Selbstgespräche – Ich hab 'nen Freund in mir
Jeder kennt das Phänomen: Wenn es hektisch zugeht, sortieren wir uns durch Selbstgespräche: Sind alle Fenster geschlossen? Ist die Heizung aus? Habe ich Handy und Schlüssel eingepackt? Denn Selbstgespräche verstärken die Konzentrationskraft. Daneben helfen sie, den Kopf klar zu bekommen, zu reflektieren, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Selbstgespräche haben eine immense Kraft. Deshalb sollten wir aufmerksam hinhören, ob wir positive oder negative Sätze gebetsmühlenhaft wiederholen. Denn mit Selbstgesprächen können wir uns unterschwellig sabotieren oder sie bewusst für unsere Ziele einsetzen. Ab einem bestimmten Punkt können Selbstgespräche aber auch Zeichen seelischer Störungen sein. Was passiert bei Selbstgesprächen? Warum reden Kinder so viel mit sich selbst? Wie können Selbstgespräche genutzt werden? Können wir Selbstgespräche als Ressource im Alter nutzen? Können wir Selbstgespräche als Psychohygiene nutzen? Wann haben Selbstgespräche krankhaften Charakter?
Was passiert bei einem Selbstgespräch?
Der Geist wird geklärt und geordnet. Es ist ein Unterschied, ob im Kopf verschiedene Ideen und Gedankenfetzen durcheinanderfliegen oder ob man sie in Sätze formuliert und ausspricht. Nur so gewinnen sie Konturen, nehmen Gestalt an und können in die Tat umgesetzt werden. Außerdem beeinflussen Selbstgespräche unsere Stimmung. Zum Beispiel im Alleinsein: Wer den ganzen Tag denkt, dass er einsam ist, wird in Traurigkeit versinken. Wer denkt, dass er frei ist und tun und lassen kann, was er will, geht zufrieden durch den Tag. In Selbstgesprächen ist jeder seines Glückes Schmied.
Warum reden Kinder so viel laut mit sich selbst?
Kleine Kinder bis etwa 5 Jahre reden vor sich hin, wenn sie sich alleine beschäftigen. So fokussieren sie ihre Aufmerksamkeit auf die momentane Tätigkeit, sortieren ihre Gedanken und verarbeiten ihre Erfahrungen. Die vielen Eindrücke können besser eingeordnet werden. Außerdem kann es Ersatz für ein Gegenüber sein: Einzelkinder und Menschen, die in ihrer Kindheit einen imaginären Gesprächspartner hatten, reden mehr mit sich selbst, als Kinder mit Geschwistern.1 Vorschulkinder bringen außerdem bessere Leistungen, wenn sie die Erlaubnis haben, während ihrer Betätigung laut zu sprechen.2 Auch Lern-Leistungen werden durch Selbstgespräche erheblich verbessert.3
Warum ist es Erwachsenen peinlich, laut Selbstgespräche zu führen?
Schon ab dem Alter von 6 Jahren verstummt das unbefangene, hörbare Selbstgespräch und wird zu einem inneren Monolog, zumindest wenn Zuhörer in der Nähe sind. Mit sich selbst zu reden, ist nicht gesellschaftsfähig. Menschen, die in der Öffentlichkeit laut vor sich hin reden, werden als absonderlich oder psychisch gestört abgestempelt. Da man ungern zu dieser Gruppe gerechnet werden möchte, verhält man sich lieber still.
Welche Wirkung haben Selbstgespräche auf unser Leben?
Selbstgespräche, die stillen und die hörbaren, haben das Potenzial, unsere Stimmung und Lebensgestaltung zu beeinflussen. Was wir denken und sagen, fühlen wir auch. Was wir fühlen, prägt unsere Erwartungshaltung und Ausstrahlung. Was wir erwarten und ausstrahlen, ziehen wir magisch an. Von daher wirken Selbstgespräche maßgeblich darauf ein, was geschieht und wie wir Ereignisse wahrnehmen und bewerten. Das kann jeder ganz gezielt für sich nutzen. Es wird auch in der Psychotherapie zur Umprogrammierung von negativen zu positiven Denkmustern eingesetzt.
Wie können Selbstgespräche für die Lebensgestaltung genutzt werden?
Wer eine Gehaltserhöhung möchte und sich tagein tagaus sagt, dass er sicher keine bekommen wird, braucht sich über das negative Ergebnis des Gesprächs mit dem Chef nicht zu wundern. Wer in seinen Gedankenschleifen und lauten Selbstgesprächen beschwört, dass der neue Partner sicher nicht mit ihm in Urlaub fährt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit alleine am Strand sitzen. Deshalb: Ziele formulieren, in positive Sätze packen (ohne die Worte nie, nicht, kein) und zum neuen Selbstgesprächsthema machen. Das fällt oft schwer, da man die negativen Ausdrucksweisen gewöhnt ist. Ab einem bestimmten Leidensdruck wächst allerdings die Bereitschaft, die destruktiven Selbstgesprächsmuster zu durchbrechen und Inhalte für die zukünftigen Selbstgespräche neu zu formulieren.
Welche Vorteile haben Selbstgespräche im Sport und anderen Bereichen?
Positive Selbstgespräche setzen Energie frei und steigern Motivation und Leistungskraft. Das wird schon länger mit Erfolg im Leistungssport genutzt.4,5,6 Neben den motivierenden Worten vor dem Start oder während des Sports, um durchzuhalten und sein Bestes zu geben, können auch Fertigkeiten, z.B. Bewegungsabläufe geistig erlernt und eingeübt werden. Auch in der Ausbildung, im Studium oder beim Job können Probleme durch spontanes, lautes Denken leichter gelöst werden. Ein Beispiel dafür ist eine Gruppe von Studenten, die Konstruktionsaufgaben zu lösen hatten. Die Teilnehmer, die bei der Arbeit laut vor sich hin dachten, schnitten besser ab.7
Welchen Nutzen haben Selbstgespräche im Alter?
Im Alter helfen Selbstgespräche, das Gedächtnis zu trainieren und mit den Herausforderungen des Alltags besser umgehen zu können. Neue oder komplexe Aufgaben werden mithilfe des lauten Selbstgesprächs, z.B. beim Aufsagen einer Gebrauchsanweisung, besser gelöst. Tests zeigen, dass das hörbare Selbstgespräch die kognitive Leistung älterer Menschen signifikant verbessert.8 Das gilt auch für die Suche eines Gegenstands, z.B. im Supermarkt oder in der Wohnung. Spricht man den Namen des gesuchten Objekts immer wieder laut aus, wird es schneller gefunden.9 Gerade im Alter ist es deshalb wichtig, über schiefe Blicke hinwegzusehen, wenn man in der Öffentlichkeit laut vor sich hinspricht, und das Selbstgespräch bewusst für sich zu nutzen.
Welche Funktion haben Selbstgespräche für die Psychohygiene?
Bevor sich das erste Magengeschwür bildet, weil die Wut stillschweigend in sich hineingefressen wird, ist es besser, sie in lautstarken Selbstgesprächen zu entladen. Auch andere Gefühle wie Frustration und Traurigkeit können sich so einen Kanal verschaffen. Wichtig: Keine Endlosschleifen, weil sich sonst die negative Energie im Kopf festsetzt! Besser: Sich verbal abreagieren, eine Runde Sport oder ein Spaziergang und dann bewusst einen positiven Satz für eine positive Zukunft für die weiteren Selbstgespräche formulieren!
Wann haben Selbstgespräche krankhaften Charakter?
Seelisch gesunde Menschen können unterscheiden, ob eine Stimme außerhalb von ihnen oder in ihnen selbst spricht. Menschen mit Psychosen10, wie z.B. einer Schizophrenie11, können diese Unterscheidung nicht mehr machen. Sie haben Halluzinationen, hören Stimmen, wo keine sind, und reden mit ihnen. Die Grenze zwischen gesunden und krankhaften Selbstgesprächen liegt deshalb da, wo eine Person eigene Gedanken als fremd wahrnimmt und auf Stimmen antwortet, die real gar nicht vorhanden sind. Auch depressive und demente Menschen können zu krankhaft bedingten Selbstgesprächen neigen. Menschen, die viel allein sind, füllen die Stille auch mal mit lauten Selbstgesprächen oder reden zu Haustieren. Diese Form, sich das Alleinsein angenehmer zu gestalten, macht Sinn und hat keinerlei Krankheitswert.
Quellen anzeigen
Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.