© UMB-O - Fotolia.com

Stottern: Wenn die Worte plötzlich fehlen

Kommentar schreiben Aktualisiert am 22. Oktober 2015

„Stottern ist, wenn man beim Sprechen ins Schwimmen kommt“ – so lautet eine von vielen Antworten auf die Frage „Was ist Stottern?“ auf der Homepage Stottern & Selbsthilfe NRW e.V. Stottern gilt als eine Störung des Redeflusses, von der mehr als 800.000 Menschen in Deutschland betroffen sind. Welche Ursachen hat Stottern und wie verhält man sich in einem Gespräch mit einem Stotterer? Alles rund um das Thema Stottern.

Was ist Stottern? Die Fakten

Rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung stottert. Männer sind etwa fünfmal häufiger betroffen als Frauen. Beim Stottern ist der Sprechfluss des Betroffenen durch verkrampfte Lautwiederholungen blockiert. Es tritt vorübergehend bei fast fünf Prozent aller Schulanfänger bis zum 6. Lebensjahr auf. Die Hauptursache liegt in dem altersbedingten Missverhältnis zwischen lebhaftem Mitteilungsbedürfnis und sprachmotorischen Fähigkeiten: Man weiß genau, was man sagen möchte, aber man ist in dem Moment nicht in der Lage, sich störungsfrei mitzuteilen. Durch auffällige Blockaden, Wiederholungen oder Dehnungen wird der Redefluss unterbrochen. Im Kindesalter kann das Stottern spontan auch wieder aussetzen, sodass die Spontanheilungsrate der Sprechstörung, die sogenannte Remission, im Kindesalter noch sehr hoch ist, während diese mit Beginn der Pubertät – sowohl der Stotterbeginn als auch die Rückentwicklung des Stotterns - ausgeschlossen ist.

Stotternde entwickeln darüber hinaus auch zusätzlich sekundäre Symptome. Zu den sekundären Symptomen zählen Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur oder Körperbewegungen.

Weitere sekundäre Symptome können sein

  • Vermeidungsverhalten, indem das Sprechen weitgehend gemieden wird
  • Abbruch des Blickkontakts
  • Aufreißen des Mundes
  • Herzrasen
  • Schwitzen
  • Veränderung der Atem- und Stimmgebung
  • Erhöhtes Sprechtempo
  • Taktik das Stottern zu verbergen, indem Füllwörter wie „ähm“, „also“, „äh“, genutzt werden

Im Hinblick darauf, sich weitgehend still zu verhalten, damit der Gegenüber das Stottern nicht bemerkt, kann unter Umständen ein totaler gesellschaftlicher Rückzug drohen.

Was ist die Ursache des Stotterns?

Bislang ist nicht ausreichend erforscht worden, warum Menschen stottern. Kinder denken schneller als sie sprechen oder man sei besonders nervös oder wolle Aufmerksamkeit erzielen sind Theorien von Laien, die allerdings nicht zutreffen. Fest steht allerdings, dass Stottern keine psychische Störung ist, sondern eine motorisch bedingte Sprechbehinderung darstellt.

Man hegt die Vermutung, dass die meisten Menschen eine Veranlagung zum Stottern haben, da Stottern oft familiär gehäuft auftritt. Zudem scheinen verschiedene Faktoren das Stottern auszulösen: Stottern entsteht in einem Zeitraum, in welchem sich das Kind sowohl geistig, körperlich, emotional und sprachlich besonders schnell entwickelt. Eine Vielzahl von Einflüssen, beispielsweise eine Stresssituation, kann zur Auslösung, Aufrechterhaltung und Verfestigung der Sprachstörung führen. Auch kann Stottern posttraumatisch, nach einem schlimmen Lebensereignis, oder bedingt durch Angst, Furcht sowie Nervosität einsetzen. Das Ausmaß des Stotterns ist hierbei individuell und ist bei jedem stotternden Menschen verschieden ausgeprägt und kann abhängig von der Situation schwanken. Das Stottern kann sich zum Beispiel verstärken, wenn der Betroffene merkt, dass der Sprachstörung zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird und man gehänselt wird.

Der Umgang mit stotternden Personen

Durch einen mutmachenden Umgang mit einem stotternden Kind werden die Stotterphasen am schnellsten überwunden – Erwachsene helfen dem Kind, indem sie Ruhe ausströmen, Hektik vermeiden, dem Kind genügend Gelegenheit geben, zu Wort zu kommen. Viele Menschen sind allerdings unsicher, wie sie mit einer stotternden Person, sei es ein Kind oder ein Erwachsener, umzugehen haben. Mit eigentlich nur gut gemeinten Hilfestellungen, wie das Beenden des Wortes/Satzes, das Abbrechen des Blickkontaktes oder dem Zuspruch langsamer zu reden, erreicht man allerdings das Gegenteil und der Stotterer fühlt sich angespannt und hilflos, was das Stottern dann verstärkt. Besonders das Unterbrechen des Stotternden bzw. das Weitersprechen wird von einer stotternden Person missachtend und entmündigend gedeutet. Der Druck des Betroffenen steigt zudem, wenn dieser merkt, dass sein Gegenüber negativ oder peinlich berührt auf sein Stottern reagiert. Die stotternde Person wird zunehmend unsicher und verliert die Lust am Sprechen, was ein Rückzug aus der Gesellschaft zur Folge haben kann. Alltägliche Situationen, wie das Kaufen eines Zugtickets oder das Führen eines Telefonats können zu einer Belastung werden. Die Angst vor dem Stottern kann – ohne Hilfe – unter Umständen das ganze Leben beherrschen und psychisch krank machen.

Eine kommunikative Situation kann für beide Gesprächspartner angenehm verlaufen, wenn auf das Stottern akzeptierende Zuhörerreaktionen folgen und hilfreiche Verhaltensweisen wie

  • Geduld
  • ausreden lassen
  • zustimmendes Nicken
  • Aufrechterhaltung des Blickkontakts als Zeichen Ihrer Aufmerksamkeit
  • Nicht abwertend sein, zum Beispiel durch Auslachen
  • den Gesprächspartner ernst nehmen

entgegen gebracht werden.

Welche Therapien und Behandlungsansätze gibt es?

Leider existiert nicht die perfekte Sprachtherapie oder die perfekte Sprechtechnik, die jedem stotternden Menschen in jeder Situation hilft. Allerdings ist es möglich durch Sprachtherapien und das Besuchen von Selbsthilfegruppen das Stottern soweit zu verändern, dass die Sprachstörung kein Problem mehr für den Betroffenen darstellt und man lernt mit dieser umzugehen.

Sprachtherapien werden durchgeführt von Logopäden und Sprachtherapeuten, Atem-, Stimm-, und Sprachlehrern und Sprachheilpädagogen. Ziel der Therapie ist es, zum Einen dem Stotternden die Angst vor dem Stottern zu nehmen und zum Anderen flüssiges Sprechen einzuüben. Die Therapien werden in unterschiedlichen Formen angeboten und können sowohl ambulant als auch stationär verlaufen. Es gibt Einzel- oder Gruppentherapien, die wöchentlich oder intensiv wochenweise bzw. am Wochenende besucht werden. Besonders im Kindesalter ist es sinnvoll mit einer Stottertherapie zu beginnen, da bei einem früh behandelten Kind die Chance relativ groß ist, dass es sein Stottern ganz verliert. Die Stottertherapie bei Erwachsenen strebt an, die Sprechflüssigkeit zu verbessern und das Stottern insoweit zu kontrollieren, dass eine gute Kommunikation möglich ist. Für viele Erwachsene kann es ein lebenslanger Prozess mit Rückfällen sein. Trotz allem sollte man nicht den Mut verlieren und geduldig sein.

Kein Grund sich zu schämen!

Stottern ist kein Problem, sondern nur eine Art Schönheitsfehler, aus welchem man eine Herausforderung machen kann, aber nicht sollte. Denn viele bekannte Persönlichkeiten stottern bzw. haben gestottert, wie unter anderem Marylin Monroe, Bruce Willis, Rowan Atkinson (bekannt als Mr. Bean), der Graf (von der Musikband „Unheilig), Colin Firth.

Daher: Es gibt kein Grund, zu schweigen! Menschen, die stottern, haben die gleiche Chance wie flüssig sprechende Menschen.

J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

Schreib einen Kommentar

help
help
help

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Zu unseren Datenschutzbestimmungen.