Strukturelle Veränderungen im Gehirn als Ursache für Borderline?
Wenn die innere Anspannung nicht auszuhalten ist: Das Borderline-Syndrom treibt Betroffene an den Rande des Abgrunds. Gefühlschaos und Ängste entladen sich häufig in selbstverletzendem Verhalten und aggressiven Episoden. Forscher glauben nun, eine Ursache für die Persönlichkeitsstörung ausgemacht zu haben. Das Gehirn eines Menschen mit dem Borderline-Syndrom weißt Abweichungen im limbischen System auf.
„Borderline ist für mich eine Reise ohne Fahrschein und der Kontrolleur naht“, „Borderline bedeutet für mich, dass ich die, die ich liebe verletzen muss“, „Borderline bedeutet ein Kind zu sein, das verzweifelt nach seiner Mutter sucht“ – so beschreiben Betroffene auf der Borderline-Plattform ihr inneres Gefühlsleben. Das Borderline Syndrom gehört zu den Persönlichkeitsstörungen, die durch starke Impulsivität, instabile Emotionen, Stimmungsschwankungen, Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen und einer Störung der eigenen Identität einhergeht.
Borderline-Syndrom: Mehrere Faktoren als Ursache
Bei der Entstehung der Persönlichkeitsstörung spielen mehrere Faktoren zusammen. 60% der Betroffenen haben in ihrer Kindheit körperlichen oder sexuellen Missbrauch erfahren. Dadurch „lernt“ der Organismus seine innere Gefühlswelt quasi auszuschalten. Dieser Automatismus bleibt bis ins Jugend- und Erwachsenenalter bestehen und sorgt dann für ein deutlich vermindertes Schmerzempfinden. Erst durch tiefe Schnitte in die Haut oder Brandverletzungen können die Betroffenen überhaupt wieder etwas spüren. Außerdem entlädt sich so die unerträgliche innere Anspannung.
Erfährt ein Kind körperliche oder sexuelle Gewalt, Vernachlässigung oder Verlust eines Elternteils, hat das körperliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns. Durch permanenten Stress verändern sich die Strukturen und die Informationsvermittlung zeigt im Vergleich zu einem „normalen“ Gehirn Abweichungen.
Hirnareale für Emotionsregulation verändert
Bildgebende Verfahren zeigten, dass vor allem die Areale des Gehirns, die für die Regulation von Emotionen verantwortlich sind, bei Borderline-Patienten deutlich verkleinert sind. Dazu gehören die sogenannte Amygdala (auch Mandelkern genannt) und der Hippocampus. Der Mandelkernkomplex wirkt als emotionaler Verstärker. Umgekehrt: Fehlt der Mandelkern, fehlt dem Individuum jegliche Aggressivität, Angst und sämtliche Emotionen sind stark abgeschwächt – ähnlich wie die Empfindungslosigkeit bei vielen Borderline-Patienten.
Auch das Volumen des Hippocampus ist bei Borderline-Patienten vermindert. Diese strukturelle Veränderung kommt auch bei Personen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung vor. Der Hippocampus ist die Schaltzentrale des limbischen Systems. Hier laufen die Informationen verschiedener körperlicher Strukturen zusammen. Der Hippocampus spielt bei der Umwandlung vom Kurz- zum Langzeitgedächtnis eine wichtige Rolle. Bei einem Borderliner ist der Hippocampus um bis zu 16% verkleinert.
Strukturveränderung Ursache oder Folge?
Ob es sich bei den strukturellen Veränderungen im Gehirn um die ursprüngliche Ursache der Persönlichkeitsstörung oder eine ihrer Folgen handelt ist bislang noch nicht geklärt. Fest steht aber, dass im Gehirn eines Borderliners emotionale Prozesse anders vonstattengehen. Damit lassen sich eventuell die emotionale Überlastung und die extreme innere Anspannung der Betroffenen erklären.
Therapieformen des Borderline-Syndroms
Die gute Nachricht ist, dass eine Therapie vielen Betroffenen hilft den Alltag zu meistern und mit dem emotionalen Chaos zurecht zu kommen. Vor allem zwei Therapieansätze haben sich in den vergangenen Jahren auch dank positiver Studienergebnisse durchgesetzt: Die dialektische behavoriale Therapie (DBT) und die schemafokussierte Therapie (SFT).
Bei der dialektische behavorialen Therapie werden verschiedene Therapieformen kombiniert. Es kommen Einzelgespräche und Gruppensitzungen vor. Im Vordergrund steht die Verhaltenskontrolle des Patienten. Er soll lernen mit seinen Gefühlsausbrüchen, emotionalem Stress und sozialen Fähigkeiten umzugehen. Dabei soll die Stresstoleranz gesteigert werden, sodass es seltener zu Ausbrüchen und Stimmungsschwankungen kommt.
Schematherapie stellt Kindheitserlebnisse ins Zentrum
Bei der schemafokussierten Therapie geht der behandelnde Arzt des gegebenenfalls traumatischen Ereignisses in der Kindheit des Patienten nach. Er versucht mit seinem Patienten das Erlebte zu verarbeiten und in die Lebensgeschichte zu integrieren. Laut dieser Therapie-Theorie hat das misshandelte oder vernachlässigte Kind ein Verhaltens-Schema entwickelt und reagiert dann auch als Erwachsener auf auslösende Situationen mit dem erlernten Schema. Dieses Schema sitzt auf einer tief verborgenen Ebene des Unterbewusstseins und ist nur schwer zugänglich.
Ziel der Therapie ist es, dieses Schema so zu verändern, dass der Betroffene wie ein gesunder Erwachsener auf Situationen reagieren kann, ohne in einem Verhaltensmuster gefangen zu sein.
Therapie bei Borderline ist langwierig
Eine Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung dauert mindestens ein bis 3 Jahre. Zusätzlich zur Psychotherapie können verschriebene Medikamente den Prozess unterstützen und die Symptome der Störung mildern. Die Erfolgsaussichten einer Therapie bei einer rechtzeitig erkannten Borderline Störung sind gut. Nach etwa 10 Jahren gehen die Symptome deutlich zurück und ein Leben mit der Krankheit ist vielen Betroffenen möglich.
Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.