Pest und Lepra: bei uns verschwunden, in weiten Teilen der Welt noch bittere Realität
Sie scheinen böse Relikte aus längst vergangenen Zeiten, aus dem finstersten Mittelalter zu sein: lebensbedrohliche Infektionskrankheiten wie die Pest und die Lepra. Spätestens mit der Entdeckung der Antibiotika im vergangenen Jahrhundert glaubten viele, dass diese Krankheiten, die vor Jahrhunderten ganze Landstriche auslöschten, für alle Zeiten besiegt seien. Doch auch wenn sie heute weit besser behandelt werden können und die Zahl der Opfer weltweit enorm zurückgegangen ist – ganz verschwunden sind die Pest und die Lepra von unserem Planeten nicht. Zwar gilt Europa bereits seit Jahrzehnten als pestfrei. In anderen Ländern und Kontinenten der Welt finden diese Krankheiten jedoch auch heute noch zahlreiche Opfer.
Besonders gefürchtet war und ist die Pest, seit dem Mittelalter auch „der schwarze Tod“ genannt. Diese hochansteckende Krankheit hat vor allem während ihrer Hochphase im 14. Jahrhundert in Europa möglicherweise bis zu 50 Prozent der gesamten Bevölkerung dahingerafft und gilt als die wohl schlimmste Pandemie dieses Kontinents. Verlässliche Opferzahlen gibt es kaum; manche Quellen, darunter das Informationsportal viamedici des Thieme-Fachbuchverlags, halten es für umstritten, ob in diesen Jahren wirklich rund die Hälfte oder doch nur ein Zehntel der europäischen Bevölkerung an der Pest verstarb.1 Doch wie viele Tote es tatsächlich auch waren – nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Nordafrika wütete die Seuche und forderte zahllose Opfer.
Der „schwarze Tod“ löschte ganze Landstriche aus
Noch im 17. Jahrhundert verbreitete „der schwarze Tod“ Angst und Schrecken – besonders fürchterlich muten die Berichte von der „großen Pest von London“ an, die das Leben in der damals schon pulsierenden Großstadt quasi zum Erliegen brachte. Rund 70.000 Londoner Opfer wurden damals gezählt – etwa ein Siebtel der Bevölkerung. Als sogenannte „dritte Pandemie“ wird ein erneuter globaler Ausbruch der Krankheit von China aus im späten 19. Jahrhundert bezeichnet. Trotz damals weltweit auftretender Fälle ging die Pest in Europa dann doch zurück. Das wird vor allem daran gelegen haben, dass etwa zu dieser Zeit die Ursachen der Pest entdeckt wurden.1, 2
Damals, im Jahr 1894, fand der Schweizer Arzt Alexandre Yersin den tückischen Pesterreger, der später nach ihm benannt wurde: Yersinia pestis. Auch der Übertragungsweg wurde bald gefunden; dieser beginnt mit dem Rattenfloh. Die Krankheit wird übertragen, wenn dieser Floh seinen Stammwirt, die Ratte verlässt und einen Menschen beißt. Daher gehört die Pest auch zu den sogenannten Zoonosen, also zu den von Tier zu Mensch übertragbaren Infektionskrankheiten. Zu Epidemien oder Pandemien kommt es dadurch, dass die Pest von jedem erkrankten Menschen aus, auf andere Menschen übertragen werden kann.3
Pesterkrankungen in vielen Ländern der Welt
Und das geschieht bis in die heutige Zeit. Nach neuesten Angaben des Robert-Koch-Instituts werden bis heute Fälle aus verschiedenen Ländern und Regionen Afrikas sowie aus Peru, Vietnam, Uganda, Russland, der Mongolei, Bolivien, bis vor wenigen Jahren auch aus Indien gemeldet. Zu den wenigen nicht tropischen und subtropischen Gegenden gehören auch die USA, wo es zu vereinzelten Pestfälle im ländlichen Westen kam – laut RKI wohl deswegen, weil der Pesterreger bei dort wildlebenden Nagetieren vorkommt. Nach Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten keine Pestfälle eingeschleppt. Wie das RKI weiter ausführt, berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO in den Jahren 2010 bis 2015 weltweit über insgesamt rund 3.250 Erkrankungs- und etwa 580 Todesfälle. Dabei scheine vor allem die Insel Madagaskar betroffen zu sein, wo jährlich mehrere Hundert Fälle bekannt würden.4 Über die spezielle Situation in Madagaskar wurde auch in den Medien umfassend berichtet, darunter in der Wochenzeitschrift ZEIT5 und im österreichischen "Standard".6
Die Pest: wie sie sich äußert und wie man sie behandeln kann
Da es unterschiedliche Formen der Pest gibt, sind die Symptome nicht bei allen Erkrankten gleich. Erwähnt sei hier nur die Beulenpest, die mit 90 Prozent häufigste Form der Krankheit. Diese äußert sich in folgenden Anfangssymptomen:
- Schwäche und allgemein schlechter Allgemeinzustand
- Schüttelfrost
- Kopf- und Gliederschmerzen
- hohes Fieber
- Schwindel
- evtl. Würgereiz und Erbrechen
Zu den namengebenden Beulen kommt es dadurch, dass im Verlauf der Erkrankung entzündete Lymphgefäße und Lymphknoten in der Leiste, der Achsel oder am Hals zu bis zu 10 Zentimeter großen Beulen (auch Bubonen genannt) anschwellen. Die Beulen verursachen auch Schmerzen.
Behandeln lässt sich die Krankheit mit Antibiotika, insbesondere kommen kombinierte Tetrazykline, Streptomycin und Chloramphenicol zum Einsatz. Wird die Pesterkrankung frühzeitig erkannt und behandelt, sind die Heilungschancen gut. Zur Vorbeugung und Eindämmung einer Pestepidemie gelten vor allem grundlegende Hygienemaßnahmen, umfassende Rattenbekämpfung und die Verwendung von Insektiziden gegen Flöhe.1, 7
Auch die Lepra ist nicht besiegt
Ebenso wie die Pest ist auch die Lepra in unseren Breitengraden längst verschwunden. In den vergangenen Jahren wurden zwar in Deutschland Einzelfälle registriert, diese waren jedoch alle eingeschleppt worden und stellten keine Gefahr für die Bevölkerung dar. In anderen Ländern bzw. Kontinenten der Welt ist Lepra jedoch noch traurige Realität. Sie tritt vor allem in tropischen und subtropischen Regionen auf, die einen niedrigen Hygienestandard bei gleichzeitig hoher Bevölkerungsdichte aufweisen. Nach Angaben der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V., kurz DAHW, finden sich die meisten Fälle in Indien und Brasilien, jedoch tritt Lepra auch in mehreren afrikanischen Staaten sowie an der Elfenbeinküste und in Indonesien, in Mikronesien und Myanmar, in Nepal, Sri Lanka und auf den Philippinen auf.
Die DAHW hat außerdem auf ihrer Webseite veröffentlicht, dass 2017 – aktuellere Zahlen gibt es derzeit noch nicht – laut Weltgesundheitsorganisation über 200.000 Menschen auf der ganzen Welt neu an Lepra erkrankt sind. Ein Grundproblem in der Lepra-Arbeit, so die DAHW, sei die hohe Stigmatisierung der Krankheit, die dazu führt, dass viele Menschen ihre Erkrankung verheimlichen. Und auch die Regierungen mancher betroffener Länder hielten entsprechende Statistiken unter Verschluss, da die Krankheit mit Elend und Armut in Verbindung gebracht werde und so das Ansehen des betroffenen Staates leiden könnte.8
Leprakranke: vielfach stigmatisiert und ausgegrenzt
Was aber ist die Lepra eigentlich? Die bakterielle Infektionskrankheit, die auch „Aussatz“ genannt wird, wird durch ein bestimmtes Bakterium hervorgerufen, das Mycobacterium leprae. Lepra wird von Mensch zu Mensch übertragen – wie es zu einer Ansteckung kommt, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Die Zeit zwischen der Lepra-Ansteckung und Ausbruch der Krankheit (Inkubationszeit) kann unter Umständen bis zu 20 Jahre betragen. Entgegen des weit verbreiteten Glaubens ist die Lepra keinesfalls hochansteckend. Derzeitigen Erkenntnissen zufolge muss man offenbar sehr lange und sehr eng mit einem unbehandelten Lepra-Patienten Kontakt haben, um sich anzustecken. Daher müssen sich auch Reisende in Lepra-Gebieten kaum Sorgen wegen einer möglichen Ansteckung machen, sofern sie die geltenden Hygieneregeln befolgen und sich nicht in engen Kontakt mit Erkrankten begeben.
Infizierte scheiden den Lepra-Erreger über die Haut bzw. über die durch die Krankheit entstandenen Hautgeschwüre und mit dem Nasensekret aus. Das Bakterium kann sich dann z.B. über kleine Verletzungen der Haut oder mittels Tröpfcheninfektion über die Atemwege verbreiten.
Lepra befällt die Haut und Schleimhäute und kann diese zerstören, sodass die Patienten häufig stark entstellt und sogar verstümmelt werden. Zudem zieht sie auch Nervenzellen in Mitleidenschaft, zudem können auch oberen Atemwege, die Hoden, die Augen und das Knochenmark befallen sein. Die Symptome sind abhängig von der jeweiligen Verlaufsform, die bei Lepraerkrankungen sehr unterschiedlich und auch gemischt sein können. In leichteren Fällen kommt es nur zu einzelnen Hautflecken und -veränderungen, die zumeist von selbst wieder ausheilen. Bei anderen Lepraformen ist vor allem das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen; die Tastempfindungen für Temperatur, Schmerz und Berührungen gehen verloren, sodass es zu teils schweren Verletzungen kommt. Zudem verkümmern die Muskeln, die Patienten erleiden häufig Lähmungen und Deformationen am ganzen Körper. Bei schweren Verlaufsformen bilden sich auf der Haut knotige Geschwülste, die die Betroffenen extrem entstellen und verstümmeln, und es kommt schließlich zu einem Befall des gesamten Organismus, der häufig zum Tod führt.
Nicht alle Patienten sterben an Lepra, doch durch die äußerliche Sichtbarkeit und die häufige Stigmatisierung stellt diese Krankheit ein schweres Schicksal dar. Wird sie allerdings rechtzeitig diagnostiziert und gut behandelt, hat ein Erkrankter meist gute Chancen, wieder gesund zu werden. Therapiert wird mit einer Kombination aus verschiedener Antibiotika, je nachdem, wie groß die Menge der Erreger ist. In bestimmten Fällen muss die Behandlung – ergänzt durch Bewegungstherapien und Reha-Maßnahmen – über Jahre hinweg durchgeführt werden, um vollständig ausheilen zu können.8, 9
Wie kann man sich vor Lepra und Pest schützen?
Wie schon beschrieben, kann man eine Ansteckung mit dem Lepra-Erreger sehr gut vermeiden; wer in ein Gebiet reist, in dem die Lepra verbreitet ist, sollte sich jedoch umfassend informieren, z.B. bei einem Tropen- und Reisemediziner, bei Tropeninstituten, dem Robert-Koch-Institut, und ggf. entsprechende Prophylaxe- und Schutzmaßnahmen ergreifen. Umfassende Informationen zur Krankheit bietet die Webseite des DAHW8 sowie die Lepra-Seite der Weltgesundheitsorganisation.10
Zum Thema Pest und präventiven Maßnahmen gegen eine Infektion hat das Robert-Koch-Institut einen umfassenden Ratgeber herausgegeben. Dort wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein Impfstoff gegen die Pest nicht zur Verfügung steht, sich Reisende in betroffene Länder jedoch auch ohne eine Impfung gut schützen können. Insbesondere, so das RKI, sollte man den Kontakt mit möglicherweise infizierten Tieren und ihren Flöhen meiden, insbesondere zu Ratten, Wildtieren und auch freilebenden Haustieren (vor allem Katzen).11
Fazit:
Die DAHW schreibt zu Lepra: „Als Krankheit der Armut spielt die Lepra in reichen Industrieländern eher eine untergeordnete Rolle, die meisten Menschen in Deutschland wissen nicht sehr viel darüber. Umso wichtiger ist es uns, über Lepra zu informieren und aufzuklären.“ Neben der hohen Zahl der weltweiten Erkrankungsfälle sei vor allem die Tatsache erschreckend, dass „die soziale Ausgrenzung der Betroffenen selbst im 21. Jahrhundert noch immer zum Alltag gehört.“8
Nicht viel anders verhält es sich mit der Pest, die ebenso vor allem in armen, vernachlässigten und hygienisch unterversorgten Gebieten auftritt.
Das könnte durchaus anders sein, wäre der Wohlstand in der Welt besser verteilt. Insofern gehen auch so „weit entfernte“ Krankheiten wie Lepra und Pest jeden Bewohner einer globalisierten Welt durchaus etwas an.
Quellen anzeigen
Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.