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Nachgefragt bei Frau Helm: Exotische Superfoods?!

Kommentar schreiben Aktualisiert am 24. Mai 2018

Beate Helm hat als Heilpraktikerin jahrelange Berufserfahrung in den Bereichen Naturheilkunde und Psychotherapie. Heute leitet sie ihr eigenes Ausbildungsinstitut und ist zudem als Autorin tätig. In ihrer apomio-Kolumne „Nachgefragt bei Frau Helm“ berichtet sie regelmäßig und ganz persönlich über eigene Erfahrungen, Meinungen und Wissenswertem zu den Themen Gesundheit, Prävention, natürliches Heilen und Persönlichkeitsentwicklung.

Exotische Superfoods - sind sie wirklich super?

Ich bin neugierig. Besonders wenn es um Gesundheit geht. Gespannt beäuge ich, was der Markt aus aller Welt zu bieten hat. Gleichzeitig regt sich mein Zweifel, ob die exotischen Pülverchen, kleinen Trockenfrüchtchen und Plastiksäckchen voller Samen so wirklich überlebensnotwendig in unseren Breiten sind. Wer weiß? Ich möchte ja nichts versäumen. Womöglich verhindert die richtige Superpflanze tatsächlich Krankheit und Alterserscheinungen. Vielleicht erspart sie, dass wir täglich Grünzeug verspachteln müssen. Eine frohe Botschaft für den weit verbreiteten Obst- und Gemüsemuffel. Ich nehme mich da an manchen Tagen nicht aus. Leiden wir in Europa tatsächlich an Vitamin- und Mineralstoffmangel, dass ohne Avocados und Gojibeeren nichts mehr geht? Lesen Sie selbst:

Was sind denn Superfoods?

Superfoods sollen durch wertvolle Inhaltsstoffe in besonderer Weise zur Gesundheit beitragen. Eine offizielle Definition und Regulierung gibt es nicht. Klingt aber doch gut, oder? Sie sind Konzentrate mit Mikronährstoffen wie Omega 3, Mineralien, Vitaminen, Aminosäuren und sekundären Pflanzenstoffen. Besonders hip sind die exotischen Früchte und Samen, die von weit her eingeflogen werden. Superfoods aus unseren Landen wie Heidelbeeren, Brokkoli und Wildkräuter sehen auf den ersten Blick recht blass daneben aus. Irgendwie heißen die ja auch nicht super oder werden zumindest nicht so vermarktet. Wer will schon biedere schwarze Johannisbeeren in sein Müsli packen, wenn es auch peppige Acaibeeren gibt? Macht doch gleich viel mehr her. Auch ein Leinsamenbrot reißt bei weitem nicht so vom Stuhl wie ein Chia-Fitnessbrot. Das gibt es inzwischen auch bei Lidl und Aldi. So können alle voll im Trend sein.

Wie haben wir vor der Ära von Gojibeeren, Chia-Samen und Avocados nur überlebt?

Man kann es sich kaum mehr vorstellen. Glaubt man den Marketing-Profis, hängt unser aller Wohl, die Vorbeugung von Krebs und anderen Zivilisationskrankheiten einzig und allein vom richtigen, möglichst exotischen Superfood ab. Und wie nimmt man es zu sich? Einfach rein in Getränke, Joghurt, Smoothie, Brot oder noch einfacher das Pulver in der Kapsel geschluckt. Und schon kann nichts mehr schiefgehen. Wer nicht den Hype mitmacht, braucht sich nicht zu wundern, dass er früher oder später krank, faltig, dick und kraftlos vor sich hinvegetiert. Einfach nicht genug vorgesorgt! Selber schuld.

Was ist denn so faszinierend an den Superfoods aus fernen Ländern?

Sie klingen spannend. Wer preist schon gerne vollmundig mit verdecktem, weil verbotenem Heilversprechen die Brennnessel an? Wer schwärmt von Sauerkirschen? Alles so gewöhnlich, alltäglich. Klingt bei weitem nicht so aufregend wie fremdländische Namen mit ungeahnter, geballter Gesundheits-Power. Hilfreich beim Abnehmen, präventiv gegen jede Krankheit, umgeben von einer Aura geheimnisvoller Heilkräfte. Da tut es doch nichts zur Sache, dass die Superfoods ganz schön teuer sind.

Was spricht für Gojibeeren?

Gojibeeren liefern eine stattliche Menge an Vitalstoffen. Sei es ein hoher Gehalt an Vitamin C, eine gute Portion Vitamin A und 21 Mineralien und Spurenelemente. Helfen sollen sie gegen hohen Blutdruck und Blutzucker, Impotenz, Diabetes, Krebs und Alzheimer.

Und warum sollte man doch besser auf sie verzichten?

Die kleinen Kalorienbomben sind relativ teuer, weil sie von Hand geerntet werden müssen. 100 g getrocknete Beeren schlagen mit 2-4 Euro zu Buche, in Bio-Qualität kann es noch teurer werden. Das Qualitätsmerkmal Bio ist jedoch in China, von wo die Wunderbeere meist eingeflogen wird, nicht so ernst zu nehmen. Bio-Produkte sind zwar immer zu bevorzugen. Aber in China wird im Gegensatz zum EU- oder gar Demeter-Biosiegel ein Bio-Stempel auch locker vergeben, wenn die Beeren vor Pestiziden nur so strotzen, was in deutschen Labors regelmäßig nachgewiesen wird. Gojibeeren aus konventionellem Anbau sind massiv mit Schadstoffen belastet und dienen entsprechend wenig der Gesundheit. Die langen Transportwege belasten zudem die Umwelt. Die Beeren könnten auch bei uns angebaut werden. Zahlt sich aber nicht aus, da wir kein Billiglohnland sind. Wer will schon für ein Minigehalt Beeren ernten? Gojibeeren haben Wechselwirkungen! Sie können die Wirkung von Blutverdünnern verstärken und erhöhen so das Risiko für innere Blutungen. Auch allergische Reaktionen und Kreuzreaktionen sind bekannt.

Acaibeere als Retterin des Regenwalds?

Acaibeeren sollen nicht nur schlank machen und gegen Krebs und Hautalterung wirken. Es wird ihnen nachgesagt, zur Rettung des Regenwalds beitragen. Es stimmt tatsächlich, dass für den Anbau der Acai-Palme kein Regenwald abgeholzt wird. Sie wächst in sumpfigen Regionen, für die es sonst keine Verwertung gibt. Dazu kommt das Öko- und Fairtrade-Engagement des größten US-Konzerns, der Acaibeeren anbaut. Das Einkommen der Bauern in der Region ist gesichert. Das ist toll und eine große Ausnahme. Dennoch bleiben als Minus-Punkte in der Öko-Bilanz der lange Transportweg aus Südamerika, die energieaufwendige maschinelle Verarbeitung mit Waschen, Erhitzen, Entkernen und Pürieren sowie ihre ebenso energieraubende Kühlung und Trocknung.

Warum Avocados nur aus dem Mittelmeerraum und in Bio-Qualität?

Avocados brauchen Unmengen an Wasser. Man schätzt 1000 Liter für 1 Kilogramm. Dazu graben die Großplantagen in Chile den Kleinbauern das Wasser ab. Sie bedienen sich mit dem Grundwasser und die anderen Brunnen im weiten Umkreis bleiben leer. Folgen: Die kleinen Avocado-Plantagen und Obstbäume trocknen aus, die Kleinbauern gehen bankrott, dem Selbstversorger bleibt trockene Erde. Er hat keine Möglichkeit, Tiere für den Hausgebrauch zu halten. Daneben gedeihen die riesigen Plantagen für den Export. Wasserrechte sind in Chile käuflich. Wer das Geld dafür hat, hat das Wasser. Avocado-Großplantagen brauchen Platz. In Mexico werden Wälder für den Anbau von immer größeren Plantagen illegal abgeholzt. Dazu kommt der CO2-Ausstoß durch den gekühlten Transport nach Europa. Um die negative Ökobilanz so gering wie möglich zu halten und wenigstens Ansätze von Nachhaltigkeit sicherzustellen, empfiehlt sich, das „grüne Gold“ aus dem Mittelmeerraum und in Bio-Qualität zu kaufen.

Geht glutenfrei nur mit Quinoa und Amaranth?

Immer mehr Menschen leiden unter einer Glutenunverträglichkeit. Als glutenfreie Alternativen werden Quinoa und Amaranth empfohlen. Quinoa ist reich an Mineralstoffen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und essentiellen Aminosäuren. Das Pseudogetreide ist auch eine gute Proteinquelle für Veganer. Was spricht dagegen? Mehr als 95 % von Quinoa werden in Bolivien und Peru angebaut. Das bedeutet Umweltverschmutzung durch lange Transportwege nach Europa. Aufgrund der großen Nachfrage in reichen Ländern ist der Preis nach oben geschnellt. Die Bauern können sich ihr ehemaliges Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten! Deshalb: Wenn schon Quinoa, dann nur Fairtrade-Produkte! Auch das glutenfreie Amaranth ist eine reiche Quelle an Eiweiß, Mineralien und Spurenelementen. Es wird ebenso hauptsächlich aus den Anden importiert. Auch hier sprechen die langen Transportwege gegen den Kauf. Amaranth wird durch den Export nicht zu teuer. Aber die Menge wird durch die Ausfuhr so reduziert, dass es der einheimischen Bevölkerung an diesem wichtigen Nahrungsmittel fehlt. Amaranth kann auch in Deutschland und dem übrigen Europa angebaut werden. Deshalb sollte man beim Kauf auf das Herkunftsland achten. Weitere glutenfreie Alternativen aus Europa für Mehl sind Mais, Buchweizen, Kartoffeln und Johannisbrotkern.

Wieviel Gutes ist noch drin, wenn die Früchte und Samen hier ankommen?

Die hochwertigen Nahrungsmittel sind zu empfindlich, um hier frisch serviert werden zu können. Sie werden oft zu früh geerntet, zum Teil stark verarbeitet oder liegen über Wochen in Schiffscontainern. Inwieweit da noch die versprochenen Vitamine und anderen Vitalstoffe so richtig vital sind, ist fraglich. Und wo kommen diese Mengen an Superfoods aus aller Welt plötzlich her? Bis die Riesenplantagen stehen und um den Gewinn zu optimieren, sind oft genug Plagiate unterwegs oder die Superfoods kommen nur in Spuren in den Lebensmitteln vor, die mit ihnen angereichert sein sollen.

Warum lassen wir die nährstoffreichen Produkte nicht in den Herkunftsländern?

Wir sind nicht so ausgehungert! Wie wäre es, wenn die wertvollen Nahrungsmittel den Menschen vor Ort ausreichend und bezahlbar zur Verfügung stehen und sie satt machen. Wir haben hier keinen Zusatzbedarf an gesunden Lebensmitteln! Das hippe Superfood Moringa zählt zu den nährstoffreichsten Gewächsen der Welt. In Afrika, Asien und Südamerika wird damit erfolgreich die Mangelernährung bekämpft. So soll es auch sein. Wir kommen hier auch ganz gut ohne aus.

Was sagt Öko-Test zu 22 Superfoods?

Öko-Test untersuchte 22 Produkte aus Discountern, Supermärkten, Reformhäusern und Bioläden. Davon waren zwei Drittel so mit Schadstoffen und Keimen belastet, dass sie mit ungenügend oder mangelhaft durchfielen. In konventionell angebauten Gojibeeren wurden 16 verschiedene Pestizide nachgewiesen. Zwei Chiasamen-Produkte wurden sogar als nicht verkehrsfähig bewertet, da zwei Pestizide die gesetzlichen Rückstandshöchstmengen überstiegen - und das bei Bio-Produkten. Rohkakaopulver enthielt nierenschädigendes, krebserregendes Cadmium. Immerhin 2 der 22 Produkte erhielten die Noten gut bzw. sehr gut: Bio-Gojibeeren und Bio-Kokosöl.

Wie können die Exoten durch Superfoods aus unseren Landen ersetzt werden?

Statt Chiasamen können Leinsamen auf den Tisch. Sie haben ein ähnliches Fettsäuremuster. Sie enthalten sogar noch mehr Omega-3-Fettsäuren. Leinsamen können eingeweicht mit ihren Schleimstoffen genauso den Magen beruhigen und die Verdauung fördern. Das Ganze für 3-4 Euro/kg in streng kontrollierter Euro-Bioqualität. Der Chia-Gelee aus Chia und Wasser, der von Veganern gerne als Ei-Ersatz zum Backen verwendet wird, hat mit Basilikumsamen ein einheimisches Pendant mit ähnlich geleeartigen Eigenschaften. Gojibeeren können durch schwarze Johannisbeeren ersetzt werden. Der Geschmack ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber von den Inhaltsstoffen, insbesondere dem Vitamin-C-Gehalt, steht die heimische Beere der Exotin in nichts nach. Erdbeeren und Himbeeren sind reich an Vitamin C, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. 100 g Johannisbeeren haben 40 kcal, Erdbeeren sogar nur 33 kcal, während Gojibeeren mit satten 300 kcal bei derselben Menge aufwarten. Weitere einheimische Vitamin-C- Bomben sind Sanddorn und Hagebutte. Heidelberen, Sauerkirschen und schwarze Johannisbeeren sind wunderbare Alternativen für die Acaibeeren. Auch sie strotzen vor Anthocyanidinen, die als zellschützende Radikalfänger, Aphrodisiakum und Schlankheitsmittel vermarktet werden. Avocados können durch die Kombination aus Walnüssen, Kürbiskernen und Heidelbeeren ersetzt werden.

Was haben wir noch an Superfoods zu bieten?

Vitalstoffbomben aus unserer Region sind zudem Brokkoli, Grünkohl, Walnuss-, Oliven- und Leinöl, Tomaten, Radicchio und Spinat. Wildkräuter wie Löwenzahn, Brennnessel, Bärlauch und Gänseblümchen kosten nichts, sind reich an Vitalstoffen und können Salate und Suppe bereichern. Auch einheimische Nüsse und Samen sind reichhaltige Lieferanten an Mikronährstoffen, gesunden Fetten und Eiweißen. Was will man mehr? Es ist alles da!

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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