Sanfilippo-Syndrom: Seltene Erbkrankheit
Seltene Stoffwechselstörung: Das Sanfilippo-Syndrom gehört zu den Mukopolysaccharidosen (MPS) und ist eine bislang nicht heilbare Erkrankung. Der Körper ist durch einen Gendefekt nicht in der Lage, langkettige Zuckermoleküle abzubauen. Die Folge: Sie lagern sich in den Zellen an und verursachen Schäden. Lesen Sie mehr über die Beschwerden und Therapieansätze. Der Stoffwechsel ist die Gesamtheit aller lebensnotwenigen Prozesse im Körper. Wenn hier ein Baustein fehlt, kann das große Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. So auch beim Sanfilippo-Syndrom. Der Mangel eines Enzyms führt dazu, dass bestimmte Zuckerketten im Körper nicht abgebaut werden können. Diese lagern sich mit der Zeit in den Körperzellen an und es kommt zu erheblichen Schäden. Das Sanfilippo-Syndrom gehört zu den Mukopolysaccharidosen (MPS) – es handelt sich um Typ III. Diese Krankheitsformen gehören wiederum zu den Lysosomalen Speicherkrankeiten (LSK). Kindern mit MPS Typ III fehlt ein Enzym für den Abbau des sogenannten Heparansulfats. Für den Abbau dieses Stoffes sind mehrere Enzyme notwendig. Das Sanfilippo-Syndrom untergliedert sich in die Untertypen A bis D, je nachdem, welches Enzym für den Abbau der Substanz fehlt.
Erblich bedingter Gendefekt: So wird das Sanfilippo-Syndrom vererbt
Beim Sanfilippo-Syndrom handelt es sich um eine erblich bedingte Erkrankung. Der genetische Defekt liegt auf dem Chromosom Nummer 17 und wird somit autosomal vererbt. Die Chromosomen liegen paarweise vor – eines stammt von der Mutter, das andere vom Vater. Ist eines der beiden Chromosomen defekt, wird einfach die Information des anderen Strangs verwendet. Liegt auf beiden Chromosomen eine genetische Veränderung, fehlt die notwendige Information und es komm zum Ausbruch der Krankheit. Damit das Sanfilippo-Syndrom auftritt müssen also beide Elternteile stille Träger des Gendefekts sein. Bei ihnen fällt es nicht auf, da das zweite Chromosom die richtige Information enthält. Vererben nun beide das kranke Chromosom, erkrankt das Kind. Die Wahrscheinlichkeit ein krankes Kind zu bekommen, wenn beide Elternteile stille Träger sind, liegt bei 25 Prozent. MPS wird somit autosomal-rezessiv vererbt.
Krankheitsverlauf: zunächst gesunde Kinder werden auffällig
Kinder, die unter dem Sanfilippo-Syndrom leiden, sind bei der Geburt unauffällig und gesund. Erst in den ersten Lebensjahren fallen sie durch eine verlangsamte Entwicklung auf. Zwischen dem zweiten und dem sechsten Lebensjahr ist ihre Sprachentwicklung hinter der von gleichaltrigen Kindern zurück. Auch die motorische Entwicklung verläuft langsam. Das liegt daran, dass sich mit der Zeit immer mehr langkettige Zuckermoleküle in den Körperzellen oder im Gehirn ansammeln und so die Krankheit mit dem Alter fortschreitet. Betroffene Kinder entwickeln mit zunehmendem Alter extreme Verhaltensauffälligkeiten. Sie sind hyperaktiv, leiden an Schlafstörungen, zeigen zum Teil emotionale Ausbrüche und verlernen bereits erworbene motorische und sprachliche Fähigkeiten wieder. Das liegt daran, dass bei der Mukopolysaccharidose Typ III das Zentrale Nervensystem (ZNS) involviert ist. Die Zuckerketten lagern sich nicht nur in den Körperzellen, sondern auch im Gehirn an. Betroffene Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Es treten häufig Erkältungen, Mittelohr- oder Lungenentzündung auf, die behandelt werden müssen. Welche Beschwerden auftreten ist je nach Entwicklung des Kindes und nach Ausprägung der Erkrankung verschieden. Prinzipiell kann es zu
- Versteifung der Gelenke
- Infektanfälligkeit
- gestörte Temperaturregulation (heiße oder kalte Hände und Füße)
- schlechtes Hörvermögen
- Verdauungsprobleme
- Schluckschwierigkeiten und –störungen
- Hyperaktivität
- Schlafstörungen
- Krampfanfällen und
- Schmerzen
kommen. Die Symptome sind sehr unspezifisch. Daher kann es mehrere Monate oder gar Jahr dauern, bis ein Arzt die richtige Diagnose stellt. Das Sanfilippo-Syndrom ist eine selten auftretende Erkrankung, sodass die Mediziner unter Umständen noch nie mit einem Patienten in Kontakt gekommen sind.
Diagnose der Stoffwechselstörung
Fallen Ihnen bei ihrem Kind Verzögerungen in der Entwicklung auf, muss das nicht zwangsläufig auf eine schlimme Erkrankung hindeuten. Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Behalten Sie die sprachliche und die motorische Entwicklung im Blick und geben Sie dem Kind Zeit, sich zu entfalten. Treten zusätzlich zu der verlangsamten Entwicklung unerklärliche Symptome auf oder verlernt das Kind bereits erworbene Fähigkeiten, sollten Sie mit dem Kinderarzt darüber sprechen. Sollte es sich um einen Fall des Sanfilippo-Syndroms oder einer anderen Form der Mukopolysaccharidose handeln, ist es wichtig ein geeignetes klinisches Zentrum aufzusuchen, das Erfahrung mit der Erkrankung hat.
Behandlung von MPS und Sanfilippo: Heilung bislang nicht möglich
Die Therapie der MPS richtet sich immer nach dem Krankheitstyp, der körperlichen Verfassung des Patienten und dem Stadium der Erkrankung. Eine Heilung des Sanfilippo-Syndroms ist bislang noch nicht möglich. Dennoch kann der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden, sodass die Kinder möglichst lange ihre Fähigkeiten erhalten. Mittels Physiotherapie wird die Muskulatur und die Beweglichkeit der Gelenke erhalten. Durch regelmäßige Mobilitätsübungen soll verhindert werden, dass das Kind zeitnah ans Bett gefesselt ist. Mit fortschreitender Erkrankung verlernen die Kinder die Fähigkeit zu Gehen und werden pflegebedürftig. Die Therapie im Wasser hat sich als hilfreich in vielen Fällen gezeigt. Durch das verminderte Körpergewicht können viele Kinder die Übungen schmerzfrei absolvieren. Verschiedene Massagetechniken sollen dabei helfen den Körper bei den Verdauungsvorgängen oder dem Schlucken zu unterstützen. Im Verlauf der Erkrankung gehen auch diese Fähigkeiten verloren und es kann dadurch zu lebensgefährlichen Situationen kommen. Eltern können die Techniken erlernen, um ihrem Nachwuchs zuhause die benötigte Hilfestellung geben zu können. Durch den Einsatz von Vibrationsgeräten kann die Lunge des Kindes dabei unterstützt werden den Schleim besser abzuhusten. So soll das Risiko für gefährliche Lungenentzündungen gemindert werden. Welche Therapie in Frage kommt, muss mit dem behandelnden Experten und dem Kinderarzt abgestimmt werden. Es kann sein, dass der Therapieplan immer wieder geändert und neu ausgerichtet werden muss – je nachdem, wie das Kind auf die Verfahren reagiert und ob sie Besserung bringen. Kinder, die unter dem Sanfilippo-Syndrom leiden erreichen selten das Erwachsenenalter. Sie werden pflegebedürftig und sterben schließlich an ihrer Erkrankung.
Neue Behandlungsansätze: Gentherapie gegen Mukopolysaccharidose
Bei einigen Formen von Mukopolysaccharidose haben neue Behandlungsansätze gute Resultate erbracht. Das Zuführen eines künstlichen Enzyms, das die Aufgabe des fehlenden Stoffes übernehmen soll und so die Zuckerketten im Organismus abbaut, kann bei einigen Formen der Erkrankung helfen. Allerdings ist es bislang nur möglich, die Ablagerungen der Stoffe in den Körperzellen künstlich anzuregen. Die künstlichen Enzyme gelangen bisher über die Blutbahn nicht in das Gehirn. Diese Therapie muss ein Leben lang durchgeführt werden. Das bedeutet, Betroffene müssen etwa einmal in der Woche über eine Infusion die benötigten künstlichen Enzyme verabreicht bekommen, damit die Krankheit nicht fortschreitet. Der Vorgang dauert mehrere Stunden und muss medizinisch betreut werden. Auch eine Transplantation von Knochenmark wird im Zusammenhang mit MPS getestet. Durch das transplantierte Knochenmark entstehen neue Blutzellen, die das fehlende Enzym bilden sollen. Darüber, bei welchen Untertypen der Krankheit eine Knochenmarkstransplantation in Frage kommt, sind sich Ärzte bis heute noch unklar. In einigen Fällen handelt es sich bei der Behandlung um experimentelle Verfahren, die für die Eltern als letzte Hoffnung in Frage kommen. Studien über einen längeren Zeitraum stehen noch nicht zur Verfügung.
Selbsthilfegruppen geben Halt
Die Diagnose einer tödlichen Krankheit beim eignen Kind ist immer ein Schock. Vielen Eltern tut der Austausch in Selbsthilfegruppen gut und sie finden dort Raum, um über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung zu sprechen. Die Gesellschaft für Mukopolysaccharidose ist eine Anlaufstelle für alle Betroffenen. Hier kann nach einer Selbsthilfegruppe in der eigenen Umgebung sowie nach geeigneten Kliniken für die Behandlung gesucht werden.
Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.