Nachgefragt bei Frau Helm: Winterblues?!
Es ist November und warm wie im Frühling. Eigentlich sollte ich mich freuen. Aber mich irritiert das. Meine innere Uhr ist auf warme Decke und Sofa eingestellt. Endlich nicht mehr draußen herumrennen und daueraktiv sein müssen. Stattdessen drinnen bleiben und es mir nach der Arbeit gemütlich machen können. Ich will loslassen, entspannen, Einkehr halten in der dunklen Jahreszeit. Ziemlich schwierig bei den Temperaturen.
Das Leben ist rhythmisch
Das Leben findet in Rhythmen und Zyklen statt. Es ist nicht geradlinig. Und es geht schon gar nicht immer nach oben. Auch nicht geradeaus. Alles im Leben verläuft rund. Im Kreis. Im Frühling sprießt es, im Sommer blüht es, im Herbst wird geerntet. Im Winter sammelt man sich in der Ruhe und Kargheit. Das war in der Steinzeit schon so. Und das ist – von einigen klimawandelbedingten Änderungen abgesehen - immer noch so.
Für mich hat das etwas Beruhigendes. Eines der wenigen Dinge, auf die man sich noch verlassen kann. Auch wenn die Jahreszeiten heute etwas verrutscht sind und die eine oder andere mal zu kurz kommt, spiegeln sie das immerwährende Prinzip: Anfang – Aufstieg – Blüte – Ernte – Ende. Man kann sich dagegen wehren, kämpfen, die Augen davor verschließen. Bringt aber nichts. Das Leben schwingt in diesem Rhythmus. Es ist rund. Und das ist gut so.
Im Rhythmus mitgehen und ihn gestalten
Wir sind nicht Opfer dieser Bewegung. Wir können auf den Zug des Lebens aufspringen und die 4 Jahreszeiten in jedem Lebensbereich, auch an jedem Tag bewusst gestalten. Wir sind die Chefs, die Manager unseres Lebens. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Es ist immer auch eine Unbekannte mit im Spiel. Das Leben verläuft nicht immer logisch, schon gar nicht vernünftig. Dazu ist es viel zu lebendig. Es findet eine ständige Zwiesprache statt zwischen unserem Tun und Korrekturen von außen, die wir nicht immer verstehen müssen. Sie sind einfach da. Gehören dazu, wie der Kreis. Aber wir können unseren Teil übernehmen und unsere Rolle im Rhythmus des Lebens mit all der Lust und Kreativität spielen, die in jedem von uns steckt.
Sommer ade!
Um das Leben in die Hand zu nehmen, brauchen wir nicht 30 Grad Celsius und blauen Himmel. Diese Sommer-Accessoires sind auch gar nicht mehr passend. Also weinen Sie ihnen nicht nach. Wir sind im November und bewegen uns schnurstracks auf den 1. Advent zu. Das ist die Bühne, auf der unser Leben gerade stattfindet. Da hilft kein Jammern. Wozu auch? Sehen Sie diese spätherbstliche Bühne als die Chance Ihres Lebens vor sich und machen Sie etwas daraus!
Schreiben Sie Ihr Drehbuch für diesen Herbst/Winter
Sie sind der Regisseur Ihres Lebens. Sie schreiben sich Ihre Rollen selbst auf den Leib. Welche Rolle passt denn in die dunkle Jahreszeit? Womit können Sie sich denn etwas Gutes tun, wenn es draußen Grau in Grau ist, wenn es ewig dauert, bis es hell wird, und gefühlt nach wenigen Stunden schon wieder dämmert. Was passt perfekt für Sie in diesem Herbst/Winter? Machen Sie sich 2 Listen: Eine mit Pflichten, die Sie an Grau-in-Grau-Tagen super abarbeiten können. Und eine mit angenehmen Wohlfühl- und Entspannungsmaßnahmen, die nur in diese Jahreszeit passen und auf die Sie sich jetzt schon freuen können.
Lassen Sie die Grundstimmung in jede Zelle vordringen
Damit meine ich jetzt nicht den Winterblues, den Sie sicher nicht in Ihr Drehbuch mit aufgenommen haben. Ich meine die Stimmung, die im Jahresrhythmus jetzt dran ist: Entspannen, Loslassen, stille Momente genießen, Schutz und Wärme finden in den eigenen 4 Wänden, sich langsam einsinken lassen in ein heißes Bad mit dem Lieblingsduft und Kerzenlicht. Spüren Sie die Entspannung? Die Erleichterung, dass neben der Alltagsbewältigung mal Ruhe sein darf, abhängen, Beine hoch und gar nichts tun müssen, spüren Sie das? Ich spüre es, spätestens, wenn ich die Augen schließe, tief einatme und ganz lange ausatme. Was könnte schöner sein?
Aus dem Käfig der Narren des Alltags herauskommen
Es ist Spätherbst/Winter. Sie brauchen definitiv nicht mehr zu rennen. Schon vergessen? Wenn es doch noch sommerlich kribbelt und Sie noch nicht in der jetzigen Jahreszeit angelangt sind, wenn Sie den kleineren Gang noch nicht in vollen Zügen genießen können, was dann? Ganz einfach: Entweder Sie brauchen ein körperbetontes Programm: Sport (Walken statt Joggen), Pilates, Yoga oder jede andere Bewegungsform, die Ihnen liegt. Auch Sex trägt wunderbar zum Entspannen bei. Oder Loslassen funktioniert bei Ihnen mental: Legen Sie sich dazu ohne Zeitlimit aufs Sofa. Schließen Sie die Augen und lassen Sie alles, was in Ihrem Kopf auftaucht kommen und auch wieder gehen. Sie tun nichts. Sie schauen nur innerlich zu. Wenn Sie sich an einem Gedanken oder Gefühl festbeißen wollen, ist das okay. Lassen Sie auch das Festbeißen wieder gehen, wie es gekommen ist. Hilfsmittel: Atmen Sie länger aus als ein. Auch Entspannungsübungen, Meditation und Gebet eignen sich hervorragend zum Loslassen.
Loslassen wagen, Klarheit gewinnen
Loslassen kann ganz schön gefährlich sein. Wer weiß, was dabei herauskommt? Schließlich lassen Sie die Kontrolle los, Ihr Sicherheitsbedürfnis, vielleicht sogar Teile Ihres Selbstbildes. Loslassen ist vertrauensvolle Hingabe, ohne sich in das innere Geschehen einzumischen. Keine Zensur. Eher eine Zäsur. Einfach Ruhe im Karton. Das Gewohnte fließt dahin und davon. Ohne Ihr Zutun. Und je stiller und leerer es in Ihnen wird, umso klarer sind Sie plötzlich. Vielleicht nicht sofort, aber sicher zeitnah. Sie spüren ganz tief die Antwort auf eine wichtige Frage. Oder Sie bekommen ein Bild, wo es als nächstes hingeht. Wenn Sie den Mut aufbringen, loszulassen, werden Sie mit Klarheit belohnt. Sie sind wieder handlungsfähig. Und es geht kein Weg mehr an einer wichtigen, überfälligen Handlung vorbei. Das wissen Sie. Setzen Sie sich in Bewegung.
Aktualisieren Sie sich und Ihr Leben: Altes verabschieden – Leere aushalten – Neues einladen
Das klingt nach Arbeit. Ist es aber nicht. Es passt perfekt in die graue und dunkle Jahreszeit. Endlich Zeit und Muse, hinzuschauen, eine Bestandsaufnahme zu machen und Dinge, auch Verhaltens- und Reaktionsweisen gehen zu lassen, die nicht mehr zu Ihrer heutigen Persönlichkeit, zu Ihrem jetzigen Leben und Ihrer Vision für die Zukunft passen. Mir hilft auch hier immer eine Sammelliste. Schriftlich etwas festzuhalten, macht es konkreter, greifbarer. Es wir eher umgesetzt, als wenn ich nur darüber nachdenke.
Was ist zu Ende? Bedanken Sie sich, setzen Sie es vor Ihrem inneren Auge in ein Boot und lassen Sie es auf dem Wasser davontreiben. Wenn Sie traurig sind, weinen Sie. Das hält Sie lebendig und erleichtert den Abschied. Lassen Sie sich alle Zeit, die Sie dafür brauchen. Vielleicht hilft es auch, Zimmer umzugestalten oder Schränke auszuräumen oder sich von einem ganz bestimmten Symbol für die Sache, die Sie gehen lassen, zu trennen. Für Abschied ist genau jetzt die Zeit. Leere aushalten gehört zum tiefsten Winter. Neues einladen passiert dann ganz von alleine im Frühling. Sie werden es sehen!
Und was, wenn Sie doch mal der Winterblues überkommt?
Dann lassen Sie ihn kommen. Bitten Sie ihn herein. Sagen Sie: „Hallo Winterblues. Alles klar? Bei mir schon. Setz dich doch zu mir an den Küchentisch. Ich lad dich zu einem Kaffee ein in meiner wohlig warmen Stube. Du bist immer willkommen. Sei mein Gast, nimm‘ dir ein Keks, trink deinen Kaffee und lass es dir genauso gut gehen, wie ich es tue.“ Was meinen Sie, was der für Augen macht. Keiner, der mit ihm kämpft und den er erschrecken kann. Das ist ihm nicht geheuer. Da weiß er gar nichts mit anzufangen und geht gleich weiter. Sagen Sie freundlich Tschüss und wünschen Sie ihm einen schönen Winter, dem Blues.
Alles zu seiner Zeit
Jetzt haben wir uns echt gut in die spätherbstliche und winterliche Zeitqualität eingeschwungen. Das Jahresrad dreht sich und wir sind dabei. Kein Kämpfen, kein Klagen, nein, genießen, was wir in unserem Drehbuch zusammengestellt haben, unser Regisseuren-Dasein bewusst ausfüllen, die winterliche Bühne dekorieren und mit Leben füllen. Die Zeit ist dafür wie geschaffen: Sich verwöhnen im Duft von Glühwein und Zimtsternen, den Körper genießen mit Bädern, Massagen und wohlriechenden Ölen, die Seele nähren durch Stille, Loslassen und Entspannen, die Persönlichkeit stärken durch Abschied von Überholtem, den Geist erholen vom Alltagsgebrabbel durch eigene Bilder, die auftauchen und Ihnen den Weg zeigen, wie der Stern von Bethlehem. Ein Schlaraffenland, wie es reicher und wohltuender nicht sein kann. Nur eben herbstlich-winterlich. Ich wünsche Ihnen für diese Zeit von Herzen alles Gute.
Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.