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Knorpelzüchtung und Knorpeltransplantation - Eine Alternative zu künstlichen Gelenken?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 10. Oktober 2018

Wenn Knochen auf Knochen reibt und ein Knorpelschaden zu stark ausgeprägt ist, dann bleiben nur noch gelenkersetzende Maßnahmen zur Therapie. Doch nun scheinen neue Forschungsansätze Hoffnung zu machen und regenerative Maßnahmen einzuleiten: Knorpelzüchtung und Knorpeltransplantation anstelle eines künstlichen Gelenks. Für wen ist diese Behandlung geeignet? Ist es tatsächlich möglich Knorpel zu züchten? Mehr dazu im folgenden Beitrag.

 

Knorpelaufbau und Knorpelfunktion: Was passiert, wenn noch kaum Knorpel vorhanden ist?

 

Im menschlichen Organismus werden alle Gelenkflächen durch eine mehrere Millimeter dicke Knorpelschicht und gleitfähiges Bindegewebe bedeckt, dessen Funktion darin besteht, die Belastungen wie beispielsweise harte Stöße beim Laufen abzufedern und die Reibung im Gelenk herabzusetzen sowie zu verhindern, dass die Knochen bei Bewegung nicht direkt aufeinander prallen. Je nach Ausmaß eines Knorpelschadens reibt Knochen auf Knochen, sodass der Verlust von Knorpel folglich für eine schmerzhafte Arthrose im Gelenk verantwortlich wird. Ein Knorpelschaden wird in vier Schweregrade unterteilt: Im ersten Stadium liegt eine leichte oberflächliche Auffaserung vor, Stadium 2 weist halbschichtige Einrisse und breite Oberflächenauffaserungen auf, im dritten Stadium sind tiefe, bis zum Knochen reichende Defekte mit starker Auffaserung vorhanden und im letzten, vierten Stadium sind die Knochen freiliegend ohne schützende Knorpelschicht.

Da Knorpel selbst schmerzunempfindlich ist, werden Beschwerden erst wahrgenommen, wenn die Knorpelschicht abgetragen und zerstört ist. Eine intakte Knorpelschicht ist demnach Voraussetzung für die beschwerdefreie Beweglichkeit der Gelenke. Die Produktion und Überwachung des Knorpelgewebes erfolgt durch die Knorpelzellen, den Chondrozyten. Ein neuartiges Operationsverfahren, welches Knorpelschäden mit Hilfe von körpereigenen Knorpelzellen repariert, verspricht die Regeneration des Gelenk-Knorpels; man spricht von der Knorpelzell- oder Chondrozytentransplantation.

 

Knorpelzüchtung und Knorpeltransplantation: Durchführung

 

In einem arthroskopischen Eingriff, einer Spiegelung des Gelenks, erfolgt zunächst die Entnahme des körpereigenen Knorpelgewebes aus einem gesunden und wenig belastenden Gelenk. Außerdem erfolgt eine 120 bis 150 ml Blutentnahme, welches zur Serumgewinnung des Patienten verwendet wird. Aus dem entnommenen Knorpelgewebe werden in einem hoch spezialisierten Zellkulturlabor die Knorpelzellen isoliert, unter sterilen Bedingungen eine Kultur angelegt und nach sechs bis acht Wochen kleine dreidimensionale Knorpelzellaggregate, auch „Knorpelkügelchen“ oder Chondrospheres genannt, gewonnen. Die Vermehrung der Knorpelzellen erfolgt im eigenen Serum des Patienten, sodass kein Kontakt mit artfremden Proteinen erfolgen kann und die gezüchteten Knorpelzellen nur auf das Blutserum des Patienten abgestimmt sind und das „implantierte“ gezüchtete Material nicht als Fremdkörper betrachtet wird, sondern als körpereigen.

Das nun hergestellte biologische Arzneimittel, das in speziellen Kühlbehältern gelagert ist und um die Qualität der Zellen gewährleisten zu können, wird es dem behandelnden Arzt zugeschickt, um die Behandlung des Knorpelschadens einleiten zu können.

In einem weiteren arthroskopischen Eingriff wird am betroffenen Gelenk das geschädigte Knorpelgewebe zunächst entfernt und anschließend die gezüchteten, körpereigenen Knorpelzellaggregate in die vorbereitete Defektstelle eingebracht. Über sogenannte Adhäsionsmoleküle (Membranproteine) erfolgt die Kontaktaufnahme zwischen den Knorpelzellen und dem Knorpeldefekt, sodass die Knorpelzellen in den Defekt einwachsen bis dieser vollständig ausgefüllt ist.  Die autologe Knorpelzelltransplantation ist seit der Entwicklung des Verfahrens und der weltweit erstmaligen arthroskopisch durchgeführten Knorpelzelltransplantation durch Dr. Baum und wissenschaftliche Studien belegt – Knorpeldefekte am Kniegelenk, Hüftgelenk und Sprunggelenk können so behandelt werden, sodass das körpereigene Knorpelgewebe die schützende Funktion wieder ausüben und die Reibung an dem Gelenk herabsetzen und als Stoßdämpfer fungieren kann.

 

Vorteile einer Knorpelzelltransplantation

 

Die Vorteile einer autologen Knorpelzelltransplantation sind unter anderem:

 

  • Vermeidung einer Endoprothetik, eines künstlichen Gelenks: Implantate, die dauerhaft im Körper verbleiben und das geschädigte Gelenk ganz oder teilweise ersetzen, sind mit Risiken behaftet, denn neben den Komplikationen bei der nicht zu unterschätzenden Operation kann der Gelenkersatz vom Körper als  Fremdkörper erkannt und abgestoßen werden
  • Schmerzreduktion
  • Wiederherstellung der Belastbarkeit durch Wiederaufbau der Knopelschicht
  • Vollständige Heilung von Knorpeldefekten

 

Ergebnisse nach dem minimalinvasiven arthroskopischen Eingriff

 

Nach bereits sechs Wochen kann man eine vollständige Bedeckung des Knorpeldefekts mit lebenden Knorpelzellen nachweisen. Allerdings weisen diese noch nicht die nötige Dicke und Belastbarkeit auf, sodass anfänglich Gehstöcke zur Entlastung verwendet werden sollten. Eine Ruhigstellung des Gelenks ist nicht indiziert und sogar kontraproduktiv: die ausreichende und regelmäßige Bewegung des Gelenks ist anzuraten, damit durch die Wechseldruckbelastung die Durchblutung angeregt werden kann. Durch das Tragen von speziellen Bewegungsschienen und Physiotherapie kann die Heilung unterstützt werden. Nach maximal drei Monaten kann auf die Gehstöcke verzichtet werden und gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen ausgeübt werden. Mit der kompletten Regeneration des Knorpelgelenks ist ungefähr ein Jahr nach dem Eingriff zu rechnen, sodass ab diesem Zeitpunkt dann auch das Gelenk wieder voll belastet werden darf und alle Sportarten wieder erlaubt sind.

 

Knorpelzelltransplantation für Jedermann?

 

Leider kann nicht jeder von einer Knorpelzelltransplantation profitieren bzw. für dieses Verfahren geeignet sein. Wenn der Gelenkdefekt zu groß ist und auch die Gelenkflächen von einer Schädigung betroffen sind, dann kann eine Knorpelzelltransplantation keinen Erfolg bringen. Voraussetzung für die Durchführung einer erfolgreichen Knorpelzelltransplantation ist ein stabiles, gesundes Gelenk mit einer normalen Gelenkachse frei von Gelenkkörpern. Eine Knorpelzelltransplantation wird bei einem Patientenalter bis 55 Jahren empfohlen und kann in Betracht kommen, wenn eine Defektgröße bis zu 10 Quadratzentimetern vorliegt und gleichzeitig auch gesunder Restknorpel vorhanden ist. Das Gelenk sollte stabil sein, das heißt beim Kniegelenk, die Bänder müssen intakt sein. Außerdem sollten zusätzliche Belastungen, wie erhebliches Übergewicht, nicht vorliegen. Auch bei älteren Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen und betroffenen Personen mit Beinfehlstellungen, wie X- oder O-Beinstellung sollte keine Knorpelzelltransplantation erfolgen und andere therapeutische Maßnahmen erwogen werden.

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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