Mandelentzündung bei Kindern: Entfernung nicht immer sinnvoll
Im Rachen finden sich als Teil des körpereigenen Abwehrsystems viele Lymphdrüsen: Die sogenannten Tuben- und Rachenmandeln bilden zusammen mit den Gaumen- und Zungenmandeln einen Ring um den Racheneingang und dienen unter anderem zum Auffangen und Vernichten schädlicher Keime, die mit der Luft oder mit der Nahrung hereingebracht werden. Im Kindesalter sind vor allem die Rachenmandel und die Gaumenmandeln besonders beansprucht. Es kommt häufig zu Erkrankungen. Welche Mandeln werden insbesondere im Kindesalter entfernt? Mehr zu dem Thema im folgenden Beitrag.
Die Funktion der Tonsillen (=Mandeln) als Waldeyer-Rachenring
Durch den hinter Nase und Mund liegenden Rachen (=Pharynx) stehen einerseits Nase und Kehlkopf mit den anschließenden Atemwegen und andererseits Mund und Speiseröhre mit den anschließenden Verdauungsorganen in Verbindung. In diesem Gebiet finden sich viele Lymphdrüsen: Der Eingang des Rachens ist von einem lymphatischen Gewebe mit Mandeln, medizinisch Tonsillen genannt, umgeben – in ihrer Gesamtheit fasst man diese als den sogenannten Waldeyer-Rachenring oder vereinfacht lymphatischen Rachenring zusammen.
Der Waldeyer-Rachenring umschließt den oberen Teil des Rachens und ist eine Ansammlung aus folgenden Bestandteilen im Bereich von Mund-, Nasenhöhle und Rachen:
- Rachenmandel = Tonsilla pharyngealis
- Tubenmandeln = Tonsilla tubaria (in der lateralen Wand des Rachens befindlich, geht in das lymphatische Gewebe der sogenannten Seitenstränge über)
- Gaumenmandeln = Tonsilla palatina
- Zungenmandeln = Tonsilla lingualis (in der Schleimhaut des Zungengrundes vorhanden)
- Seitenstränge
Die Tonsillen sind lymphoepitheliale Organe im Eingangsbereich von Mund- und Nasenhöhle zum Rachen und übernehmen die Funktion der Immunabwehr in der stark antigenexponierten Region des Rachens. Sie bilden eine Abwehrbarriere, damit mögliche Krankheitserreger wie Bakterien, Viren und Pilze aus der Mund- und Nasenhöhle nicht die unteren Atemwege erreichen können.
In neueren Forschungen wird diese Annahme jedoch in Frage gestellt; vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die Tonsillen darin fungieren, die Strukturen von Krankheitserregern als erstes zu erkennen und diese dann über das systemisch wirkende Immunsystem schneller abgewehrt werden können.
Das Epithel der Tonsillen besteht aus Einstülpungen (Krypten), die zu einer starken Oberflächenvergrößerung führen und einen besseren Antigenkontakt ermöglichen – die Krypten verleihen der Tonsillenoberfläche ihr zerklüftetes Aussehen.
Wucherungen, Adenoide bei Kindern
Eine sorgfältige Inspektion des Rachenraumes gehört zu jeder Untersuchung beim Kinderarzt.
Im Vorschulalter erkranken Kinder relativ häufig an Atemwegsinfektionen. Die Rachenmandel (=Tonsilla pharyngealis) ist daher zu diesem Zeitpunkt besonders beansprucht und hat ihre größte Ausprägung, später nimmt sie dann an Größe ab.
Es handelt sich um eine chronische, schmerzfreie Vergrößerung der Rachenmandel, die vor allem bei Kindern zwischen dem 2. und 8. Lebensjahr, seltener bei Jugendlichen auftritt.
Bei einer sehr starken Vergrößerung der Rachenmandel - die Vergrößerung wird Hyperplasie bezeichnet - kann es zur Verlagerung der Choanen kommen.
Die Choanen sind die paarigen Öffnungen der Nasenhöhle in die Mund-bzw. Rachenhöhle. Durch die Verlagerung atmen die Kinder vermehrt durch den Mund, weil die Nasenatmung behindert ist; der Mund steht in dem Fall auch ständig offen.
Außerdem kann durch die Vergrößerung der Rachenmandel auch das Ostium der Tuba auditiva, der Eingang der Ohrtrompete im Nasenrachen, verlegt werden. Die Folge ist oft eine Belüftungsstörung des Mittelohres, wodurch es zu Ergussbildung kommen, sich eine Schallleitungsschwerhörigkeit entwickeln kann und zu häufigen Mittelohrentzündung führen kann.
Eine operative Entfernung der vergrößerten Rachenmandel, eine sogenannte Adenotomie, abgekürzt AT, wird in diesem Fall empfohlen.
Die Adenotomie zählt zu einer der häufigsten Operationen im HNO-Bereich, welcher nahezu ausschließlich bei Kindern durchgeführt wird. Die Prognose ist bei Behandlung durch einen Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde günstig.
Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose: Mit dem sogenannten „Beckmann’schen Ringmesser“ wird durch den Mund hindurch hinter dem Gaumen die Rachenmandel abgetragen. Durch Tupferdruck erfolgt die Blutstillung; eine normale Blutgerinnung wird hier vorausgesetzt und präoperativ labormedizinisch überprüft. Da postoperativ eine Nachblutung trotz allem eine mögliche Komplikation darstellt, ist ein stationärer Aufenthalt nach der Operation wichtig.
Krankheitszeichen, die bei Wucherungen bei Kindern auftreten sind unter anderem:
- Mundatmung (ständig offener Mund)
- chronischer Schnupfen
- Schnarchen
- Häufung von Infekten, auch der Nasennebenhöhlen
- häufig auftretende akute Mittelohrentzündungen
- chronische Schallleitungsschwerhörigkeit
Entzündungen der Gaumenmandeln bei Kindern
Insbesondere die stark zerklüfteten paarigen, mandelförmigen Gaumenmandeln am Racheneingang sind bei Kindern sehr anfällig für eitrige Entzündungen.
Mandelentzündungen (=Tonsillitis) treten vor allem bei Kindern und Jugendlichen häufiger auf. Bei Erwachsenen sind sie dagegen eher selten; im Allgemeinen können Tonsillitiden aber in jedem Alter auftreten.
Im Grundschulalter sind die Gaumenmandeln am größten, danach nehmen sie an ihrer Größe ab. Kommt es zu wiederkehrenden Entzündungen ist es auch möglich, dass die Gaumenmandeln vergrößert bleiben.
Die Symptome sind vielfältig und können sich als eher unspezifisch zeigen, die meist nicht auf den Krankheitserreger, sprich ob bakteriell oder viral oder Sonderformen, schließen lassen:
- Halsschmerzen
- Schluckbeschwerden
- Schluckstörungen
- Rötung sowie geringe bis erhebliche Schwellung der Mandeln
- kloßige Stimme
- Atemwegsbehinderung
- Allgemeines Krankheitsgefühl mit Fieber, Frösteln, Kopfschmerzen und Husten
- Schwellung und Druckempfindlichkeit der Lymphdrüsen am Kieferwinkel
Wann wird die Entfernung der Mandeln bei Kindern empfohlen?
Heute sieht man von einer kompletten operativen Entfernung der Gaumenmandeln, medizinisch als Tonsillektomie, abgekürzt TE, bezeichnet, eher ab. Gründe, die gegen eine Tonsillektomie sprechen sind: die immunologische Funktion und das hohe Nachblutungsrisiko. Aus diesem Grund sollte der operative Eingriff nur nach reiflicher Abwägung erfolgen.
Die Indikation für eine vollständige Entfernung der Gaumenmandeln sind rezidivierende akute Tonsillitiden. Die Entscheidungsgrundlage bezieht sich auf die Anzahl der Episoden, das heißt jede ärztlich diagnostizierte und mit Antibiotika behandelte Mandelentzündung, in den letzten 12 Monaten:
- weniger als 3 Episoden: die Tonsillektomie stellt keine Option dar
- 3 bis 5 Episoden: die Tonsillektomie stellt eine mögliche Option dar, wenn innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden auftreten und 6 Episoden innerhalb von 12 Monaten erreicht wird
- 6 Episoden oder mehr als 6 Episoden: die Tonsillektomie ist eine therapeutische Option
Weitere Indikationen, die unabhängig von immer wiederkehrenden Entzündungen für eine operative Entfernung sprechen, sind unter anderem folgende:
- Peritonsillarabszess
- einseitig vergrößerte Tonsille: bis zum Beweis des Gegenteils ist eine unilaterale Vergrößerung einer Gaumenmandel immer malignomverdächtig
Nach der Operation erhält man eine Eiskrawatte und zur ersten Mahlzeit nur Flüssigkeit. Zur Freude für die Jüngsten gibt es nach einer Mandeloperation auf ärztliche Verordnung reichlich Speiseeis. Ab dem vierten Tag erfolgt eine langsame (!) Gewöhnung an feste Speise.
Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.