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Ohne Chemie gegen die Flaute im Bett: natürliche Potenzmittel

Kommentar schreiben Aktualisiert am 18. Februar 2020

Stark sein, volle Leistung bringen, buchstäblich „seinen Mann stehen“ – für nicht wenige Männer ist das die Basis für ihr Selbstwertgefühl. Das gilt nicht zuletzt im Bett. Kein Wunder also, dass Potenzmittel hoch im Kurs stehen, wenn aus den unterschiedlichsten Gründen das „beste Stück“ mal schlappmacht oder die Lust nachlässt. Allein in Deutschland sind es schätzungsweise drei bis fünf Millionen Männer, die unter einer sogenannten erektilen Dysfunktion leiden, also beim Sex keine ausreichende Erektion bekommen oder halten können.1

 

Weltweit setzt das Pharmaunternehmen Pfizer allein mit der Männerpille Viagra jährlich 1,7 Millionen US-Dollar um 2, zahlreiche weitere lust- und erektionssteigernde Medikamente dürften ähnlich große Geldmengen in die Kassen der Hersteller spülen. Neben chemischen Mitteln gibt es allerdings auch vielerlei Arzneien mit Wirkstoffen aus der Natur und dem Tierreich, die dazu beitragen können, dass es im Bett wieder besser läuft.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Eine große Zahl natürlicher Lust- und Potenzstärker gibt es heute in der Apotheke als rezeptfrei erhältliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel. Darüber hinaus schwören Menschen schon seit vorchristlichen Zeiten auf bestimmte pflanzliche oder tierische Nahrungsmittel, die sie entweder als Aphrodisiakum (also zur reinen Luststeigerung) oder gezielt zur Potenzstärkung nutzen. Es ist bekannt, dass Männer wie auch Frauen bereits in grauer Vorzeit Wirkstoffe aus Pflanzen, Kräutern und Substanzen tierischer Herkunft nutzten, um ihre Lust zu wecken bzw. zu steigern und die männliche Standfestigkeit zu unterstützen – von Pfeffer, Petersilie oder Muskatnuss bis hin zu Stier- und Tigerhoden oder Haifischflossen. Nachweise über die Wirksamkeit sind allerdings bis heute schwer zu finden; generell gibt es kaum seriöse wissenschaftliche Studien, die die potenzsteigernde Wirkung natürlicher Mittel belegen könnten.

 

Ebenso wie chemische Präparate wirken auch natürliche Potenzmittel über eine bestimmte Abfolge von Geschehnissen im Körper. Damit es zu einer Erektion kommen kann, braucht der männliche Organismus den Botenstoff zyklisches Guanin-Monophosphat (cGMP). Wenn dieser ausgeschüttet wird, aktiviert er einen bestimmten Stoff, der die glatten Muskeln in den Schwellkörpern zum Erschlaffen bringt, sodass sich die Adern weiten können, Blut in die Schwellkörper strömen und der Penis erigieren kann. Zur Wiedererschlaffung des Gliedes braucht es wiederum das Enzym PDE-5. Synthetische Präparate wie Viagra hemmen dieses Enzym; aber auch viele natürliche Potenzmittel werden als PDE-5-Hemmer verkauft. Das heißt, auch sie sollen verhindern, dass das erektionsfördernde cGMP abgebaut wird.3

 

1. Häufig empfohlen, gut erforscht: Ginseng, Safran und Yohimbin

 

Pflanzen- und Tierextrake verdanken ihre Wirkung häufig einem durchblutungsfördernden Effekt, der sich natürlich auch auf die Blutgefäße in den Geschlechtsorganen auswirkt.4 Dies kann z.B. bei Brennnesseln oder Sellerie der Fall sein. Petersilie, ebenfalls seit jeher als Aphrodisiakum bekannt, kann u.a. die Muskeltätigkeit in der Gebärmutter anregen, sodass es sich auch als Luststeigerer für Frauen eignen soll.

 

Zu den wohl am besten erforschten Mitteln, deren gute Wirksamkeit von den meisten Experten zumindest für wahrscheinlich gehalten wird, gehört sicherlich die Ginsengwurzel. Wie Untersuchungen koreanischer Forscher ergaben5, erhöht der Wirkstoff aus dieser Wurzel die Produktion von Stickstoffmonoxid im Blut, was einen gefäßerweiternden (und damit auch erektionsfördernden) Effekt haben kann. Zudem soll Ginseng die Muskelzellen im Penis entspannen, sodass das Blut besser in die Schwellkörper hineinfließen kann. Der „Apotheken Umschau“4 zufolge hält vor allem Ginseng, aber auch das exotische Gewürz Safran einer wissenschaftlichen Prüfung als mögliches Potenzmittel stand. Wie das Verbrauchermagazin berichtet, fanden kanadische Forscher heraus, dass sich bei Männern, die zehn Tage lang 200 Milligramm Safran schluckten, die Erektionsfähigkeit und Standfestigkeit tatsächlich verbesserte. Ginseng zeigte ähnliche Wirkungen bei Versuchen an Männern wie Frauen sowie bei Mäusen. Somit befürworten viele Mediziner die Einnahme dieses natürlichen Mittels; zur Verbesserung der erektilen Funktion sollten Ginseng-Präparate (anders als Potenzmittel wie Viagra) jedoch nicht direkt vor dem Sex, sondern über Wochen und Monate eingenommen werden.

 

Die „Apotheken Umschau“ nennt auch Yohimbin4, 6, dessen Wirkung spätestens 45 Minuten nach der Einnahme eintritt und etwa zwei Stunden anhält. Die aus der Rinde und den Blättern des afrikanischen Yohimbe-Baums gewonnene Substanz wirkt im Gehirn und kann somit vor allem bei Potenzstörungen psychischer Ursache helfen. Yohimbin, so das Blatt, hatte bei der medikamentösen Behandlung von Erektionsstörungen eine große Rolle gespielt, bevor chemische Mittel wie Viagra ihren Siegeszug antraten. Studien zur Wirksamkeit gebe es jedoch in nicht ausreichender Form. Laut dem Online-Fachportal „Netdoktor“7 ist Yohimbin allerdings mit Vorsicht zu genießen, da es zwar die Durchblutung im Leistenbereich und die Lust steigern, gleichzeitig aber – vor allem in höheren Dosierungen – u.a. zu schmerzhafter Dauererektion (Priapismus) und anderen unangenehmen Begleiterscheinungen bis hin zu Herzfunktionsstörungen führen könne.

 

2. Wirksamkeit nicht ausreichend belegt

 

Der Facharzt für Männermedizin (Andrologie) und Urologie Prof. Frank Sommer, der auch der Deutschen Gesellschaft für Männergesundheit vorsteht, führt in seinem Fachportal männergesundheit.info5 einige weitere Substanzen auf, bei denen eine potenz- und lustfördernde Wirksamkeit zumindest für möglich gehalten wird. Dazu gehören, um nur einige zu nennen, 

 

Arginin, eine Aminosäure, das insbesondere auf die glatte Muskulatur des Schwellkörpers wirken soll. Über Arginin schreibt die Verbraucherzentrale8, einige Studien hätten gezeigt, dass es helfen könne, die Blutgefäße zu weiten und den Blutdruck zu senken; ein Mangel an Arginin im Körper könne u.a. zu Durchblutungs- und Erektionsstörungen führen. Gleichzeitig sei eine echte Arginin-Unterversorgung jedoch nicht feststellbar, da Arginin im Körper gebildet werde und über Lebensmittel (u.a. Fisch, Getreide, Obst, Gemüse, Nüsse und Kerne) ausreichend Arginin aufgenommen werden könne. Einen Beweis der potenzsteigernden Wirkung gebe es nicht.

 

Tribulus Terrestris, das aus der Erd-Burzeldorn gewonnen wird und vor allem im Fitness- und Sportbereich als „natürliches Anabolikum“ gilt;

 

Maca, ein Wurzelextrakt, das hauptsächlich aus den peruanischen Anden stammt und insbesondere als Pulver zur Nahrungsergänzung eingenommen werden kann. Hierzu schreibt die Wissenschaftsjournalistin Carola Felchner im Portal „Netdoktor“3, dass – abgesehen von einem stimulierenden Effekt, der sich in Tierversuchen gezeigt habe – noch keine überzeugenden Forschungsergebnisse zu Maca vorliegen.

 

Kantharidin, bekannt als „Spanische Fliege“, das aus zermahlenen Ölkäfern gewonnen wird und als Potenzmittel seit Jahrhunderten gerühmt. Das Mittel habe zwar eine gewisse sexuelle Wirksamkeit, dürfe aber keinesfalls exzessiv eingenommen werden, da eine Überdosierung Harnröhre und Nieren schädigen könne.

 

Neben Substanzen pflanzlichen und tierischen Ursprungs gibt es auch noch mehrere homöopathische Mittel, die eine positive Wirkung beim Sex haben könnten. Laut „Netdoktor“3 stehen hier u.a. Lycopodium, das auch gegen vorzeitigen Samenerguss helfen könne, Agnus castus und China officinalis zur gezielten Erektionsförderung zur Auswahl, ebenso Conium, wenn die Erektion nicht lang genug gehalten werden könne. Eindeutige wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege sucht man auch hier allerdings vergeblich.

 

3. Was der weiblichen Lust auf die Sprünge hilft

 

Bekanntlich können auch Frauen aus den unterschiedlichsten Gründen unter Lustlosigkeit und Orgasmusschwierigkeiten leiden. Häufig stecken allerdings hinter weiblichen Libidostörungen psychische Ursachen, etwa Probleme in der Partnerschaft oder tief verdeckte Traumata. Hier ist von Arzneimitteln eher abzuraten; vielmehr kann dann eine Psychotherapie oder Paarberatung helfen.

 

Frauen, die es dennoch mit der Einnahme eines natürlichen „Potenzmittels“ versuchen wollen, haben eine große Auswahl an natürlichen Präparaten zur Luststeigerung9, z.B. Damiana-Extrakte und das schon erwähnte Yohimbin. Lokal anzuwendende Präparate in Form von Cremes oder Gels enthalten oft ätherische Öle zur Anregung der Durchblutung. Allerdings ist auch hierbei nicht erwiesen, wie positiv der Effekt tatsächlich ist bzw. ob sie überhaupt eine Wirkung haben. Auch diese Mittel sollten keinesfalls unbedacht und ohne Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden. Die Cremes und Gels können in Kombination mit einem Kondom problematisch sein.

 

Merke: Frauen sollten zunächst prüfen, ob psychische Ursachen hinter ihrer Lustlosigkeit stecken.

 

4. Besser essen – mehr Lust?

 

Wie verschiedene Quellen berichten, kann man – sofern man nur unter leichten Problemen leidet und lediglich die sexuelle Empfindungsfähigkeit unterstützen möchte, auch auf eine lustfördernde Ernährung setzen. Dem Selbsthilfeportal impotenz-selbsthilfe.org zufolge gehören dazu neben einer Arginin-, Magnesium- und Zink-reichen Ernährung vor allem diejenigen Nahrungsmittel, die reichlich Flavonoide und Antioxidantien enthalten. Das sind u.a. Paprika, Rotkohl, Rote Beete, bestimmte Beeren, Trauben und Kirschen, Kartoffeln, getrocknete Pflaumen, Nüsse sowie grüner Tee. Ihre Inhaltsstoffe könnten glättend auf die Muskulatur rund um die Schwellkörper wirken, dadurch werde eine gute Durchblutung im Penis unterstützt.10 Auch hier gilt leider: nicht wissenschaftlich belegt!

 

Generell ist festzuhalten: Bei allen rezeptfrei erhältlichen, als „natürlich“ deklarierten und damit als „harmlos“ geltenden Potenzmitteln raten alle Quellen bzw. seriösen Experten erst einmal zur Vorsicht. Tatsächlich bringen rein natürliche Präparate und möglicherweise potenzsteigernde Nahrungsmitteln zwar nur eine geringe Gefahr, aber wahrscheinlich auch eine ebenso geringe Wirkung mit. Sobald aber grundsätzlich natürliche Potenzmittel mit chemischen Erektionshilfen gepanscht sind (und das kommt offenbar erschreckend häufig vor), wird es gefährlich. Vor allem bei Präparaten aus dubiosen Internetquellen gilt: am besten Finger weg! Die „Apotheken Umschau“ berichtet über eine Gruppe amerikanischer Urologen, die häufig verkaufte, als „natürlich“ deklarierte Potenzmittel aus dem Internet testeten. Das Ergebnis: 80 Prozent enthielten synthetisch hergestellte, in Deutschland rezeptpflichtige Wirkstoffe, bei rund einem Fünftel der Präparate wurde die therapeutische Maximaldosis des Wirkstoffs deutlich überschritten. Vor allem in Kombination mit bestimmten anderen Medikamenten, warnt das Fachmedizin, könne die Einnahme eines solchen Mittels schlimmstenfalls tödlich enden4 Also: Natürliche Potenzmittel am besten nach einer guten Beratung nur in der Apotheke kaufen – falsche Scham ist hier nicht angezeigt.

 

Fazit: Bei leichteren oder vorübergehenden Störungen der Libido können natürliche Präparate (sofern sie wirklich nur natürliche Inhaltsstoffe haben) womöglich wirklich helfen – und sei es auch nur, weil man daran glaubt. Mit anhaltenden Lust- und Potenzproblemen sollte der Weg immer zum Arzt führen. Steckt, wie es nicht selten der Fall ist, etwas Ernsthaftes dahinter, kann nur ein Facharzt helfen – natürliche Potenzmittel sind dann allenfalls als unterstützende Therapie geeignet.

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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