Hypersexualität: Wenn Sex zur Sucht wird
Spätestens seit dem Bekanntwerden von Tiger Woods unzähligen Affären ist das Krankheitsbild in der breiten Öffentlichkeit bekannt: die Sexsucht. Dabei handelt es sich nicht wie bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit um eine stoffgebundene Sucht, die Hypersexualität ist eher mit einem Zwangsverhalten vergleichbar. Wir erklären die Hintergründe einer krankhaft gesteigerten Sexualität, deren Symptome und die Folgen für den Alltag. Sexuelles Verlangen ist eine sehr natürliche Sache. Die menschlichen Triebe dienen schließlich der Fortpflanzung und im evolutionären Sinn damit der Arterhaltung. Doch gibt es große Unterschiede im individuellen Sexualtrieb – das Bedürfnis nach Sex und körperlicher Zuwendung ist bei einer Person mehr ausgeprägt, eine andere Person kommt dagegen mit deutlich weniger Geschlechtsverkehr aus. Und genau darin liegt die Problematik der Diagnostik. Eine Sexsucht – besser gesagt eine Hypersexualität – lässt sich nicht an der Quantität der Geschlechtspartner oder der Orgasmen fest machen. Ein krankhafter Zwang liegt dann vor, wenn der Gedanke an Sex und Lust den Alltag beherrscht. Wenn das gesamte Leben auf die sexuelle Erfüllung ausgelegt ist und so deutlich das Berufsleben und die Beziehung zum Partner, der Familie oder Freunden darunter leiden. Sobald der Patient einen inneren Leidensdruck verspürt und nicht in der Lage ist das krankhafte Verhalten zu ändern, ist eine Sucht wahrscheinlich.
Hypersexualität: Wenn Sex die Gedanken beherrscht
Die Symptome einer Hypersexualität bei Männern und Frauen sind verschieden. Männer sind eher süchtig nach pornografischen Filmen und Bildern oder Telefonsex. Sie masturbieren zum Teil mehrfach täglich. Lust auf Sex mit der Partnerin bleibt oft aus. Lieber wollen sie im Internet weiter nach neuen Filmen suchen. Frauen sind dagegen häufig eher süchtig nach dem Kick einer sexuellen Begegnung. Sie rutschen von einem One Night Stand ins nächste und ziehen Sex mit unbekannten Partnern einer festen Beziehung vor. Dabei lassen sie kaum Intimität und Nähe zu. Betroffene Frauen arbeiten manchmal im Rotlichtmilieu und bieten sexuelle Gefälligkeiten gegen Geld an.
Sexsucht: Hormone wirken ähnlich wie Drogen
Egal ob bei Mann oder Frau, im Gehirn wirkt die Sucht bei den Geschlechtern ähnlich. Beim Geschlechtsverkehr oder der sexuellen Ersatzhandlung werden im Gehirn Botenstoffe wie das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin und Dopamin ausgeschüttet. Diese Hormone regen ähnliche Bereiche des Gehirns an wie Drogen oder Alkohol. Nach dem Akt kommt es zu einer Betäubung der negativen Gefühle und zu einem kleinen Sinnesrausch. Wie der Kreislauf einer Sucht funktioniert lesen Sie im apomio Gesundheitsblog. Doch auch wie bei Drogenabhängigen gewöhnt sich das Gehirn irgendwann an die Stimulation. Die Folge: Die Dosis muss erhöht werden um den erwünschten Kick zu bekommen. Deshalb stürzen sich Betroffene in immer neue Abenteuer und riskieren dabei zum Teil Gesundheit und Leben. Für viele Erkrankte ist Sex eine Ersatzhandlung um sich negativen Gefühlen und Gedanken nicht stellen zu müssen.
Nach dem Sex kommt die Leere
Dadurch, dass immer mehr nötig ist um zu sexueller Befriedigung zu gelangen verspüren die Patienten oft eine große innere Leere nach dem Geschlechtsverkehr. Viele fühlen sich schlecht und schämen sich für ihr Verhalten. Und dennoch geht im Anschluss wieder Geld für Telefonsex oder eine Prosituierte drauf, auch der nächste One Night Stand ist nicht fern. So stellt sich schnell Unzufriedenheit ein. Die Lust kann in großer Frustration enden.
Auslöser der Sexsucht noch unklar
Warum genau die Betroffenen süchtig nach sexuellen Handlungen sind ist bislang nicht restlos geklärt. Häufig finden sich in deren Familien andere Suchterkrankte, sodass von einer genetischen Disposition auszugehen ist. Ob ein kindliches Trauma wie etwa körperlicher oder sexueller Missbrauch ein Auslöser für das Suchtverhalten sein kann, ist noch unklar. Man geht davon aus, dass etwa ein bis sechs Prozent der Erwachsenen von dem Leiden betroffen sind, Männer häufiger als Frauen. Der Grund: Frauen haben durch den gesellschaftlichen Druck besser gelernt ihren sexuellen Drang zu unterdrücken. Außerdem ist die weibliche Sexualität nach wie vor ein tabuisiertes Thema in der Öffentlichkeit. So suchen Frauen in sexuellen Angelegenheiten seltener professionelle Hilfe als Männer. Die Dunkelziffer kann also deutlich höher sein.
Zu viel Verlangen: Wahrscheinlichkeit für Krankheiten steigt
Sowohl bei sexsüchtigen Männern als auch bei betroffenen Frauen steigt die Wahrscheinlichkeit sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu infizieren. Der häufige Partnerwechsel sowie die Bereitschaft immer neue Risiken einzugehen, führt häufig zur Vernachlässigung der Verhütung. Eine Übertragung von HIV, Syphilis, Herpes oder Chlamydien kann bereits bei einem einzigen ungeschützten sexuellen Kontakt stattfinden. Andere „Nebenwirkungen“ hat die Hypersexualität nicht. Sie ist nicht wie die Drogen- oder Alkoholabhängigkeit schädlich für den Körper oder gesundheitsgefährdend. Auch die Behandlung unterscheidet sich von stoffgebundenen Süchten: Wer Abhängig von sexuellen Handlungen war, muss darauf nicht ein Leben lang verzichten.
Behandlung einer Hypersexualität durch Therapie
Häufig hat die Sucht schon sehr viel zerstört, bis Betroffene Hilfe suchen. Ein erster Ansprechpartner kann der Hausarzt sein. Er kann dem Patienten einen geeigneten Spezialisten oder eine Klinik für eine Therapie empfehlen. Auch den Kontakt zu Selbsthilfegruppen kann der Allgemeinmediziner vermitteln. Am Anfang einer Therapie steht meist Enthaltsamkeit. So soll der oder die Betroffene wieder ein normales Verhältnis zu seinem Körper und seiner Sexualität bekommen. Im Anschluss lernen die Patienten Techniken, um ihre Impulse zu kontrollieren und die Energie umzuleiten in andere Ersatzhandlungen wie etwas Sport oder Meditation. In einigen Fällen liegt neben der Sexsucht eine weitere psychische Störung etwa eine Depression oder eine Schizophrenie oder eine andere Abhängigkeit (etwa von Drogen oder Alkohol) vor. Dann gilt es zunächst diese Krankheit zu behandeln und im Anschluss die Hypersexualität zu therapieren.
Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.