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Möglicherweise lebensrettend: Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen für Kinder und Jugendliche

Kommentar schreiben Aktualisiert am 10. Juli 2020

Ein Kind, bei dem körperlich und geistig alles in Ordnung ist – für jede Mutter, jeden Vater ist dies der sehnlichste Wunsch. Damit aus einem gesunden Neugeborenen ein möglichst gesunder Erwachsener wird und Störungen, Entwicklungsverzögerungen und Erkrankungen rechtzeitig erkannt werden, sollten Eltern mit ihren Kindern unbedingt die ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und sich auch um die empfohlenen Impfungen gegen gefährliche Erkrankungen kümmern.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

 

Die Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen werden vom Fachmediziner, dem Kinder- und Jugendarzt, durchgeführt, abgesehen von den ersten beiden Checks nach der Geburt, die meist durch die Hebamme oder den Gynäkologen noch in der Geburtsklinik erfolgen. Die Untersuchungen zielen nicht nur auf die körperliche Gesundheit eines Kindes oder Jugendlichen ab. Auch die psychische, emotionale und soziale Entwicklung und die gesamten Lebensumstände sollen unter die Lupe genommen werden. Ein guter und einfühlsamer Kinder- und Jugendarzt, der seine Patienten oft viele Jahre lang begleitet, sollte der erste und wichtigste Berater der Eltern zu allen Belangen der Entwicklung ihres Kindes sein. Nicht selten entwickelt er sich auch zur Vertrauensperson seiner kleinen und jugendlichen Patienten. So kann er unter Umständen auch dazu beitragen, die Kinder zu schützen, z.B. indem er Verbrechen wie sexuellen Missbrauch oder körperliche Misshandlungen erkennt.  

 

Verpflichtend und dringend empfohlen: U1 bis U11

 

Die Vorsorgeuntersuchungen sind in den meisten Bundesländern Pflicht; Arzt oder Eltern müssen sie demnach an die zuständigen Behörden melden. Bei Versäumnissen hat das Gesundheits- oder Jugendamt das Recht, sich durch einen Besuch bei der Familie der ordnungsgemäßen Versorgung und Betreuung des Kindes zu vergewissern.

 

Folgende Untersuchungen sind für Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 17 Jahren vorgesehen und werden vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte1 ausdrücklich befürwortet: 

 

U1 und U2 – Untersuchung des Neugeborenen direkt nach der Geburt

 

Die Neugeborenen-Erstuntersuchung U1 wird durchgeführt, sobald das Baby auf der Welt ist, meist noch im Kreißsaal. Überprüft werden zunächst der Beginn der eigenständigen Atmung und die Umstellung des Kreislaufs, anschließend Atmung, Puls, Muskelspannung, Hautfarbe und Reaktionen auf Reize. Aus der Nabelschnur wird Blut entnommen, um zu sehen, ob der zeitweise Sauerstoffmangel während der Geburt negative Folgen hatte. Innerhalb seiner ersten halben Lebensstunde wird das Neugeborene behutsam (möglichst unter Beibehaltung des Hautkontakts mit der Mutter) gemessen, gewogen sowie auf körperliche Fehlbildungen, Geburtsverletzungen und Gelbsucht untersucht.

 

Außerdem bekommt der Säugling – ebenso wie bei der U2 und der U3 – Vitamin K, das für die Blutgerinnung eine wichtige Rolle spielt. Nach dem ersten Lebenstag folgt dann das sogenannte „Pulsoxymetrie-Screening“2, bei dem mit einer Lichtsensor-Messung am Fuß der Sauerstoffanteil im Blut bestimmt wird. Ist dieser zu niedrig, kann das auf einen schweren Herzfehler hinweisen.

Zudem werden, die Zustimmung der Eltern vorausgesetzt, dem Säugling einige Tropfen Blut aus der Ferse entnommen3.

 

Diese Blutprobe wird zum einen auf zwar sehr seltene, aber gefährliche angeborene Störungen des Stoffwechsels, des Hormonhaushaltes und der Immunabwehr untersucht. Zum anderen dient dieses Blut dazu, Mukoviszidose frühzeitig zu erkennen. Bei der angeborenen Stoffwechselerkrankung sind die Schleimdrüsen so in ihrer Funktion beeinträchtigt, dass sie unbehandelt zum frühen Tod führen kann. Auch zu dieser Früherkennungs-Untersuchung müssen die Eltern informiert und ihre Zustimmung eingeholt werden. Zur U1 gehört auch noch der Test des Hörvermögens innerhalb der ersten drei Lebenstage.

 

Am dritten bis zehnten Tag wird das Neugeborene in der U2 erstmals von einem Kinder- und Jugendarzt umfassend untersucht. Dabei wird den Eltern eine Farbtafel, auch für die nachfolgende U3 und U4, ausgehändigt, mit der sie die Farbe des Stuhls ihres Kindes benennen können. Daraus kann der Facharzt dann möglicherweise auf eine angeborene Gallenstörung schließen. Wichtig ist bei der U2 ebenso wie bei allen weiteren Vorsorgeuntersuchungen die umfassende Beratung der Eltern zu allen Themen, die in der jeweiligen Altersstufe des Kindes eine Rolle spielen. 

 

U3 – zwischen der 4. und 5. Lebenswoche

 

Die U3 ist in der Regel die erste Untersuchung in der Praxis des Kinder- und Jugendarztes. Hier wird dieser alle Körperfunktionen überprüfen, sich nach dem allgemeinen Verhalten des Babys erkundigen und die altersgerechte Entwicklung kontrollieren. Bestandteil der U3 ist auch eine Ultraschall-Untersuchung des Hüftgelenks, um mögliche Störungen oder Fehlbildungen auszuschließen.

 

U4 und U5 – zwischen dem 3./4. und nach dem sechsten Lebensmonat

 

Beim drei oder vier Monate sowie beim sechs Monate alten Baby erfolgen U4 und U5, jeweils mit einer gründlichen körperlichen Untersuchung. Schwerpunkte liegen dabei auf dem Hör-, Seh- und Reaktionsvermögen sowie auf Beweglichkeit und Körperbeherrschung.

 

U6 bis U9 für Ein- bis Fünfjährige

 

Bei der U6 für Einjährige werden U4 und U5 altersgemäß wiederholt, unter Miteinbeziehung der sprachlichen Entwicklung und des allgemeinen Verhaltens.

 

Im Rahmen der U7 überprüft der Arzt beim Zweijährigen nun auch die geistige Entwicklung ganz genau, z.B. stellt er fest, ob das Kind in der Lage ist, sich seinem Alter entsprechend sprachlich zu äußern, einfache Sätze zu verstehen und Gegenstände zu benennen.

 

Für Dreijährige gibt es die sogenannte U7a. Hier wird insbesondere das Vorliegen von allergischen Erkrankungen untersucht, aber auch Störungen der Sprach- und geistigen Entwicklung sowie des Verhaltens, Übergewicht und andere Anomalien werden in den Fokus genommen.

 

Mit vier Jahren wird das Kind in der U8 umfassend untersucht. Es geht vor allem um die geistige und sprachliche Entwicklung sowie die Körperbeherrschung; auch wird der Arzt die Eltern fragen, wie sich ihr Kind im sozialen Umfeld verhält.

 

Die U9 hat Kinder im Alter von fünf Jahren im Blick. Sie ist sehr umfangreich und befasst sich mit der gesamten körperlichen und geistig-emotionalen sowie sozialen Entwicklung des Kindes.

 

Vorsorgeuntersuchungen für Grundschulkinder – U10 und U11

 

Zur U10 kommen Kinder im Alter von sieben bis acht Jahren. Schwerpunktmäßig wird das Kind auf mögliche Entwicklungsstörungen hin untersucht, die sich klassischerweise in der Schule zeigen, etwa Verhaltensstörungen wie ADHS oder Lese- bzw. Rechenschwäche. Die U11 schließlich wird für neun- bis zehnjährige Schulkinder empfohlen. Hier wird ein weiteres Mal vor allem auf mögliche Schulschwierigkeiten, Sozialisations- und Verhaltensstörungen geachtet. Die U10 und die U11 werden nicht von allen Krankenkassen erstattet.

 

Untersuchungen für Jugendliche – J1 und J2

 

Die beiden letzten Vorsorgeuntersuchungen beim Kinder- und Jugendarzt gelten als sehr wichtig. Zwischen 12 und 14 Jahren findet mit der J1 ein Komplett-Check der körperlichen und seelischen Gesundheit sowie des Impfstatus´ statt. So können z.B. wachstumsbedingte Fehlhaltungen oder erstmals auftretende chronische Krankheiten so frühzeitig erkannt werden, dass sie noch gut therapiert werden können. Die J1 ist auch die Gelegenheit, pubertätstypische Erscheinungen wie Hautprobleme oder Essstörungen sowie Fragen zu Sexualität, Drogen oder soziale Probleme mit dem Arzt zu besprechen.

 

Zusätzlich kann im Alter von 16 bis 17 Jahren noch die J2 wahrgenommen werden – auf Wunsch des Jugendlichen auch ohne die Eltern. Wenn der Jugendliche seinem Kinder- und Jugendarzt vertraut, lässt er sich auch zu Pubertäts- oder Sexualitätsstörungen oder -problemen beraten.

 

Die Kasse zahlt die meisten Untersuchungen ...

 

Von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen insgesamt 11 Vorsorgeuntersuchungen. Einige, aber nicht alle Kassen erstatten die drei Gesundheitschecks U10, U11 und J2. Nicht übernommen werden die Zusatzleistungen innerhalb der U2 bis U9 und J1.

 

Nach Angaben des unabhängigen Verbraucher-Informationsportals über Krankenkassen in Deutschland krankenkassen.de4 gibt es bei einigen Krankenkassen Bonusprogramme für die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche. Weitergehende Informationen sollte man direkt bei der eigenen Krankenkasse einholen.

 

... und die wichtigen Impfungen

 

Damit Babys, Kinder und Jugendliche frühzeitig einen ausreichenden Schutz gegen schwere, teils lebensbedrohliche Infektionen aufbauen können, sind Impfungen sehr wichtig. Sie verhindern Erkrankungen, für die es zum Teil auch heute noch keine geeignete Therapie gibt. Nicht alle Impfungen sind unumstritten – jedoch soll hier vom Pro und Kontra nicht die Rede sein. Grundsätzlich haben Eltern vor jeder Impfung das Recht auf eine umfassende Information und Beratung seitens des Kinder- und Jugendarztes. Die offiziellen Impfempfehlungen, die laufend aktualisiert werden, gibt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin heraus.5

 

Die im Folgenden aufgeführten wichtigsten Impfungen für Kinder und Jugendliche entsprechen den Empfehlungen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V.6

Rotaviren

Rotaviren lösen schweren Brechdurchfall aus, der gerade bei kleinen Kindern lebensbedrohlich sein kann. Die Schluckimpfungs-Serie ist die erste Impfung eines Babys; sie sollte ab dem Alter von sechs Wochen beginnen und zwei oder drei Impfdosen im Abstand von jeweils vier Wochen bis zur 32. Lebenswoche beinhalten.  

 

Diphterie, Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Keuchhusten, Kinderlähmung und Wundstarrkrampf (Tetanus)

Nach dem zweiten Lebensmonat werden gesunden Babys gut verträgliche Kombinationsimpfstoffe gegen alle fünf Infektionskrankheiten gleichzeitig verabreicht. Bei Hib handelt es sich um ein Bakterium, das für Kinder lebensbedrohliche Erkrankungen wie z.B. Hirnhaut- und Lungenentzündungen auslöst.

 

Pneumokokken

Gegen die Bakterien, die u.a. Hirnhaut- und Lungenentzündung, Blutvergiftung, Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen auslösen, sollte man Kinder ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat impfen lassen.

 

Keuchhusten

Die Impfung gegen die gefährliche Atemwegserkrankung wird mehrfach, im Alter von zwei, drei und vier Monaten sowie zwischen elf und 14 Monaten durchgeführt. Weil Keuchhusten in letzter Zeit wieder vermehrt auftritt, wird eine weitere Auffrischimpfung für fünf- bis sechsjährige Kinder empfohlen.

 

Masern, Mumps und Röteln

Die kombinierte, zweimalig verabreichte Schutzimpfung (zwischen 11 und 14 Monaten und zwischen 15 und 23 Monaten mit einer vier- bis sechswöchigen Pause zwischen den Impfungen) kann mit der ebenso wichtigen Impfung gegen Windpocken kombiniert werden, da auch ein Kombinationsimpfstoff gegen alle vier Kinderkrankheiten gleichzeitig zur Verfügung steht. Diese Impfungen können auch schon mit etwa neun Monaten gegeben werden, z.B. wenn das Kind in einer Einrichtung betreut wird.

 

Meningokokken

Auch diese Bakterien können u.a. lebensgefährliche Hirnhautentzündungen und Blutvergiftungen auslösen. Die einmalige Impfung erfolgt im zweiten Lebensjahr.

 

Humane Papillomviren (HPV)

Diese Impfserie gegen die beim Sex übertragenen HPV, die u.a. Gebärmutterhalskrebs, bestimmte Krebserkrankungen im Genitalbereich und im Mund-Rachen-Raum auslösen können, wird Mädchen und Jungen zwischen neun und 14 Jahren empfohlen; sie sollte vor dem ersten Sexualkontakt beendet sein.

 

Zu ggf. notwendigen Auffrisch- und Nachholimpfungen und zusätzlichen Impfungen bei Risikopatienten (z.B. Grippeschutzimpfungen) berät der Kinder- und Jugendarzt

Die Kosten für alle von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen werden von den Krankenkassen übernommen.

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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