Gynäkologen das auch machen. Der Unterschied ist, dass wir keinen Ultraschall benutzen. Mit den Händen können wir ertasten, wie das Baby im Bauch liegt. Die Begleitung während der Geburt gehört auch zur Tätigkeit der Hebamme. Egal ob im Krankenhaus, bei einer Hausgeburt oder im Geburtshaus, die Hebamme leitet die normal verlaufende Geburt, nicht der Arzt. Treten Komplikationen auf, wird dann ein Arzt hinzugezogen. Nach der Geburt gibt es dann die Wochenbettbetreuung. Die geht über die ersten acht Lebenswochen des Kindes. Da kommt die Hebamme regelmäßig nach Hause und untersucht Mutter und Kind, schaut, wie Geburtsverletzungen heilen, unterstützt beim Stillen oder hilft Frauen, die nicht stillen wollen und kontrolliert das Gewicht des Kindes. Natürlich beantwortet man viele Fragen und kümmert sich um die Sorgen der Eltern.“
apomio.de: Die wahrscheinlich groß sind.
Heim: „Richtig. Es ist aber auch so, dass wir medizinisch arbeiten und nicht nur zum Kaffee vorbei kommen. Hebammen arbeiten viel präventiv.“
apomio.de: Die Nachsorge und Rückbildungskurse fallen also auch in das Fachgebiet einer Hebamme.
Heim: „Genau. Wenn die ersten acht Lebenswochen des Babys vorbei sind geht es weiter mit sogenannten Stillberatungen, das heißt Frauen können noch bis zum ersten Geburtstag des Kindes die Hilfe der Hebamme in Anspruch nehmen, wenn sie Stillprobleme haben oder wenn es um die Beikosteinführung geht. Auch Rückbildungsgymnastik ist die Aufgabe der Hebamme.“
apomio.de: Was genau ist Rückbildungsgymnastik?
Heim: „Bei der Rückbildungsgymnastik sollen im Prinzip alle Muskelgruppen die durch die Schwangerschaft gedehnt wurden wieder kräftig werden und Stabilität bekommen. Das heißt hauptsächlich Bauchmuskeln werden trainiert, Beckenbodenmuskeln und auch Scheidenmuskeln.“
apomio.de: Als Hebamme erlebt man sicher viele Ausnahmesituationen. Doch was war das intensivste Erlebnis in Ihrer bisherigen Laufbahn?
Heim: „Das intensivste Erlebnis? Obwohl die Arbeit irgendwann einfach zum Alltag wird, ist es für die Familien der ganz besondere Moment im Leben. Oft erlebt man diesen Moment auch nur einmal. In diesem Moment muss man eigentlich erst mal inne halten in dem ganzen Trubel und wirklich sagen, das ist ein Wunder.“
apomio.de: Was würden Sie sagen: Hebamme – Beruf oder Berufung?
Heim: „Ich denke, dass man schon dafür geeignet sein muss. Es ist nicht so, dass man nur mit Babys kuschelt – das denken viele. Es geht um ganz viel mehr und man braucht schon gewisse Fähigkeiten, um auf Dauer in dem Beruf gut zu sein. Es ist schon ein Teil Berufung, denn man schaltet abends nicht einfach ab. Man hat eben nicht den regulären Feierabend, Kinder werden auch abends und nachts mal krank oder am Wochenende. Man muss schon darin aufgehen.“
apomio.de: Man nimmt die Fälle also schon mit nach Hause?
Heim: „Ein Stück weit schon. Man muss sich aber auch abgrenzen, weil es auch nicht immer nur schön ist. Man ist wirklich Allrounder. Von psychologischem Trösten über Lebenshilfe und medizinische Versorgung. Man muss schon dafür gemacht sein, glaube ich.“
apomio.de: Wer kann sich an eine Hebamme wenden?
Heim: „Können alle Frauen, die entweder einen Kinderwunsch haben und Fragen haben oder dann von der frühen Schwangerschaft an bis wirklich zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes.“
apomio.de: Gibt es einen richtigen Zeitpunkt um sich an eine Hebamme zu wenden?
Heim: „Es ist so, dass es immer weniger Hebammen gibt, weil die Berufsbedingungen nicht so günstig sind. In Nürnberg ist es mittlerweile so, dass man so früh wie möglich sich melden soll. Das Beste wäre wirklich sobald man weiß man ist schwanger, oder spätestens so bis zur zwölften Woche.“
apomio.de: Welche Vorteile hat die Familie von der Betreuung einer Hebamme?
Heim: „Es ist so, dass wir neben dem reinen schulmedizinischen Weg versuchen dieses alte Hebammen-Wissen zu bewahren. Wir arbeiten mit verschiedenen Hausmitteln oder auch mit Komplementärmedizin. Hebammen geben bei verschiedenen Schwangerschaftsbeschwerden Hilfestellung. Wenn etwa der Rücken weh tut gibt es verschiedene Techniken den Rücken zu entlasten, sodass man schmerzfrei weiter schwanger sein kann. Ansonsten ist es so, dass Hebammen Wert darauf legen, dass die Frauen ein gutes Körpergefühl und Körpergespür entwickeln, für sich und ihr Kind. Ich finde es zum Beispiel immer ganz erschreckend, wenn Frauen sich nicht trauen auf den Bauch zu langen und auch noch nicht erlebt haben, dass jemand den Bauch wirklich abtastet. Es ist ganz toll wenn man ihnen zeigen kann, hier ist der Popo von deinem Kind, hier ist der Rücken, da hast du einen Fuß in der Hand und da unten liegt das Köpfchen.“
apomio.de: Wie sieht es mit den Kosten aus: Kommt die Krankenkasse für eine Hebamme auf?
Heim: „Ja. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen alle Hebammenleistungen von der Frühschwangerschaft an bis das Kind ein Jahr alt ist. Die privaten Krankenkassen müssen die Kosten eigentlich auch übernehmen, außer sie haben es vorher explizit aus dem Vertrag ausgeklammert.“
apomio.de: Man hört immer wieder von den teuren Versicherungen, die Hebammen abschließen müssen, wie ist die momentane Situation?
Heim: „Es ist so, dass in den letzten Jahren die Berufs-Haftpflicht-Beiträge immer höher wurden. Es gibt zwar immer weniger Schadensfälle in der Geburtshilfe, die Haftpflichtbeiträge gehen trotzdem in die Höhe, jedes Jahr um 20 Prozent. Das ist schon echt `ne Nummer. Die Vergütung für die einzelne Geburt ist natürlich nicht um 20 Prozent angestiegen. Das heißt, dass man immer mehr Geburten machen muss um überhaupt erst einmal die Haftpflicht-Summe zu erwirtschaften. Man muss schon auch mit seiner Arbeit Geld verdienen, sonst ist es einfach ein sehr teures Hobby.“
apomio.de: Also haben Sie die Reißleine gezogen und sich aus der Geburtshilfe zurückgezogen.
Heim: „Richtig. Und das haben ganz viele Kollegen auch so gemacht, weil‘s einfach nicht mehr ging. Das betrifft auch die Klinik-Hebammen. Sie zahlen genau die gleiche Haftpflicht-Summe und viele kleine Krankenhäuser mussten schon die Geburtshilfe schließen. Das ist ein ganz schlimmer Trend.“
apomio.de: Wer begleitet denn die Geburt, wenn keine Hebamme mehr zu Verfügung steht?
Heim: „Das ist eine gute Frage, weil es ist gesetzlich verankert, dass zu jeder Geburt eine Hebamme hinzugezogen werden muss, die die normalen Geburten leiten. Wenn es wirklich so ausgeht, dass Geburten ohne Hebammen stattfinden ist das ein Gesetzesverstoß. Eigentlich ist der Staat gefordert eine Lösung zu finden damit die Frauen auch wieder gut entbinden können. Aktuell wird sogar diskutiert ob es überhaupt noch eine Versicherung für Hebammen geben wird.“
apomio.de: Was würde passieren, wenn es keinen Versicherungsschutz für Hebammen mehr gäbe?
Heim: Dann müssen die Frauen alleine Gebären.
apomio.de: Frau Heim, wir bedanken uns für dieses interessante Interview, die Einblicke und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute! [caption id="attachment_1712" align="alignleft" width="300"] Im Interview: Alexandra Heim in Ihrer Hebammen-Praxis in Nürnberg[/caption]
Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.