Kortison – Fluch oder Segen?
Kortison wird bei den unterschiedlichsten Erkrankungen als Arzneimittel eingesetzt. In den 70er Jahren hatte das Medikament negative Schlagzeilen gemacht und noch heute sind Patienten beängstigt, wenn das Wort Kortison-Behandlung fällt. Was ist Kortison? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Warum darf man Kortison auf keinen Fall abrupt absetzen? Und warum hat Kortison eigentlich so einen schlechten Ruf? Wissenswerte Informationen zu Kortison im folgenden Beitrag.
Was ist Kortison?
Kortison, auch Cortison geschrieben, ist eine hormonell inaktive Vorstufe (bzw. eine durch Oxidation inaktivierte Form) des körpereigenen Hormons Kortisol, auch Cortisol geschrieben. Kortison ist der umgangssprachliche Sammelbegriff für Medikamente mit Kortisolwirkung. Kortison sowie Kortisol bezeichnet man beide als Glukokortikoide, natürliche Hormone, die in der Nebennierenrinde des menschlichen Körpers gebildet werden und für den Organismus lebensnotwendig sind. Die Bedeutung von Glukokortikoiden ist, dass diese in den Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel eingreifen und dem Körper – unter Verwendung von Fett und Eiweiß Kohlenhydrate zur Verfügung stellen, die als Energielieferant benötigt werden.
Die Produktion von Kortisol, die vor allem in den frühen Morgenstunden vor 6 Uhr stattfindet und über die Blutbahn im gesamten Körper verteilt wird, liegt bei etwa 5-30 mg pro Tag, bei Stress produziert der Körper bis zu 300 mg Kortisol. Besonders in Stresssituationen, in denen der Körper viel Energie benötigt, ist der Spiegel deutlich erhöht. Auch bei der Antwort auf Entzündungsprozesse ist das körpereigene Hormon von besonderer Bedeutung.
Die Geschichte von Kortison
Kortison wurde 1935 als erster Wirkstoff in der Nebennierenrinde von dem Biochemiker Kendell entdeckt; zehn Jahre später ist es gelungen, den Stoff im Labor synthetisch herzustellen. 1950 erhielt Rendell zusammen mit zwei weiteren Naturwissenschaftlern, Reichstein und Hench, den Nobelpreis für Medizin für „ihre Entdeckungen bei den Hormonen der Nebennierenrinde, ihrer Struktur und ihrer biologischen Wirkungen“. Die erste erfolgreiche Behandlung der Kortison-Therapie war im Jahre 1948: man feierte Kortison als Wundermittel, nachdem eine ans Bett gefesselte Rheumatikerin innerhalb weniger Tage wieder schmerzfrei laufen konnte. Die Euphorie über den Therapieerfolg war groß, sodass Kortison sorglos angewendet wurde und sich bald heftigste Nebenwirkungen zeigten.
Warum hat Kortison so einen schlechten Ruf?
Nicht das Kortison selbst, sondern die nicht sachgemäße Anwendung des Kortisons in den frühen Jahren aufgrund mangelnder Erfahrung, ist heute noch dafür verantwortlich, dass viele Patienten im Hinblick auf Kortison verunsichert sind. Seitdem hat sich allerdings die Forschung der Kortisontherapie erfolgreich weiter entwickelt und wichtige Erkenntnisse zum Wirkstoff selbst, den Leitlinien zu seiner Anwendung und den Darreichungsformen wurden gemacht.
Welche Darrreichungsformen gibt es?
Kortison ist nicht gleich Kortison. Die Art der Anwendung des Medikaments ist nämlich entscheidend: Sofern das Medikament als Tablette oder Kapsel eingenommen wird oder über eine Injektion oder Infusion verabreicht wird, handelt es sich um ein systemisches Kortikoid. Wird das Medikament lokal auf die Haut in Form einer Salbe oder eines Gels aufgetragen oder inhaliert oder als Nasenspray angewendet, dann handelt es sich um ein topisches Kortikoid. Die Unterscheidung der Kortikoide wird im Folgenden näher erläutert:
- systemisches Kortikoid: der Wirkstoff gelangt in den Blutkreislauf und seine Wirkung wird im gesamten Körper entfaltet
- topisches Kortikoid: der Wirkstoff wirkt in der Regel nur an der Stelle, wo es angewendet wird und gelangt nicht in die Blutbahn. Topische Kortikoide wirken allgemein schwächer als systemische Kortikoide.
Wann wird Kortison angewendet?
Kortison als Arzneimittel ist bei einer Reihe von Erkrankungen, welche entzündlich geprägt und auch oft chronisch sind, erste Wahl in der Therapie. Bei folgenden Krankheiten findet eine Kortison-Gabe Anwendung:
- akute und chronische Erkrankungen der Haut (Neurodermitis)
- Asthma bronchiale
- Multiple Sklerose
- Rheuma
Bei, in der Regel chronischen Erkrankungen, kann die Einnahme von Kortison mit individuell angepassten Dosierungen die immunologischen bzw. allergischen Reaktionen des Körpers unterdrücken: der Heilungsprozess wird dadurch unterstützt sowie Symptome gemindert und Schmerzen gelindert. Auch kann durch eine Kortison-Therapie erzielt werden, dass eine entzündliche Erkrankung gar nicht erst chronisch wird. Neben dem Einsatz in der Langzeittherapie chronischer Erkrankungen wird Kortison auch in der Akuttherapie, zum Beispiel beim anaphylaktischen Schock, bei einem schweren Asthmaanfall oder bei einem Trauma lebensrettend angewendet.
Nebenwirkungen von Kortison
Wie für alle wirksamen Medikamente, vor allem wenn diese systemisch angewendet werden, gilt auch für die Anwendung von Kortison: Erwünschte Wirkungen sind ganz ohne unerwünschte Wirkungen nicht möglich. Nebenwirkungen bei einer Kortisontherapie sind aber keineswegs die Regel, sondern stets abhängig von der Dosis und der Dauer der Therapie. Falsch angewendet oder dosiert kann die Kortisonanwendung fatale Folgen haben.
Unter Langzeitanwendungen mit hochdosiertem Kortison sind folgende Nebenwirkungen bei systemischen Kortikoiden beobachtet worden:
- Wasser- und Fetteinlagerungen, Gewichtszunahme
- Entkalkung von Knochen, Osteoporose
- Schwächung des Immunsystems und dadurch eine höhere Infektanfälligkeit
- verlangsamte Wundheilung
- Abnahme der Hautdicke/ Atrophie der Haut
- erhöhter Blutzuckerspiegel, Diabetes mellitus
- Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen
- Magen- und Darmgeschwüre
- Wachstumshemmung bei Kindern
Prophylaxe: Da eine langfristige Kortison-Anwendung ungünstig ist, aber manchmal nicht verhindert werden kann, sollten regelmäßige Kontrollen und geeignete Vorbeugemaßnahmen getroffen werden, um Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten.
Bei topischen Kortikoiden können folgende Nebenwirkungen eintreten:
- Candidabefall der Mundschleimhaut durch Inhalation
- Atrophie der Stimmbandmuskulatur durch Inhalation (Heiserkeit)
Prophylaxe: Mundausspülung nach jedem Glukokortikoid-Sprühstoß
Allgemein gilt bei der Behandlung mit Kortison, dass das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen steigt,
- je länger der Behandlungszeitraum ist
- je größer die Verteilung im und auf dem Körper ist
- je höher die Dosierung ist
In der Akuttherapie sind Kortisongaben höher dosiert, dadurch wirken sie besonders schnell und zuverlässig und können lebensgefährliche Schwellungen nach einem Trauma, wie zum Beispiel der Hirnhaut (Hirnödem) verhindern. Und auch selbst wenn hohe Dosen von Glukokortikoiden gegeben werden (zum Beispiel Prednisolon 250mg im Schuss), sind in der Regel keine relevanten Nebenwirkungen zu erwarten.
Therapie mit Kortison
Im menschlichen Körper wird eine bestimmte Menge Kortisol produziert – dieser körpereigene Kortisolspiegel muss festgestellt und ein Kortison-Tagesspiegel ermittelt werden. Der körpereigene Kortisolspiegel muss durch die Anwendung von Kortison-Präparaten nämlich überschritten werden, um eine positive Wirkung auf immunologische bzw. entzündliche Erkrankungen erzielen zu können. Nur ein Kortisonüberschuss kann therapeutisch wirksam sein. Aber: Auf die Dosis kommt es an! Und wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist das Feststellen der richtigen Dosis, welche sich nach der Art und Ausdehnung der Erkrankung, den individuellen körperlichen Voraussetzungen, dem Körpergewicht, Geschlecht und Alter richtet. Der Arzt erstellt einen Behandlungsplan, der die Häufigkeit der Anwendung und die Dosis exakt festlegt, damit keine unerwünschten Nebenwirkungen auftreten.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die Mithilfe des Patienten, dass dieser sich exakt an die verordnete Dosierung bzw. Anwendung hält. Normalerweise sind zwar einmalige Anwendungsfehler nicht schwerwiegend, allerdings steigt bei einer längerfristig falschen Anwendung die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Wirkungen. Niemals sollte die Menge des Medikaments oder die Häufigkeit der Anwendung selbstständig verändert werden! Auch sollte eine Kortisontherapie niemals abrupt beendet werden, sondern – immer nach Absprache mit dem Arzt - langsam reduziert werden (ausschleichender Prozess). Der Grund: Der Körper stellt während der Therapie die eigene Kortisonproduktion ein. Bei einem plötzlichem Absetzen des Medikaments kann es zu lebensgefährlichen Kreislaufversagen und Schockreaktionen führen, da der Körper das Hormon dringend braucht. Das ausschleichende Absetzen des Medikaments ermöglicht dem Körper sich auf den veränderten Zustand einzustellen und die körpereigene Produktion den vorhandenen Bedingungen anzupassen.
Kortison – gerechtfertigte Angst?
Fazit: Kortison ist ein sehr wirkungsvolles Medikament. Ein unsachgemäßer Gebrauch von Kortison kann allerdings fatale Folgen für die Gesundheit haben. Heutzutage hat man erkannt, dass die Dosierung und die Behandlungsdauer für das Auftreten von Nebenwirkungen entscheidend sind. Nach wie vor sollte der Einsatz von Kortison aber immer ein Fall für den Experten sein und als Unkundiger nicht unterschätzt werden.
Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.