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Spenderorgane - Fluch oder Segen?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 19. Oktober 2018

Jeder von uns könnte eines Tages möglicher Geber und Empfänger eines lebenswichtigen Organs werden. Je mehr Menschen also einer Organspende zustimmen, desto mehr Leben können logischerweise gerettet werden. Doch die Organspenderzahlen sind in Deutschland rückläufig. Ein neuer Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministers soll nun den Organspendermangel beheben. Wird die Organspende eines Tages doch zur Pflicht? Welche Risiken birgt die Transplantationsmedizin? Mehr zu diesem Thema im folgenden Beitrag.

 

Die Transplantationsmedizin

 

In der Medizin werden auf verschiedenste Weise Organe, Körperteile, Gewebe und Zellen übertragen, um das Leben von Patienten zu retten oder ihre Lebensqualität zu verbessern. Einerseits lassen sich in der Transplantationsmedizin ohne Zweifel sehr große Erfolge erkennen; vielen Menschen ist dadurch ein Überleben erst ermöglicht worden. Andererseits sollte aber auch die Fragen nach den Grenzen und Gefahren dieses Medizinverfahrens, welches in der heutigen Zeit bereits der Routineprozedur angehört, erlaubt sein. Transplantationsmedizin: Fluch oder Segen? Der Körper des Menschen, bloß als Ressource und Ware betrachtet? Ein Thema, das Fragen der Menschenwürde berührt und gleichzeitig die Möglichkeit beinhaltet, Menschenleben zu retten.

Unter dem Begriff Transplantation versteht man die Übertragung von Zellen, Geweben oder Organen auf ein anderes Individuum oder an eine andere Körperstelle zu therapeutischen Zwecken. Man unterscheidet zwischen einer postmortalen Transplantation, bei welcher das Transplantat eines anonymen Spenders nach dessen Hirntod entnommen wird, und einer Lebend-Transplantation, bei der das Transplantat einem geeigneten, gesunden Spender entnommen wird – Beispiel hierfür wäre die Verpflanzung einer Niere oder Teilleber, um die Lebensqualität des Empfängers zu verbessern. Die Transplantate übernehmen die Aufgabe des funktionsunfähigen Empfängerorgans vollständig: man spricht von einer substitutiven Funktion, dem Ersatz eines funktionsunfähigen Organs.

 

Geschichte der Transplantationsmedizin

 

Die lebensrettende Übertragung von Körperteilen oder Organen von einem Menschen auf einen anderen Menschen gehörte zu den großen Träumen der Menschheitsgeschichte. Auf die Idee dieser Übertragung verwiesen bereits Mythen und Sagen der Vergangenheit. So ist die im dritten christlichen Jahrhundert durch die heiligen Zwillinge St. Kosmas und St. Damian durchgeführte Beintransplantation noch heute eine weit verbreitete Legende, die davon berichtet, wie die beiden Ärzte und Wunderheiler einem Kaufmann, dessen Bein durch einen Tumor zerstört worden ist, das Bein eines Verstorbenen transplantiert haben. St. Kosmas und St. Damian symbolisieren die Schutzheiligen der Transplantationsmedizin. Die Erfolgsgeschichte der Transplantationsmedizin nahm ihren Lauf und die Ergebnisse von Jahr zu Jahr besser. Die weltweit erste Herztransplantation beim Menschen wurde am 3. Dezember 1967 durch Christian Barnard durchgeführt. Das Medieninteresse und die starke Aufmerksamkeit in Bezug auf die Transplantationsmedizin wuchsen und mittlerweile gehören Transplantationen in großen Kliniken zur Routine der medizinischen Versorgung und sind damit nahezu zu einer Standardtherapie geworden.

 

Welche Organe können gespendet werden?

 

Nach dem Tod eines Menschen können unter anderem folgende Organe auf einen anderen Menschen übertragen werden: Herz, Leber, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm und Teile der Haut. Zudem ist auch eine Verpflanzung von Gewebe möglich; dazu zählen unter anderem die Hornhaut der Augen, Herzklappen, das Knochen- oder Knorpelgewebe sowie die der Sehnen. Darüber hinaus lassen sich auch bestimmte Organe bzw. Organteile bereits zu Lebenszeiten transplantieren. Beispiel hierfür ist die Durchführung einer Nierentransplantation oder einer Teil- bzw. Segmenttransplantation (Leber) wie auch einer Knochenmarkstransplantation.

 

Der Patient erhält nach einer Transplantation Medikamente, die eine Abstoßung des neuen Organs verhindern, da in den ersten Wochen das Abstoßungsrisiko am höchsten ist und somit eine sehr hohe medikamentöse Dosis verabreicht werden muss. Aufgrund der Medikamente ist die körpereigene Abwehr stark geschwächt, wodurch auch das Infektionsrisiko in der Anfangszeit nach einer Transplantation am höchsten ist. Eine lebenslange Einnahme dieser Medikamente hat zur Folge, dass das Leben eines Transplantierten infektionsgefährdet bleibt und auch die Entstehung von Krebserkrankungen durch die bewusste Herunterregulation des Immunsystems nicht selten ist.

 

Das Transplantationsgesetz

 

Das Transplantationsgesetz (TPG) vom 5. November 1997, in Kraft getreten am 1. Dezember 1997, markiert den Abschluss einer dauerhaften Diskussion, was die Organstransplantation betrifft. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stand die Frage der Organentnahme bei hirntoten Menschen bzw. die Bestimmung um den Todesbegriff (Hirntod) und die Widerspruchs- und Zustimmungslösung für die Organentnahme. Das heute gültige Transplantationsgesetz, befasst sich in acht Abschnitten mit den Bedingungen der Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben. Folgende Kernpunkte, welche im Gesetz enthalten sind, sind von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einer Broschüre zur Organ- und Gewebespende mit dem Titel „Antworten auf wichtige Fragen. Organspende schenkt Leben“ zusammengefasst worden:

 

  • „Transplantationen lebenswichtiger Organe wie Herzen, Lebern oder Nieren dürfen nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren vorgenommen werden“
  • „die Bereiche Organentnahme, Organvermittlung und Organtransplantation sind organisatorisch und personell voneinander zu trennen“
  • „Organe dürfen, abgesehen von einer Lebendspende, erst entnommen werden, nachdem der Tod des Organspenders festgestellt wurde. In diesem Zusammenhang ist immer auch der Gesamthirntod des Organspenders festzustellen“
  • „Den Tod müssen zwei erfahren Ärzte unabhängig voneinander feststellen und das Ergebnis ihrer Untersuchungen schriftlich dokumentieren“
  • „Seine Entscheidung zur Frage einer Organspende sollte jeder zu Lebzeiten möglichs schriftlich dokumentiert haben (Organspendeausweis). Kommt im Todesfalle eine Organspende nach ärztlicher Beurteilung in Betracht, werden die Angehörigen befragt, ob der Verstorbene sich zu Lebzeiten zur Frage der Organspende schriftlich oder mündlich erklärt hat. Falls den Angehörigen nichts bekannt ist, werden sie nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gefragt und gebeten, in seinem Sinne zu entscheiden, wie es das Gesetz vorsieht“
  • „Für die Übertragung vermittlungspflichtiger Organe haben die Transplantationszentren Wartelisten zu führen. Die Aufnahme in die Warteliste und die Vermittlung der Spenderorgane müssen dabei nach Regeln erfolgen, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Die Spenderorgane sind nach diesen Regeln bundeseinheitlich für geeignete Patienten zu vermitteln“
  • „Die Lebendspende eines nicht regenerierungsfähigen Organs ist nur zu Gunsten eines Verwandten ersten oder zweiten Grades, des Ehepartners, Verlobten oder einer anderen dem Spender besonders nahe stehenden Person möglich“
  • „Organhandel sowie das Übertragen und das Sichübertragen-Lassen gehandelter Organe werden unter Strafe gestellt“ 

 

Der Organspendeausweis

 

Ohne Bereitschaft zur Organspende in der Allgemeinbevölkerung gibt es keine erfolgreiche Transplantationsmedizin. Bundesgesundheitsminister Spahn hat sich zum Ziel gemacht, die rückläufigen Organspenderzahlen, die 2017 in Deutschland den Tiefststand erreicht hatten, zu stoppen und kündigte eine Gesetzesvorlage an, bei der über einen grundlegenden Systemwechsel in der Transplantationsmedizin nachgedacht wird. Zukünftig solle sich jeder Mensch einmal im Leben zum Thema Organspende stellen und entscheiden, ob er einer Organspende zustimme oder nicht. In dieser Hinsicht sei mehr Verbindlichkeit gefordert, so Spahn. Im Jahr 2017 wurden nur 2594 Organe gespendet, die Zahl der Spender sank auf 797 – hiermit sei der niedrigste Stand seit 20 Jahren erreicht. Der Druck zu Reformen auf die Politik nimmt immer mehr zu und so wird die Einführung einer Widerspruchslösung gefordert, bei der eine Organentnahme zum Regelfall gemacht wird. Denn mit einer Widerspruchslösung gilt, dass prinzipiell jeder Bürger potenzieller Organspender ist, es sei denn er habe ausdrücklich widersprochen, Organspender zu sein. Bislang gibt es aber Seiten der Union und von den Kirchen Ablehnungen.

So gilt in Deutschland nach wie vor: Mit einem Organspendeausweis, welcher auch im Ausland gültig ist, lässt sich die Erklärung zur Organspende für den Todesfall schriftlich dokumentieren. Man kann auf dem Ausweis zum Ausdruck bringen, ob man nach dem Tod einer Organentnahme zustimmt bzw. diese ablehnt oder ob man eine weitere Person bevollmächtigen möchte, diese Entscheidung in einem Todesfall zu treffen. Organspendeausweise sind kostenlos und bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) erhältlich und können auch aus dem Internet heruntergeladen werden. Ebenfalls werden die Ausweise von Krankenkassen, privaten Krankenversicherungsunternehmen, Apotheken, Krankenhäusern und Arztpraxen bereitgestellt. Durch das Ausfüllen des Organspendeausweieses liegt keine Registrierung vor, man kann die Vermerkungen im Organspendeausweis jederzeit ändern oder die Organspendeeinwilligung widerrufen, indem man den Ausweis vernichtet.

 

Ethische Aspekte der Organtransplantation

 

Fluch und Segen – in der Transplantationsmedizin liegt beides nahe beieinander. Die Transplantationsmedizin wirft nach wie vor ethische Fragen auf und stellt eine große persönliche wie gesellschaftliche Herausforderung dar, auch wenn sie mittlerweile zu den Standardmethoden der Medizin gehört.

Ist Organspende die simple Entscheidung dafür oder dagegen? Ein Thema, welches Fragen über Leben und Tod aufwirft, das Leib und Seele berührt. Ein Thema, welches nicht nur auf die Möglichkeit, Menschenleben zu retten, beschränkt ist, sondern zur Nächstenliebe, Solidarität und Respekt auffordert.

Ein Thema, welches die eigene Existenz, das Überleben oder Sterben behandelt.

Und immer wieder ist festzustellen, dass eine Diskussion über das Für und Wider von Organspende und Transplantation in allen Bereichen der Gesellschaft anhält.

Wünschenswert wäre es, sich bereits in Lebensphasen, in denen man keinerlei gesundheitliche Beschwerden aufweist, dennoch mit dem Tod auseinander zu setzen. Wir können an der Transplantationsmedizin wachsen, wenn wir den Mut haben, uns auch mit ihren schweren und schmerzhaften Seiten auseinander zu setzen.

 

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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