Organtransplantation: Chirurgie in Hochleistungsform
Die erste erfolgreiche Nieren-Transplantation gelang 1954. Dr. Joseph Murray schenkte der 21-jährigen Edith Helm mithilfe der Niere ihrer Zwillingsschwester ein zweites Leben – sie wurde 76 Jahre alt. Heute ist es möglich Zellen, Gewebe oder ganze Organe wie sogar Herz und Lunge zu transplantieren. Was beeinflusst die Überlebenszeit nach Verpflanzung des Organs? Und welche medizinischen Fortschritte und Hürden gibt es? Mehr zu dem Thema im folgenden Beitrag.
Was ist eine Transplantation?
Eine Transplantation ist die Verpflanzung von Organen, Gewebeteilen oder Zellen. Dabei können die Transplantate vom Empfänger selbst (autologe Transplantation), vom eineiigen Zwilling (syngene oder isogene Transplantation), von einer anderen Person (allogene Transplantation) oder von einem Tier sein (xenogene Transplantation).
Arten von Transplantationen
Heute ist es möglich eine Vielzahl an Organen, Zellen oder Gewebe zu verpflanzen. Dazu gehört die Verpflanzung von Herz, Lunge, Nieren und Leber ebenso wie die Verpflanzung von Extremitäten, Dünndarm, Bauchspeicheldrüse (Pankreas), Knochenmarkszellen, Augenhornhaut (Kornea), Haaren, Gehörknöchelchen und Haut, Sehnen, Knochen oder Knorpel. Auch eine Gebärmuttertransplantation ist bereits geglückt – die Empfängerin konnte dadurch ein ersehntes Kind zur Welt bringen.
Organspende
Da in Deutschland weitaus mehr Spenderorgane benötigt werden als verfügbar, folgt die Vergabe der Organe nach strengen gesetzlichen Vorgaben.
Seit dem 01. November 2012 gilt bei der Organspende in Deutschland die Entscheidungslösung: Bei dieser Lösung spenden Menschen ihre Organe freiwillig und müssen zu Lebzeiten einer Entnahme von Organen zustimmen. Andernfalls werden die Angehörigen nach ihrem Tod um eine Entscheidung gebeten.
In vielen anderen Ländern Europas – wie in Österreich, Spanien und Frankreich - gilt dagegen die Widerspruchslösung. Danach können Organe zur Transplantation entnommen werden, es sei denn der Betroffene hat der Entnahme ausdrücklich widersprochen.
Der Vorteil für die Patienten liegt auf der Hand: Während in Deutschland laut Angaben der Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) im Schnitt 8 bis 10 Jahre auf ein Organ hoffen, warten Patienten in vielen Nachbarländern knapp 2 Jahre auf eine Spende.
Das ungleiche Verhältnis machte auf dem diesjährigen Kongress der Deutsche Transplantationsgesellschaft DTG-Präsident Prof. Dr. Bernhard Banas deutlich: „Für den Weg aus dem Transplantationstief ist aus unserer Ansicht ein gesamtgesellschaftlicher Konsens notwendig, um eine Kultur pro Organspende und Transplantation zu erreichen.“
Vorbereitung einer Transplantation: Jede Minute zählt...
Ist die Einwilligung eines verstorbenen Menschen zur Organspende oder die Zustimmung seiner Angehörigen erfolgt, muss der Hirntod des Menschen einwandfrei festgestellt werden. In Deutschland ist gesetzlich geregelt, dass zwei speziell ausgebildete Intensivmediziner den Hirntod unabhängig voneinander feststellen müssen. Anschließend wird ein Koordinator der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) hinzugezogen. Dieser bestimmt die Gewebemerkmale des Spenders und sendet die relevanten Informationen an Eurotransplant (ET).
Beginn kleine Infobox: Eurotransplant regelt als gemeinnützige Organisation für die optimale Verteilung von Organspenden in den Benelux-Ländern, Deutschland, Österreich, Kroatien, Slowenien und Ungarn. Die Organisation ermittelt elektronisch, welcher Empfänger optimal zu den ausgewerteten Proben passt. Ende kleine Infobox
Bei Nieren- und Pankreastransplantationen werden zusätzlich sog. Crossmatches von Gewebe des Empfängers und Gewebe des Spenders benötigt. Eine Kreuzprobe testet, ob das Empfängergewebe Antikörper gegen das Spendergewebe bildet. Falls die Geweben sich nicht untereinander vertragen, kommt es nach einer Transplantation wahrscheinlich zur Abstoßungsreaktion beim Empfänger. Dann muss ein anderer Empfänger gefunden werden.
Wer darf eine Transplantation durchführen?
Die Transplantation selbst dürfen nur Mediziner an Transplantationszentren durchführen. Die Zeitspanne, die zwischen einer Entnahme und der Verpflanzung des Organs liegen darf, ist äußerst kurz. Beispielsweise dürfen bei einer Transplantation von Herz oder Lunge nur 4 bis 6 Stunden zwischen Ent- und Aufnahme des Organs liegen. Sonst besteht die Gefahr, dass es zu irreparablen Funktionsstörungen des Organs kommt, die eine Transplantation scheitern lassen. Nicht zu unterschätzen ist die Dauer einer Organtransplantation: Sie kann je nach Organ oder mehreren Organen durchaus mehr als 8 Stunden dauern. Haut- und Zelltransplantationen nehmen dagegen oft weniger Zeit in Anspruch, da diese Operationen weniger komplizierte Abläufe durchlaufen.
Durchführung der Transplantation
Sobald der Empfänger feststeht, muss alles in Windeseile geschehen: Das Spenderorgan wird von einem der 50 deutschen Transplantationsteams entnommen (Explantation). Das Organ oder entnommene Gewebe wird in einer Kühlbox gelagert und sofort zum Transplantationszentrum des Empfängers gesandt. Simultan wird der Empfänger in sein zuständiges Transplantationszentrum gefahren und für den Eingriff vorbereitet.
Bei einer Herztransplantation wird der Brustkorb des Patienten geöffnet und die Kanülen einer Herz-Kreislauf-Maschine an die Hauptschlagader und die Hohlvenen angeschlossen. Die Hauptschlagader wird abgeklemmt, das erkrankte Herz entnommen und währenddessen das Blut mittels der Herz-Kreislauf-Maschine weiter durch den Körper gepumpt. In der Zwischenzeit wird das Spenderherz präpariert. Wenn das Spenderherz eingesetzt ist, werden die im Körper verbliebenen Vorhöfe mit dem Spenderherz vernäht.
Bei einer Nierentransplantation bleiben die erkrankten Nieren üblicherweise im Körper. Die neue Niere wird in der Beckenregion eingesetzt. Dafür wird dort die Beckenarterie und Beckenvene des Patienten präpariert und in komplizierter Weise mit der Arterie und Vene der Spenderniere verbunden. Auch der Harnleiter des neuen Organs muss an die Blase des Empfängers angeschlossen werden.
Im Gegensatz zur Nierentransplantation verbleibt die erkrankte Leber nicht im Bauchraum, sondern muss entfernt werden. Während der Lebertransplantation wird der Gallengang nah der Leber abgetrennt. Dann werden die Arterie und die Hohlvene der Leber sowie die Pfortader ebenfalls möglichst nah der Leber durchgeschnitten. Die drei Gefäße werden mit der Spenderleber wieder verbunden und der Bauch erneut verschlossen.
Bei einer Lungentransplantation können ein oder beide Lungenflügel verpflanzt werden. Hier stehen inzwischen zwei Verfahren zur Verfügung: entweder kann der Brustkorb geöffnet oder die Lunge minimal-invasiv transplantiert werden. Bei beiden Methoden werden zunächst die kranken Lungenflügel entfernt und der Hauptbronchus, die Lungenarterie und die Lungenvenen durchtrennt. Anschließend wird das Spenderorgan eingesetzt und wie bei den anderen Operationen durch Nähte mit der Spenderlunge verbunden. Eine Besonderheit gilt es hier zu beachten: Die Blutversorgung der Bronchien erfolgt nach der Operation nur über die Gefäßsysteme der Lunge und nicht mehr über eine eigene Blutversorgung.
Wie verläuft die Therapie nach der Transplantation?
Nach einer Transplantation wird medizinisch in Früh- und Spätkomplikationen unterschieden: Frühkomplikationen stellen starke Blutungen und Nachblutungen dar. Diese treten nach schweren Operationen aufgrund des Abtrennens von Gefäßen und Aufschneidens von Gewebeschichten gehäuft auf. Dies erhöht auch das Risiko für Folgeinfektionen. Über die Wunde oder die benötigten Katheter können Keime in die Wunde gelangen. Der Organismus ist dadurch anfälliger für Infektionen mit Bakterien, Viren und Pilzen. In Krankenhäusern treten gemeinhin Keime auf, die bereits gegenüber verschiedene Antibiotika resistent geworden sind (nosokomiale Keime). Diese zu bekämpfen ist selbst für einen gesunden Körper nicht leicht.
Die größte Gefahr einer Transplantation ist die Abstoßung des Organs oder seines Gewebes. Diese kann sowohl im Früh- als auch im Spätstadium eintreten. Damit es nach der Operation nicht zur Abstoßung kommt, ist eine lebenslange Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten erforderlich. Die Abstoßungsreaktion des Körper erfolgt in zwei Phasen: der akuten und der chronischen Abstoßung. Über die Jahre hinweg greift der Körper das Transplantat als körperfremdes Gewebe an. Sämtliche Abstoßungsreaktionen sind nicht zu verhindern, sie lassen sich aber mithilfe von Medikamenten dämpfen.
Nachsorge: Kombination aus ambulanter und stationärer Betreuung
Die Überlebenschancen nach der Transplantation hängen auch davon ab, wie gründlich und regelmäßig Nachsorgetermine wahrgenommen werden. Dafür arbeiten die primär zuweisenden Ärzte oft fachübergreifend mit dem Transplantationszentrum zusammen – meist wird der niedergelassene Arzt bei notwendigen Nachuntersuchungen aufgesucht und das Transplantationszentrum bei Komplikationen oder Folgeerkranungen konsultiert.
Risiken und Medikamentöse Therapie nach der OP
Ziel der medikamentösen Therapie ist es hauptsächlich, eine Abstoßung des Organs durch Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, zu verhindern. Dafür verwendet man die Substanzklasse der „Immunsuppressiva bzw. immunsuppressiven Medikamente“
(= immununterdrückende Medikamente).
Einerseits unterdrücken diese Wirkstoffe die Immunreaktion des Körpers auf das als „fremd“ erkannte Organ oder Gewebe. Gleichzeitig sind Menschen, Immunsuppressiva einnehmen, anfälliger für Infektionen. Die Dosis dieser Medikamente ist in den ersten Wochen und Monaten nach der Operation deutlich höher. Mit abnehmender Dosis dieser Medikamente in den folgenden sechs Monaten nimmt entsprechend auch das Risiko für Infektionen ab.
Neben Infektionen mit multiresistenten Keimen und Pilzen stellen insbesondere schwere Virusinfektionen mit Hepatitis B, Hepatitits C oder HIV eine Bedrohung für transplantierte Menschen dar.
Immunsuppressive Medikamente können bei der gleichzeitigen Einnahme von anderen Medikamenten unwirksam oder bedenklich werden. Sie vertragen sich nicht mit bestimmten Antipilzmitteln (Itraconazol, Fluconazol, Voriconazol, Clotrimazol) oder mit Antibiotika wie Erythromycin, Clarithromycin, Metronidazol, Rifampicin und Nafcillin. Auch dürfen sie nicht gemeinsam mit den Blutdrucksenkern Diltiazem und Verapamil, dem Blutgerinnungshemmer Warfarin und antiepileptikischen Medikamenten wie Carbamazepin und Phenobarbital kombiniert werden. Grapefruitsaft oder Antacida gegen Magensäure vermeidet man bei gleichzeitiger Therapie mit Immunsuppressiva ebenfalls.
Herz-Kreislauf-Beschwerden vermeiden
Nach einer Nierentransplantation führen besonders Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Niere zum Tode. Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen - wie Mikroalbuminurie und Anämie - sind bereits länger bekannt. Daher empfiehlt die American Society of Transplantation, dass der Arzt auf Diabetesrisiken und die Senkung von Fett- und Blutdruckwerten achtet. Betroffene Menschen sollen außerdem das Rauchen vermeiden und Gewicht reduzieren. Zusätzlich sollten regelmäßig Nierenwerte überprüft werden. Dabei sind Proteinausscheidungen im Harn, Calcium und Phosphate im Blut und die Höhe des Blutdrucks entscheidende Parameter der Therapie.
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