Was kann Psychotherapie? Methoden und Ablauf
Jeder kennt Tiefphasen in seinem Leben: Die Beziehung ist zu Ende. Der Job ist weg. Eine geliebte Person stirbt. Dennoch gelingt es meistens früher oder später, wieder Fuß zu fassen und sein Leben neu zu strukturieren. Falls jedoch depressive Phasen, Mobbing-Attacken oder Traumata so stark wirken, dass Energie und Motivation dauerhaft auf dem Tiefpunkt sind, der Leidensdruck gleich bleibt und der Alltag nur noch schwer bewältigt werden kann, braucht man professionelle Hilfe. Die Auswahl an Therapeuten scheint endlos. Wie ist eine Psychotherapie definiert? Welche Arten von Psychotherapie gibt es? Wann bezahlt die Kasse? Wie läuft der Weg zur Genehmigung einer Therapie ab? Was ist der Unterschied zur psychologischen Beratung?
Was versteht man unter Psychotherapie?
Mit einer Psychotherapie werden seelische Erkrankungen und körperliche Beschwerden, die auf seelische Störungen zurückzuführen sind, professionell diagnostiziert und behandelt. Professionell ist in Deutschland klar definiert: Eine standardisierte Ausbildung und die Anwendung wissenschaftlich anerkannter Methoden. Eine Psychotherapie setzt voraus, dass die Störungen Krankheitswert haben. Das ist der Unterschied zu einer psychologischen Beratung. Krankheit bedeutet z.B. ein anhaltender depressiver Zustand, totale Erschöpfung, Suchtverhalten oder Ängste.
Wie ist eine seelische Störung definiert?
Ab wann ein seelisches Leid oder eine Verhaltensstörung als krankhaft gilt, wird im ICD-10 definiert. Das ist eine Klassifikation (systematische Auflistung) der seelischen Krankheitsbilder, ihrer Symptome, Schweregrade und der Dauer, in der sie auftreten müssen, damit eine bestimmte Diagnose gestellt werden kann. Herausgegeben wird dieser Diagnoseschlüssel, abgekürzt in Buchstaben und Zahlen, von der WHO. Beispiel: F32.0 ist eine leichte depressive Störung, bei der sich der Patient krank fühlt, aber Alltag und Beruf noch bewältigen kann. F32.1 beschreibt eine mittelgradige Depression, bei der den Alltagsanforderungen nicht mehr nachgekommen werden kann. Ist die Depression so stark, dass Wahngedanken mit auftreten, wird sein Zustand mit F32.2 diagnostiziert. Die Liste finden Sie zusammengefasst bei Wikipedia unter „Liste der psychischen und Verhaltensstörungen nach ICD-10“.
Wer braucht und bekommt eine Psychotherapie?
Jeder, der sich in einem dieser Krankheitsbilder wiederfindet bzw. bei dem eine solche seelische Erkrankung diagnostiziert wird, braucht und erhält eine Psychotherapie. Beispiele sind Lebenskrisen, stressbedingte Erkrankungen, Ängste, Suchtverhalten, Essstörungen, Zwangserkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Persönlichkeitsstörungen. Ziel ist, den Leidensdruck des Patienten zu mindern und seine seelische Gesundheit möglichst wiederherzustellen.
Wer ist in Deutschland berechtigt, Psychotherapie durchzuführen?
Psychotherapie in diesem Sinne wird von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie durchgeführt. Außerdem darf Psychotherapie von Psychologischen Psychotherapeuten, d.h. Psychologen mit psychotherapeutischer Ausbildung und Approbation sowie von Heilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie angeboten werden.
Welche Verfahren der Psychotherapie sind wissenschaftlich anerkannt?
Die Verhaltenstherapie ist anerkannt. Sie strebt an, problematisches Verhalten neu zu konditionieren. Der Patient erlernt alternative Möglichkeiten, um neu auf Reize zu reagieren, die bisher Leid oder schwieriges Verhalten ausgelöst haben. Verhaltenstherapie hat sich besonders bei Ängsten, Phobien, Zwängen, Depressionen und Selbstsicherheitsproblemen bewährt. Anerkannt sind außerdem die analytische Psychotherapie (Freud & Co.) und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Beide Verfahren befassen sich mit den unbewussten Konflikten und Motivationen, die Auslöser für das seelische Leid sind und deren Ursache meist in der Kindheit liegt. Die Verfahren können im Einzel, Paar-, Familien- oder Gruppen-Setting durchgeführt werden. In bestimmten Anwendungsbereichen ist zudem die Hypnosetherapie anerkannt.
Wann bezahlt die Krankenkasse eine Psychotherapie?
Die Krankenkasse bezahlt ausschließlich Psychotherapie, wie sie oben definiert ist: mit wissenschaftlich anerkannten Methoden, die von einem dafür ausgebildeten Arzt, Psychologen (gesetzliche Krankenkasse) oder Heilpraktiker (private und Zusatzkassen) durchgeführt wird. Zu beachten ist, dass während oder nach einer Psychotherapie die Aufnahme in einer privaten Krankenversicherung wie auch einer Berufsunfähigkeitsversicherung erschwert oder ganz unmöglich ist.
Wie findet man einen geeigneten Psychotherapeuten?
Am besten über die gängigen Suchmaschinen. Eingabe: Psychotherapie und Wohnort. Sie finden eine lange Liste an Therapeuten mit den unterschiedlichsten Angeboten. Wenn Sie eine „echte“ Psychotherapie brauchen und sie über die Kasse abrechnen wollen, wählen Sie einen Therapeuten, der dazu berechtigt ist. Entscheiden Sie in der Vorauswahl, ob Sie einen Verhaltenstherapeuten oder Psychoanalytiker bevorzugen. Sie können bei maximal drei Psychotherapeuten jeweils bis zu 4 Probesitzungen nehmen, um zu prüfen, ob die Behandlung Ihren Vorstellungen entspricht und ob die Chemie stimmt. Dann sollten Sie sich für einen der drei, falls Sie überhaupt so viele Anläufe brauchen, entscheiden.
Wie erhält man die Erstattung durch die Krankenkasse?
Haben Sie sich für einen Psychotherapeuten entschieden, stellt er einen Antrag auf Kostenübernahme bei Ihrer Krankenkasse. Ist Ihre Wahl auf einen Facharzt gefallen, brauchen Sie nichts weiter zu tun. Haben Sie sich für einen Psychologischen Psychotherapeuten entschieden, müssen Sie noch einen Hausarzt aufsuchen, um abzuklären, ob eine körperliche Erkrankung vorliegt, die zusätzlich medizinisch behandelt werden muss.
Wie lange dauert eine Psychotherapie?
Die Probesitzungen zählen nicht zur Therapie. Eine Einzelsitzung dauert meist 50 Minuten, eine Gruppensitzung 100 Minuten. Eine Kurzzeittherapie umfasst 12 Stunden. Bei einer Verhaltenstherapie kann man mit 60 Stunden, bei einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie mit bis zu 60 Stunden und bei der analytischen Psychotherapie mit bis zu 160 Stunden rechnen.
Wie unterscheidet sich die Psychotherapie von einer psychologischen Beratung?
Psychologische Beratungen behandeln seelische Beschwerden ohne Krankheitswert. Die Methoden sind oft sehr effektiv und das schon in kürzerer Zeit als eine klassische Psychotherapie. Nachteil ist, dass die Kosten vom Klienten selbst getragen werden müssen.
Welche Methoden gibt es in der psychologischen Beratung?
In der psychologischen Beratung wird nicht nur mit Gesprächstherapie gearbeitet. Es werden auch körperorientierte Methoden wie Bioenergetische Analyse oder künstlerischer Selbstausdruck wie in der Kunst- und Musiktherapie eingesetzt. Die Verfahren sind oft erlebnis- und erfahrungsorientiert. Ein weiter Bereich ist die systemische Therapie. Sie berücksichtigt, dass die seelische Befindlichkeit auch vom Umfeld, der Familie, der Beziehung und dem Arbeitsplatz beeinflusst wird. Der Mensch ist kein isoliertes Wesen. Seelisches Wohlbefinden hängt auch mit oft unbewussten Verpflichtungsgefühlen, falsch verstandener Loyalität und Liebe zum System Familie und dem unmöglichen Versuch, Leid von anderen zu übernehmen, zusammen.
Worauf muss bei der Auswahl von psychologischen Beratern geachtet werden?
Ein psychologischer Berater braucht keine Heilerlaubnis. Es gibt auch keine weiteren definierten Auflagen für die Ausübung seiner Tätigkeit, da ihm die Arbeit mit seelisch kranken Menschen untersagt ist. Dennoch sollte auch er in seiner Methode eine solide Ausbildung durchlaufen haben und über ausreichend Erfahrung verfügen.
Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.