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Narzissmus im Zeitalter von Selfie, Instagram & Co.

Kommentar schreiben Aktualisiert am 13. Juli 2016

Was bei manchen Menschen als lästiger Charakterzug abgetan wird, hat bei anderen die Ausprägung einer Persönlichkeitsstörung. Narzissmus ist ein anerkanntes Krankheitsbild. In Zeiten von Selfie, Instagram und Co. werden die Ich-bezogenen Charakterzüge häufig nur zu deutlich. Doch was verbirgt sich hinter dem sperrigen Begriff?

Narzissten sind selbstverliebte Menschen, die sich für die Allergrößten halten. Sie nehmen sich rücksichtslos, was sie brauchen und was ihnen aus ihrer Sicht ganz selbstverständlich zusteht. Einfühlungsvermögen ist ihnen fremd. Der andere ist dafür da, sie zu bewundern und nach ihrer Pfeife zu tanzen. Um noch größer dazustehen, setzen sie Partner und Arbeitskollegen herab, schikanieren und benutzen sie. Verzaubern sie anfangs noch ihr Gegenüber mit ihrem Charme, untergraben sie bald sein Selbstbewusstsein und hinterlassen bleibende seelische Schäden. Studien zeigen, dass die heutige Jugend die narzisstischste Generation aller Zeiten ist. Wer ist die Schönste und der Tollste im Land? Eine Selfie-Serie da, ein Facebook-Post dort. Ab wann ist Selbstliebe krankhaft? Was sind die Ursachen für Narzissmus? Wie laufen Beziehungen mit Narzissten ab und wie geht man damit um?

Was ist Narzissmus?

Narzissmus bedeutet eine übertriebene Selbstverliebtheit. Sie lässt keinen Raum für die Wünsche anderer. Der Narzisst beschäftigt sich ausschließlich mit sich selbst. Sein Umfeld hat nur eine einzige Aufgabe: ihn zu bewundern und mit allem zu versorgen, wonach es ihm gerade ist. Kritiklos, versteht sich. Denn Kritik erträgt er überhaupt nicht. Sie deckt sich nicht mit seinem grandiosen Selbstgefühl, mit der Vorstellung, der Größte und Schönste zu sein. Es gilt nur eine Meinung: seine. Diese Überempfindlichkeit, die sich in Wut und seelischer Grausamkeit Luft macht, weist auf sein wirkliches Wesen hin: Er hat gar kein Selbstbewusstsein. Er fühlt sich klein und machtlos. Deshalb muss er sich so aufplustern und seinen Größenwahn pflegen. Während er sich überschätzt, wertet er andere ab. Das erhebt ihn noch mehr und tritt den anderen vollends in den Staub. Ein Narzisst kann sich nicht in Menschen einfühlen. Mitfühlen kann man nur, wenn man sich selbst fühlt. Das tut der Narzisst nicht. Er hat keinen Kontakt zu sich. Er agiert kalt, arrogant, selbstbezogen und sadistisch.

Was ist der Unterschied zwischen gesundem und krankhaftem Narzissmus?

Bei der positiven Form von Narzissmus hat man ein gesundes Selbstbewusstsein. Man spürt sich und seine Bedürfnisse und sorgt für sich und andere. Geben und Nehmen sind ausgeglichen. Man ruht in sich selbst und ist anderen zugewandt. Auch bei Kritik und Misserfolgen bleibt das Selbstvertrauen bestehen. Ehrgeiz und das Bedürfnis nach Anerkennung gehören dazu, ohne dass das Selbstwertgefühl davon abhängig ist. Kurz: ein gesunder Narzissmus ist Voraussetzung für eine stabile, zufriedene Persönlichkeit, Beziehungen auf Augenhöhe und erfüllende soziale Kontakte.

Anders sieht es bei der krankhaften Form aus. Sie basiert auf mangelndem Selbstbewusstsein. Es besteht kein Kontakt zu sich selbst. Deshalb ist man auf die Bewunderung des Umfelds angewiesen. Um sie zu erhalten, wird manipuliert und gedemütigt. Krankhaft wird es dann, wenn der Betroffene darunter leidet, dass keiner mehr etwas mit ihm und seiner geschwollenen Brust zu tun haben möchte, oder, was wahrscheinlicher ist, das Umfeld leidet und einen Therapeuten braucht, um wieder zu sich zu kommen.

Wie entsteht Narzissmus?

Kinder, die nicht genügend Zuwendung und Bestätigung erfahren, können dieses Manko durch übertriebene Selbstliebe kompensieren. Entweder sie wurden gar nicht beachtet oder es wurde ihnen eine zu hohe Verantwortung aufgebürdet. Zumindest ging es nicht um ihre einzigartige Persönlichkeit. Da ihnen die Basis für echtes Selbstbewusstsein fehlt, wird es künstlich exzessiv zur Show gestellt. Zudem geht man von einer erblich bedingten Veranlagung aus.

Wodurch wird narzisstisches Verhalten heute verstärkt?

Die nach 1982 Geborenen gelten als die narzisstischste Generation aller Zeiten. Immer mehr Jugendlichen fällt es schwer, tragfähige soziale Kontakte aufzubauen. Was bleibt ist, sich selbst zur Hauptperson zu ernennen und in den Mittelpunkt zu rücken. Genährt wird die Tendenz zur Selbstbezogenheit heute eher, weil die Kinder zu sehr verwöhnt werden. Auch die Arbeitsbedingungen tragen dazu bei: Viele sind selbst im Großraumbüro allein in ihren Computer vertieft. Immer mehr Menschen arbeiten im Home-Office. Die sozialen Kontakte finden digital statt. Der ehemalige Spiele-Abend mit Freunden reduziert sich auf Spiele im Smartphone. Soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz verkümmern.

Dazu kommen zunehmend Alleinerziehende oder kriselnde Ehen, bei denen die Kinder unbewusst in die Ersatzpartner-Position gerückt werden. Das erhebt sie in den Status des „Mannes oder der Frau im Haus“, was sie nicht nur überfordert, sondern auch ihre Selbstüberschätzung initiiert.

Wie sieht eine Beziehung mit einem Narzissten aus?

Anfangs verstehen es Narzissten, sich beliebt zu machen. Sie erscheinen attraktiv und überzeugen durch ihre scheinbare Sensibilität. Sie lesen dem neuen Partner jeden Wunsch von den Augen ab und ziehen ihn in ihren Bann. Wenn sie ihn da haben, wo sie ihn haben wollen, voller Bewunderung zu ihnen aufblickend, zeigen sie ihr wahres Gesicht: Sie wollen alles, nehmen alles und geben nichts. Dabei erniedrigen sie noch den Partner, trampeln auf ihm herum und werten ihn ab. In seinem Co-Narzissmus ist er zu Diensten, bewundernd, gibt alles, um endlich seinerseits geliebt zu werden. Doch das wird trotz aller Bemühungen und Selbstaufopferung nie geschehen. Selbstbewusstsein und Selbstachtung schwinden. Im Extremfall bleiben nur die Trennung und professionelle Hilfe, um sich wieder aufzubauen.

Wie geht man mit Narzissten um?

Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass man es mit einem Narzissten zu tun hat. Das betrifft besonders Beziehungen. Wer die Partnerschaft trotzdem weiterführen möchte, muss sich klar sein, dass der Narzisst sich nicht ändern wird. Das heißt, konsequent Grenzen zu setzen und sich regelmäßig der hypnotisierenden und manipulierenden Art dieses Partners zu entziehen: eigene Wohnung, eigene Urlaube, ein freier Abend in der Woche. Der Narzisst wird alle Hebel in Bewegung setzen, diesen Machtverlust zu verhindern. Aber anders geht es nicht, wenn „das Opfer“ seelisch überleben will. Kontakte, die das Selbstbewusstsein aufbauen, sind elementar. Zu verstehen, dass man es dem Narzissten nie recht machen und ihn schon gar nicht therapieren kann, auch. Wenn man eine Aktion von ihm gut findet, kann man ihm mit einem authentischen Lob entgegenkommen. Hilfreich ist, das kleine, sensible Kind in dem Selbstverliebten zu sehen, das sich minderwertig fühlt. Das entzaubert ihn.

Ist Narzissmus heilbar?

Aus Sicht des Narzissten brauchen alle Therapie, nur er nicht, denn er ist schon perfekt. Erst schwere Schicksalsschläge oder eine andere Form von Leidensdruck könnten ihn eventuell dazu bringen, sich in professionelle Hände zu begeben. Da er alles besser weiß und besser kann, kommt auf den Therapeuten eine höchst undankbare Aufgabe zu.

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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