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Neue Studienergebnisse: Viagra könnte das Risiko für Alzheimer reduzieren

Kommentar schreiben Aktualisiert am 08. November 2022

In Deutschland leben schon heute etwa 1,2 Millionen Menschen mit der Alzheimerschen Krankheit. Weltweit gibt es mindestens 46,8 Millionen Menschen, die an einer Form von Demenz leiden. Ihnen allen kann die Medizin momentan noch nicht helfen, denn es gibt immer noch keine wirksame Behandlung. Einige neue Forschungsarbeiten zeigen aber, dass der Wirkstoff Sildenafil (bekannt durch das Potenzmittel Viagra) das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, deutlich senken könnte.

 

 

Einige Fakten zur Alzheimerschen Krankheit

Die Alzheimersche Krankheit (oft auch kurz Alzheimer genannt) ist die häufigste Form von Demenz. Diese Krankheit führt zu einer stetigen Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten. Das beginnt mit leichten Einschränkungen des Gedächtnisses und führt am Ende zum Verlust der Fähigkeit, ein Gespräch zu führen oder auch nur auf die Umgebung zu reagieren.

 

Die betroffenen Teile des Gehirns sind für rationale Überlegungen, das Gedächtnis und die Sprache zuständig. Nach einiger Zeit beeinträchtigt die Krankheit die Fähigkeit, alltägliche Aktivitäten auszuführen. Unter verschiedenen ethnischen Gruppen unterscheidet sich die Anfälligkeit für die Krankheit etwas. Sie betrifft Menschen mit afrikanischer Abstammung stärker als solche mit europäischer Abstammung.

 

Die Krankheit betrifft vor allem Menschen über 65, aber auch Jüngere können sie bekommen. Der Anteil der Menschen mit Alzheimer verdoppelt sich ab dem 65. Lebensjahr alle fünf Jahre. Bis 2060 rechnet man damit, dass sich die Zahl der Alzheimer-Patienten in den westlichen Industrieländern fast verdreifachen wird. Bei einem normalen Verlauf der Krankheit treten die ersten Symptome der Krankheit nach dem 60. Lebensjahr auf.

 

Der momentane Stand der Wissenschaft

Momentan versteht die Wissenschaft noch nicht vollständig, was die Alzheimer-Krankheit verursacht. Es gibt, wie man annimmt, nicht eine einzelne Ursache, sondern mehrere Faktoren, die sich auf das individuelle Risiko unterschiedlich auswirken.

 

Das Alter ist der bislang bekannteste Risikofaktor. Forscher glauben auch, dass die Genetik eine Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit spielt. Wer genetisch für die Alzheimersche Krankheit anfällig ist, muss jedoch nicht zwangsläufig erkranken.

 

Ein gesunder Lebensstil kann dazu beitragen, das Risiko, dass die Krankheit zum Ausbruch kommt, zu verringern. Neue Forschungsarbeiten zeigen, dass angemessene körperliche Aktivität, eine gesunde Ernährung, begrenzter Alkoholkonsum und Verzicht auf das Rauchen den Menschen helfen können, das Risiko zu verringern. Die von der Krankheit ausgelösten Veränderungen im Gehirn können schon Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen.

 

Momentan sind Forscher dabei, zu untersuchen, ob Bildungsstand, Ernährung und Umwelt eine Rolle bei der Entstehung der Alzheimerschen Krankheit spielen. Dabei treten immer mehr Hinweise zutage, dass eine gesunde Lebensweise, die nachweislich Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen vorbeugt, auch das Risiko für einen kognitiven Verfall verringert. 

 

Bei der Erforschung der Auswirkungen von Medikamenten, die schon auf dem Markt sind, entdeckten Mediziner einen weiteren Ansatzpunkt: Vielleicht kann der Wirkstoff Sildenafil, bekannt vor allem unter dem Markennamen Viagra, auch zur Vorbeugung gegen die Alzheimersche Krankheit dienen.

 

Könnte Viagra das Alzheimer-Risiko senken?

Eine neue Studie hat herausgefunden, dass Menschen, die Viagra eingenommen haben, weniger oft an der Alzheimerschen Krankheit erkranken. Die führenden Experten in diesem Forschungsgebiet betonen allerdings auch, dass weitere Studien nötig sind, um die Ergebnisse zu überprüfen.

 

Neue Studienergebnisse: Viagra könnte das Risiko für Alzheimer reduzieren

 

Zum Design der Studie sagte einer der Autoren, Dr. Feixiong Cheng vom Genomic Medicine Institute der Cleveland Clinic in Ohio, USA: „Nachdem wir die Literatur durchsucht hatten, fanden wir mehrere Tierstudien, die mögliche Behandlungseffekte von Sildenafil in verschiedenen vorklinischen Modellen zeigten.“ Dr. Cheng und sein Team analysierten Daten von mehr als sieben Millionen Menschen und stellten fest, dass Sildenafil die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Krankheit signifikant verringerte. Laut den Forschern deuten diese Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Nature Aging veröffentlicht wurden, darauf hin, dass Sildenafil schon in naher Zukunft zur Bekämpfung von Demenz verschrieben werden könnte.

 

Die Studie untersuchte über tausend von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde zugelassene Medikamente. Dabei verwendete man Versicherungsdaten, eine große Datenbank mit genetischen Informationen und zusätzliche Fakten, um herauszufinden, welche der gebräuchlichsten Medikamente auf dem amerikanischen Markt eine Wirksamkeit gegen die Alzheimersche Krankheit zeigten.

 

Multi-Target-Medikamente

Die Pathophysiologie der Alzheimerschen Krankheit ist sehr komplex. Bei ihrem Ausbruch spielen mehrere Faktoren zusammen, beispielsweise eine Beeinträchtigung der Übertragung von Impulsen durch die Nervenzellen oder die Ansammlung verschiedener Proteine.

 

Die Alzheimersche Krankheit beginnt manchmal Jahrzehnte vor dem Auftreten der ersten Symptome einer Demenz. Die momentan vorhandenen Behandlungen können die Symptome nur geringfügig lindern, die Krankheit aber nicht verlangsamen oder zum Stillstand bringen.

 

Neue Ansätze mit Multi-Target-Medikamenten zielen auf verschiedene Faktoren innerhalb der Pathophysiologie der Krankheit ab, um therapeutische Synergien zu erzielen. Bei der erwähnten Studie konzentrierten sich die Forscher auf Medikamente, die zwei Proteine beeinflussen, die als Marker der Alzheimer-Krankheit gelten: Amyloid und Tau. Frühere Forschungen hatten nur die Wirkung auf jeweils eines dieser Proteine untersucht.

 

Dieser Ansatz gilt jedoch, laut Dr. Cheng, als gescheitert. Sein Team testete ein neues Verfahren, das „duale Targeting“ von Amyloid und Tau. In Interviews erklärte Dr. Cheng, dass Alzheimer eine sehr komplexe Krankheit ist. Multi-Target-Medikamente oder Kombinationstherapien, die auf mehr als einen Krankheitsweg abzielen, versprechen seiner Ansicht nach den größten Nutzen bei der Behandlung.

 

Die Entdeckung von Sildenafil als mögliche Behandlung

„Durch das Testen dieser neuartigen Hypothese haben wir Sildenafil als potenzielle Behandlung von Alzheimer identifiziert“, erklärte Dr. Cheng.

 

Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, war bei Probanden seiner Studie, die Viagra nahmen, um fast 70 % geringer als bei Probanden, die kein Viagra nahmen.

 

Bei einer weiteren Untersuchung sechs Jahre später fanden Forscher der Cleveland Clinic ebenfalls heraus, dass Menschen, die Sildenafil einnahmen, mit 69 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkrankten als diejenigen, die das Medikament nicht einnahmen.

 

Um das Potenzial des Medikaments zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit weiter zu untersuchen, erstellten Dr. Cheng und sein Team ein Labormodell, das zeigte, dass Sildenafil das Tau-Protein beeinflusst und das Wachstum von Gehirnzellen erhöht. So gewannen die Forscher einen Eindruck, wie das Medikament gegen den degenerativen Zustand wirken könnte.

 

Wirksame Behandlung oder Korrelation?

Es ist wichtig zu beachten, dass die Studie nicht herausgefunden hat, dass Sildenafil das Risiko, an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken, tatsächlich reduziert. Die Einnahme des Medikaments war nur mit einem geringeren Risiko verbunden. Dieser feine Unterschied macht es nötig, mögliche einschränkende Faktoren in weiteren Studien zu untersuchen.

 

Dazu sagte Dr. Chen: „Obwohl wir viele Störfaktoren in unserer Patientendatenanalyse basierend auf unseren beträchtlichen Bemühungen angepasst haben, können aufgrund unseres begrenzten klinischen Wissens über diese komplexe Krankheit mögliche Störfaktoren bestehen.“ Er betonte, dass die Ergebnisse in klinischen Studien bestätigt werden müssen, bevor Sildenafil regulär zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden kann. Der nächste Schritt auf diesem Weg wird eine Studie mit einer randomisierten Kontrollgruppe sein.

 

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Einschränkungen der vorhandenen Studie

„Diese Studie untersucht Daten von einer sehr großen Anzahl von Menschen, aber es gibt einige wichtige Einschränkungen zu berücksichtigen“, sagte beispielsweise Prof. Tara Spires-Jones, die stellvertretende Direktorin des Centre for Discovery Brain Sciences an der Universität Edinburg.

 

Laut Prof. Spires-Jones stammen die Studiendaten von Versicherungen, sind nicht sehr detailliert und enthalten keine Informationen zu anderen wichtigen Risikofaktoren für Alzheimer, etwa Geschlecht, Risikogene und sozioökonomischer Status.

 

Sie wies in einer Erklärung darauf hin, dass es andere mögliche Erklärungen für die Ergebnisse geben könnte: „Zum Beispiel wissen wir, dass Gehirnveränderungen Jahrzehnte vor Demenzsymptomen beginnen und es ist möglich, dass diese frühen Alzheimer-Veränderungen den Sexualtrieb reduzieren, sodass die Menschen nicht nach einer Behandlung gegen erektile Dysfunktion fragen würden.“

 

Momentan ist nur ein Medikament zur Behandlung von Alzheimer zugelassen

In den USA wurde der Wirkstoff Aducanumab unter dem Markennamen Aduhelm im Juni 2021 zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Es ist in den USA das einzige für diesen Zweck zugelassene Medikament.

 

Dafür wurde eine beschleunigte Zulassung von der FDA erteilt, wie sie möglich ist, wenn eine schwere Erkrankung behandelt werden soll, für die es keine Heilung gibt. Voraussetzungen dafür können Labormessungen oder Wirkung auf körperliche Symptome beinhalten, aus denen man auf einen klinischen Nutzen schließen kann.

 

Aducanumab ist allerdings kein Heilmittel für die Alzheimer-Krankheit“, sagte Dr. Winston Chiong, Mitglied des Ausschusses für Ethik, Recht und Geisteswissenschaften der American Academy of Neurology, gegenüber der Psychiatric Times. Er kritisierte, dass dieses Medikament teuer ist und von der FDA ohne überzeugende Beweise für seinen Nutzen zugelassen wurde. Außerdem verursacht es bekannte Schäden.

 

Nach Angaben des Weill Institute for Neurosciences leiden etwa 40 Prozent der Patienten, die Aducanumab genommen haben, an einer Form der Gehirnentzündung (ARIA), die zu Blutungen oder Schwellungen im Gehirn führt.

 

Diese schwerwiegenden Nebenwirkungen, die größer als der Nutzen des Medikaments sind, waren der Grund, warum die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am 17. Dezember 2021 eine Zulassung des Wirkstoffs Aducanumab abgelehnt hat.

 

Änderungen des Lebensstils, die das Alzheimer-Risiko verringern können

Eine im Juli 2020 veröffentlichte Studie ergab, dass Menschen, die mindestens vier von fünf der folgenden gesunden Lebensgewohnheiten aufweisen, ein um 60 Prozent niedrigeres Demenzrisiko haben:

 

  • Körperliche Aktivität
  • Nicht rauchen
  • Geringer Alkoholkonsum
  • Gesunde Ernährung
  • Geistige Aktivität

 

Neue Studienergebnisse: Viagra könnte das Risiko für Alzheimer reduzieren

 

Was die Ernährung betrifft, empfehlen einige Forscher eine pflanzenbasierte mediterrane DASH-Diät, die speziell gegen Demenz wirken soll.

 

Dr. Richard J. Hodes, der Direktor des amerikanischen National Institute on Aging sagte dazu in einer Erklärung: „Diese Beobachtungsstudie liefert weitere Beweise dafür, wie eine Kombination von modifizierbaren Verhaltensweisen das Risiko der Alzheimer-Krankheit mindern kann.“

 

Fazit: Weitere Untersuchungen sind nötig

Die erwähnte Studie hat gezeigt, dass Sildenafil, ein zugelassenes Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck und erektiler Dysfunktion, die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, deutlich verringern könnte. Namhafte Experten sagen jedoch, dass diese Studie nur einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Viagra und einem reduzierten Alzheimer-Risiko zeigt. Als gesichert kann aber gelten, dass Faktoren des Lebensstils wie ein Verzicht auf das Rauchen und körperliche Aktivität das Risiko einer Demenz erheblich verringern.

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apomio-Redaktion
Autor: apomio-Redaktion

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