Was essen wir da eigentlich? Lebensmittel-Siegel und ihre Aussagen
Nicht nur in Krisenzeiten wird es immer mehr Menschen immer wichtiger, sich gut zu ernähren – mit Lebensmitteln, die anständig und ressourcenschonend erzeugt wurden, möglichst naturbelassene Inhaltsstoffe haben und der Umwelt und den Tieren, von denen sie stammen, möglichst gerecht wurden. Wer solche Lebensmittel kaufen will, schaut häufig genau hin – und findet bei den meisten Produkten unterschiedliche Label und Siegel, die auf ihre Herkunft und die Qualität ihrer Inhaltsstoffe hinweisen. Doch was sagen solche Siegel wirklich aus? Kann man ihnen trauen? Und worauf sollte man außerdem beim Lebensmittelkauf achten?
Zunächst gibt es die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Lebensmittel-Kennzeichnungen und den Lebensmittel-Siegeln, die auch Label oder Prüfzeichen genannt werden. Die Lebensmittel-Kennzeichnungen geben Auskunft u.a. über Haltbarkeit, Inhaltsstoffe oder Allergene. Manche Angaben sind allgemein, andere wiederum nur für bestimmte Produkte vorgeschrieben.1
Siegel dagegen informieren über Herkunft, Art des Anbaus bzw. Umstände der Produktion oder versprechen ein nach besonderen Qualitätskriterien kontrolliertes Produkt. Häufig finden sie sich als „Bio-Siegel“, etwa auf Produkten aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft oder bei Lebensmitteln, die besonders umweltschonend oder tierfreundlich hergestellt wurden. Was sie aussagen, ist sehr unterschiedlich: Manche Siegel darf ein Produkt schon dann tragen, wenn es nur gesetzlichen Mindeststandards genügt, andere Labels werden nur bei Erfüllung höchster Qualitätskriterien und nach strengsten Kontrollen vergeben. Das Problem: Viele Siegel sind letztlich „Etikettenschwindel“, denn sie täuschen lediglich die besondere Qualität des Produkts vor; mit dem Siegel wird dann natürlich auch der entsprechend erhöhte Preis gerechtfertigt. Zum Glück gibt es aber auch Labels, die tatsächlich hohe Aussagekraft haben und mit denen man weitgehend sicher sein kann, ein gutes Lebensmittel zu kaufen, das hält, was es verspricht.
Inhaltsverzeichnis:
- Die wichtigsten Lebensmittelsiegel
- Vertrauenswürdig: Siegel der deutschen Bio-Anbauverbände
- Achtung Mogelpackungen!
- Mehr Tierwohl, bitte!
- Die wichtigsten derzeitig geltenden Tierwohl-Labels
- Haltungsform
- Initiative Tierwohl
- Neuland
- "Für mehr Tierschutz"
- Die Nummern auf den Eiern
- Tierschutz hat seinen Preis
- ... und wer kontrolliert das alles?
Die wichtigsten Lebensmittelsiegel
Das verpflichtende EU-Bio-Logo muss seit 2010 auf allen verpackten Bio-Lebensmitteln stehen, die innerhalb der Europäischen Union hergestellt werden. Es findet sich auf sehr vielen Lebensmitteln, die in den Bio-Regalen von Discountern und großen Supermärkten stehen. Das einheitliche Siegel sagt aus, dass der Hersteller sich an die europäische Öko-Verordnung gehalten hat, also dass Tiere „artgerecht gehalten“ wurden (= die Tiere haben mehr Platz und erhalten Bio-Futter), und dass weder mit Gentechnik noch mit chemisch-synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln gearbeitet wurde. Außerdem müssen die Zutaten eines Produkts mit EU-Öko-Siegel zu mindestens 95 Prozent aus ökologischem Landbau kommen. Nach der Vergabe werden die Nutzer dieses Siegels – zumindest offiziell – mindestens einmal jährlich kontrolliert.2 Das EU-Öko-Siegel wurde jedoch bereits vielfach als „Bio light“-Siegel kritisiert – die EU-Bio-Richtlinien sind vielen nicht streng genug.3
Das sechseckige deutsche Bio-Siegel ist noch älter als das europäische. Im Gegensatz zum EU-Bio-Siegel ist es allerdings freiwillig; es kann auch zusammen mit dem EU-Siegel verwendet werden. Was die Vergabekriterien und Qualitätsaussagen angeht, ist das Sechseck mit dem EU-Siegel weitgehend gleichzusetzen. Eigentlich ist es seit Einführung des EU-Bio-Labels überflüssig, doch wegen seiner großen Bekanntheit im Land – und weil Waren mit mehr Siegeln darauf auch nach „mehr Qualität“ aussehen – setzen viele Hersteller weiterhin darauf.2
Vertrauenswürdig: Siegel der deutschen Bio-Anbauverbände
Wer mehr gesicherte Bio-Qualität haben möchte, sollte auf die Label der deutschen oder europäischen Bio-Verbände setzen. Zu den bekanntesten deutschen gehören „Naturland“, „Bioland“ und „Demeter“ sowie z.B. „Ecovin“ für Weine. Diese Verbände geben für die Vergabe ihrer Siegel weitaus strengere Aufzucht-, Anbau- und Produktionsbedingungen vor als die EU-Verordnung dies tut. Dennoch müssen Produkte, die mit einem Verbands-Siegel ausgezeichnet sind, auch das einheitliche EU-Bio-Logo tragen.4
Achtung Mogelpackungen!
Viele Lebensmittel sind mit Etiketten wie „umweltfreundlich“, „kontrollierter Anbau“ oder „unbehandelt“ versehen. Das ist in der Regel Augenwischerei, die Bio-Qualität nur vorgaukelt. Dasselbe gilt für die eigenen Bio-Label von Supermarktketten und Discountern – diese sind nur ok, wenn sie gleichzeitig auch das EU-Bio-Siegel auf der Verpackung haben. Nur Produkte, die die EU-rechtlich geschützten Bezeichnungen „bio“ oder „öko“ tragen und mit dem EU-Bio-Siegel ausgezeichnet sind, entsprechen tatsächlich den entsprechenden Verordnungen und dürfen mit Begriffen wie „biologisch“ oder „ökologisch“ werben!
Mehr Tierwohl, bitte!
Teils ekelerregende Medienberichte haben vielen Verbrauchern die Lust auf industriell produzierte Tierprodukte wie Fleisch, Eier oder Milch gründlich verdorben. Daher finden sich inzwischen auf immer mehr tierischen Produkten die sogenannten Tierwohl-Labels, die z.B. Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung versprechen. Derzeit gibt es mehrere Labels, die aufgrund unterschiedlicher Kriterien vergeben werden. Für Ende 2020 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium die Einführung eines neuen deutschen Tierwohl-Labels versprochen, das zuerst nur für Schweinefleisch und mit steigenden Anforderungen später auch für Rind und Geflügel gelten soll. Es soll für die Tiere mehr Platz und bessere Lebens-, Transport- und Schlachtbedingungen garantieren, wird aber bereits im Vorfeld als zu schwach kritisiert. Anstoß erregt zudem die Tatsache, dass das Label freiwillig und unverbindlich sein wird.
Die wichtigsten derzeitig geltenden Tierwohl-Labels
Haltungsform
Dieses neue Label wurde von der „Initiative Tierwohl“ herausgebracht, in der sich Land- und Fleischwirtschaft sowie mehrere Lebensmittel-Riesen (u.a. Rewe, Aldi, Edeka und Lidl) zusammengeschlossen haben. Auf abgepacktem Fleisch kennzeichnet das „Haltungsform“-Siegel mit jeweils einer Farbe die Haltungsbedingungen der Tiere, etwa hinsichtlich Stallhaltung, Außenklima und Auslauf. Auch wenn die Initiative sicherlich lobenswert ist: Einige Kriterien sind im untersten Bereich der Tierfreundlichkeit angesiedelt. Wenn man weiß, dass z.B. in der untersten Kategorie „Stallhaltung“ als Mindestanforderung für 26 Hühner ein Quadratmeter Platz genügt und sich in der nächsthöheren Stufe „Stallhaltung plus“ immer noch 23 Hühner auf einem Quadratmeter drängeln dürfen, wird einem dieses Siegel sicherlich nicht ausreichen. Umso mehr, als das Label hinsichtlich Tiergesundheit, Transport und Schlachtung keinerlei Aussagekraft besitzt.5
Initiative Tierwohl
Bereits seit 2018 verleiht die „Initiative Tierwohl“ ein Siegel, das vor allem Geflügel-, aber auch Schweinefleischprodukte aus angeschlossenen Betrieben kennzeichnet. Die Anforderungen, die die Betriebe erfüllen müssen, um das Siegel zu erhalten (und dafür auch finanziell „belohnt“ werden), sind nur geringfügig höher als die gesetzlichen Mindestkriterien – von wirklich glücklichen Tieren dürfte das Fleisch, das mit diesem Siegel gekennzeichnet ist, nicht stammen.6
Neuland
Ein eigenes Siegel verleiht auch der Verein „Neuland“ an Fleischprodukte. Neuland, zu dem u.a. der Deutsche Tierschutzbund und der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) gehören, setzt durchaus strenge Maßstäbe an die Haltung von Schweinen, Rindern, Hühner, Gänsen, Puten und Lämmern, garantiert regelmäßige strenge Qualitätskontrollen und achtet generell auf Ethik und Nachhaltigkeit. Auch wenn das Neuland-Label kein Bio-Siegel ist, kommt der Verein den Standards deutscher Bio-Anbauverbände wie Naturland, Demeter und Co. zum Teil recht nah, z.B. beim Weidegang für Milchkühe, bei den Transportzeiten oder beim Auslauf, bei der Stallausstattung und bei den Stallgrößen. Vorbeugende Antibiotika sind tabu, ebenso Ferkelkastration ohne Betäubung und Gentechnik. „Neuland“-Produkte bekommt man nicht beim Discounter, sondern in speziellen Metzgereien und den Hofläden der dem Verein angeschlossenen landwirtschaftlichen Betriebe.6 Bezugsquellen findet man auf der Neuland-Webseite neuland-fleisch.de
"Für mehr Tierschutz"
Bereits 2013 hat der Deutsche Tierschutzbund ein eigenes Label herausgebracht. „Für mehr Tierschutz“ bewertet in zwei Stufen Haltungs- und Transportbedingungen von Masthühnern, Mastschweinen und Legehühnern aus konventioneller Landwirtschaft. Fleisch und Eier mit diesem Label findet man in verschiedenen Supermärkten und Discountern. In der ersten Stufe mit einem Stern steht das Label u.a. für mehr Platz in den Ställen und Beschäftigungsmöglichkeiten, gemäßigte Mast und Tiertransporte, die maximal vier Stunden dauern dürfen. Strenger werden die Kriterien erst in der „Premium-Stufe“ mit zwei Sternen, hierfür müssen beispielsweise Hühner und Schweine nach draußen dürfen. Verbraucherschützer bescheinigen nur dem Zwei-Sterne-Label einen anerkennenswerten Tierschutzstandard.6
Die Nummern auf den Eiern
Was die Kennzeichnung von Eiern angeht, kennt man seit langem die Codes, die meist auf jedem einzelnen Ei aufgestempelt sind. Es zeigt insbesondere die Haltung der Tiere und das Land an, aus dem die Eier kommen. Die erste Zahl des Codes belegt die Art der Erzeugung. 0 steht für ein Bio-Ei. Auch hier macht es natürlich wieder einen Unterschied, ob auf der Eierpackung ein Naturland- oder Demeter-Siegel oder das EU-Bio-Siegel steht: Eier, die das Siegel eines deutschen Bio-Anbauverbandes tragen, sind hochwertiger. Die 1 steht für Freilandhaltung. Das bedeutet: Die Hennen müssen, wie „Bio-Hennen“ auch, Auslauf bekommen, haben aber deutlich weniger Platz und müssen kein Bio-Futter bekommen. Die Anfangsziffer 2 benennt Eier aus Bodenhaltung. Diese sollte man, wenn einem artgerechte Tierhaltung und anständige Produktion am Herzen liegen, nicht kaufen. Denn „Bodenhaltung“ ist ein irreführender Begriff. Hierbei drängen sich beispielsweise neun Hennen auf einem Quadratmeter und dürfen sich nur innerhalb geschlossener Ställe bewegen – soweit ihnen das überhaupt möglich ist.7
Tierschutz hat seinen Preis
Auch was den Tierschutz angeht, sind es wieder die Bio-Anbauverbände, die die strengsten Richtlinien vorgeben. Wer also umweltfreundlich und nachhaltig hergestellte Produkte von Tieren aus artgerechter Haltung kaufen will, sollte auf die schon erwähnten Siegel von Naturland, Bioland oder Demeter achten. Das EU-Bio-Siegel garantiert auch hinsichtlich des Tierwohls lediglich gesetzliche Mindeststandards. Natürlich sind Produkte, die mit einem Siegel der deutschen Bio-Anbauverbände ausgezeichnet sind, teurer. Jeder Verbraucher muss selbst entscheiden, wie viel ihm das Wohl der Tiere wert ist – und ob er dem Rat vieler Experten folgt, aus Umwelt- und Tierschutzgründen den Fleisch- und Tierproduktverbrauch generell einzuschränken.
Welche Möglichkeiten Verbraucher haben, um sich, abgesehen von Siegeln, über Herkunft und Qualität ihrer Lebensmittel zu informieren, dazu haben die Verbraucherzentralen umfassende Informationen ins Netz gestellt: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/herkunft-von-lebensmitteln-woher-kommen-fleisch-eier-obst-5431
... und wer kontrolliert das alles?
Mal abgesehen von den eigenen (Kontroll-)Möglichkeiten, die wir Verbraucher heute haben, gibt es auch eine offizielle staatliche Stelle, die all die vielen Angaben auf ihre Richtigkeit hin überprüft: Für die amtliche Lebensmittelüberwachung ist das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig. Laut BVL tragen zunächst „Hersteller, Importeure, Spediteure und Händler die Verantwortung für die von ihnen in Verkehr gebrachten Lebensmittel“. Das heißt: Diese Gruppen sind verpflichtet, eigene Kontrollen durchzuführen und diese auch zu dokumentieren. Außerdem müssen sie die Quellen nachweisen, aus denen sie Lebensmittel und Zutaten beziehen und belegen, an wen sie weiterverkauft haben. Als übergeordnete Instanz ist es dann die behördliche Lebensmittel- und Veterinärüberwachung der jeweiligen Bundesländer, die regelmäßig überall da kontrolliert, wo Lebensmittel hergestellt, bearbeitet oder in den Verkehr gebracht werden. Die ermittelten Daten aus den Ländern werden dann dem BVL gemeldet.8
So sieht es zumindest in der Theorie aus – dass Behörden teils unterbesetzt sind, teils schlampig arbeiten, hat man ja im Rahmen diverser Lebensmittelskandale bereits mehrfach erfahren. Somit kann sich kein Verbraucher uneingeschränkt auf die Kontrollen des Bundes bzw. der Länder verlassen, sondern sollte genau hinschauen, was er kauft und verzehrt. Gut also, wenn man die Siegel, Labels und Co. und ihre Aussagen kennt. Und wenn man, davon abgesehen, möglichst viele (saisonale) Produkte aus der eigenen Region von bekannten Erzeugern, am besten in Bio-Qualität, einkauft.
Quellen anzeigen
Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.