Hodenhochstand: Formen und Behandlung
Die Unfruchtbarkeit beim Mann kann angeboren, dauerhaft erworben oder beispielsweise nach hochfieberhaften Erkrankungen ein vorübergehender Zustand sein. Zu den angeborenen Störungen gehören neben den genetischen Veränderungen unter anderem auch der sogenannte Hodenhochstand. Was versteht man unter einem Hodenhochstand? Wann wird dieser diagnostiziert? Welche Symptome liegen vor? Mehr dazu im folgenden Beitrag.
Was versteht man unter einem Hodenhochstand?
Ein Hodenhochstand, auch Hodenretention oder Maldescensus testis bezeichnet, liegt vor, wenn sich ein Hoden oder beide Hoden nicht im Hodensack befinden, sondern in der Leiste (Leistenhoden) oder im Bauchraum (Bauchhoden) platziert sind. In diesem Fall liegt eine Lageanomalie der Keimdrüsen vor, welche in drei Prozent der termingemäß geborenen männlichen Babys festzustellen ist. Die Hoden werden beim Fötus während der Embryonalentwicklung im Bauchraum, in der Nierengegend, angelegt und wandern im Laufe der Entwicklung des Ungeborenen über den Leistenkanal hinunter zum Hodensack, da die Keimdrüsen zur Produktion der Spermien eine niedrigere Temperatur benötigen als die, die im Bauchraum vorliegt – bereits bei der Geburt des Kindes sollten die Hoden üblicherweise im Hodensack tastbar sein, da die Hoden in der Regel im siebten Schwangerschaftsmonat den Leistenkanal erreichen und zum Zeitpunkt der Geburt in den Hodensack gewandert sind. In manchen Fällen kommt es zu einer Verzögerung des Vorgangs, welcher zum Zeitpunkt der Geburt eigentlich hätte beendet sein sollen: Der Hodenhochstand wird unmittelbar nach der Geburt durch den Kinderarzt diagnostiziert – ist der Hoden nicht tastbar, spricht man zunächst von einem „verborgenen Hoden“, im medizinischen Fachjargon Kryptorchismus. Für den neugeborenen Jungen ist dies nicht schmerzhaft. Zur Diagnose eines Hodenhochstands wird der Hodensack des Kindes in liegender, sitzender und aufrechter Stellung abgetastet, da sich die Hoden in jeweils unterschiedlichen Lagen befinden. Häufig „wandern“ die Hoden auch noch nach der Geburt eigenständig in den Hodensack und verbleiben so nicht mehr irgendwo auf ihrem üblichen Weg, sodass es keiner weiteren Behandlung bedarf. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Hoden in den ersten sechs Lebensmonaten noch spontan nach unten in den Hodensack wandert ist ebenfalls noch sehr hoch. Nach Beendigung des sechsten Lebensmonats sollte allerdings mit einer Therapie begonnen werden, sofern sich die Hoden nach wie vor immer noch nicht im Hodensack befinden.
Risiken eines Hodenhochstands
Bei einem Hodenhochstand, ist das Risiko, im Laufe des Lebens an einem Hodentumor zu erkranken, erhöht. Ein Hodentumor kann normalerweise gut ertastet werden, wenn sich der Hoden im Hodensack befindet. Bei einem hochstehenden Hoden würde ein daran befindlicher Tumor wahrscheinlich erst zu spät erkannt werden. Auch kann ein Hodenhochstand die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen, da es den Keimdrüsen im Bauchraum auf Dauer zu warm ist und eine niedrigere Temperatur als die allgemeine Körpertemperatur für die Spermienproduktion nötig ist. Wird ein Hodenhochstand therapiert, so kann die Zeugungsfähigkeit verbessert bzw. erhalten werden.
Formen des Hodenhochstands
Neben den verschiedenen Bezeichnungen eines Hodenhochstands, wie beispielsweise Retentio testis oder Hodendystopie, existieren auch unterschiedliche Formen des Hodenhochstands. Zu den besonderen Formen zählen:
- Pendelhoden: Ein Pendelhoden befindet sich zeitweise im Hodensack und zeitweise im Leistenkanal. Durch den Zug des Hodenheber-Muskels, dem Musculus cremaster, können sich die Hoden in den Leistenkanal - als Reaktion auf äußere Reize, wie Kälte oder Berührung – zurückziehen. Die Diagnosestellung durch den Arzt ist in diesem Fall erschwert, da nicht zu hundert Prozent sichergestellt werden kann, ob ein Pendelhoden oder ein tatsächlicher Hodenhochstand vorliegt. Häufig muss der behandelnde Arzt auf die Aussagen der Eltern vertrauen, ob der Hoden schon einmal im Hodensack des Kindes getastet werden konnte. Ein Pendelhoden selbst ist nicht therapiebedürftig.
- Gleithoden: Ein Gleithoden liegt vor, wenn sich dieser zwar in den Hodensack hinunterziehen lässt, aber auch schnell wieder nach oben gelangt. Ein spontanes Vorhandensein im Hodensack ist nicht zu erwarten. Aus diesem Grund muss ein Gleithoden chirurgisch behandelt werden, weil sich die Hoden niemals von selbst im Hodensack befinden werden.
- Hodenektopie: Unter einer Hodenektomie versteht man, das Zurückbleiben des Hodens auf einem nicht normalen Abstiegsweg, sondern an einer Stelle, wo sich die Hoden nicht befinden sollten. Je nach lateinisch formulierter Lokalisation unterscheidet der Arzt dann folgende Hodenektomie-Variationen:
- epifaszial-inguinale Hodenektopie (im Leistenbereich oberhalb der Faszie)
- femorale Hodenektopie (im Oberschenkelbereich)
- perineale Hodenektopie (im Afterbereich)
- transverse Hodenektopie (quer zur Körperachse verschoben)
- penile (im Penisbereich) oder penodorsale (auf dem Penisrücken) Hodenektopie
Ursache für einen Hodenhochstand
Selten ist die Ursache für einen Hodenhochstand eindeutig zu benennen. Verantwortlich für einen Hodenhochstand können eine Störung im hormonellen Regelkreis sein sowie anatomische Hindernisse, die verhindern, dass der Hoden bzw. beide Hoden in den Hodensack wandern können. Bei Frühgeborenen befindet sich der Hoden oftmals noch nicht im Hodensack – ein Anzeichen der allgemeinen Unreife liegt in diesem Fall vor, welches sich zum Zeitpunkt des eigentlich errechneten Geburtstermin ändern kann. Liegt ein Hodenhochstand in Kombination mit anderen Auffälligkeiten vor, kann unter Umständen eine genetische Ursache dahinterstecken; in diesem Fall ist eine Chromosomenanalyse oder genetische Untersuchung zu empfehlen.
Symptome Hodenhochstand
Zu dem Symptom eines Hodenhochstands zählt, dass ein oder beide Hoden nicht im Hodensack platziert sind bzw. nicht getastet werden können. Akute Beschwerden oder Krankheitszeichen sind beim Säugling nicht vorkommend – eine ärztliche Beobachtung und gegebenenfalls Behandlung, um Risiken zu vermeiden, ist dann notwendig, wenn der Hoden zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht spontan nach unten gewandert ist.
Weiteres Vorgehen bei einem Hodenhochstand
Sofern sich der Hoden nicht tasten kann, ist eine Ultraschalluntersuchung der Leiste sowie Bauchregion zunächst sinnvoll, um ermitteln zu können, wo genau sich die Keimdrüsen befinden. Ist mit dieser Untersuchung der Hoden/ die Hoden nicht auffindbar, sollte ein Hormontest, bei welchem der Testosteronspiegel im Blut gemessen wird, klären, ob die Keimdrüsen überhaupt entwickelt und angelegt sind. Beim Vorhandensein von Hodengewebe fällt der Testosteronspiegel höher aus als bei fehlendem Hoden. Weiterhin können eine Magnetresonanztomographie oder eine Bauchspiegelung (Laparaskopie) Hilfestellung leisten. Der Vorteil einer Laparaskopie besteht darin, dass sogenannte Schrumpfhoden, die meist nicht funktionstüchtig sind, aus dem Bauchraum entfernt werden können. Darüber hinaus können bei dem Verfahren auch die Gefäße, die den Hoden versorgen, beurteilt werden und es lässt sich feststellen, ob diese lang genug sind und die Keimdrüsen ohne weitere Maßnahmen in den Hodensack verlegt werden können. Eine Hormontherapie, die in etwa 20 Prozent der Fälle - abhängig vom Alter und den anatomischen Gegebenheiten – etwas bringt, kann erreichen, dass die Hoden ihre Wanderung in den Hodensack antreten bzw. fortsetzen. Dazu werden Medikamente mit folgenden Hormonen angewendet:
- das Hormon GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon), welches über die Schleimhaut aufgenommen wird und als Nasenspray angewendet werden kann
- das Hormon Humanes Chorion-Gonadotropin (HCG), das in die Muskulatur gespritzt wird
Bringt auch die Hormonbehandlung nicht das gewünschte Ergebnis, ist eine Operation notwendig, bei der die Hoden operativ in den Hodensack verlagert und festgenäht werden. Auch ist eine Operation indiziert, wenn die Hormontherapie zwar erfolgreich gewesen ist, aber der Hoden trotz allem nach oben gleitet.
Nachsorge ist Vorsorge
Die Behandlung des Hodenhochstands sollte zum ersten Geburtstags des Jungen abgeschlossen sein. Eine spätere Verlagerung in den Hodensack erhöht leider die Gefahr von Zeugungsunfähigkeit. Regelmäßige Kontrollen innerhalb des ersten Jahres nach der Therapie sowie zum Beginn der Pubertät sind von großer Wichtigkeit.
Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.