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Wenn die Fetzen fliegen – weshalb streiten mit dem Partner so wichtig ist

Kommentar schreiben Aktualisiert am 29. Januar 2016

Streit in einer Beziehung? Das muss nicht immer auf einen schlechten Zustand der Partnerschaft hindeuten. Ganz im Gegenteil. Streit ist notwendiger Bestandteil einer Beziehung und trägt dazu bei, dass diese gefestigt wird. Aber auch Streiten will gelernt sein. Alles über gelerntes Konfliktverhalten und die No-Go’s bei Auseinandersetzungen im folgenden Beitrag.

Streit kommt in den besten Beziehungen vor

In Deutschland streiten 42 Prozent ein bis zweimal im Monat, 11 Prozent mehrmals in der Woche und eine Minderheit von 5 Prozent mehrmals am Tag; 29 Prozent vermeiden einen Streit und schweigen lieber und ganze 10 Prozent der Bevölkerung behaupten, sich nie zu streiten.

 

Dabei hat Streit einen ganz besonderen Stellenwert in einer Beziehung: Herr Kurt Hahlweg ist deutscher Psychologe und Professor an der Technischen Universität Braunschweig und unter anderem mit seinem Werk Partnerschaftsprobleme – Möglichkeiten zur Bewältigung. Ein verhaltenstherapeutisches Programm für Paare. bekannt. Er ist der Ansicht, dass glückliche Paare genauso viel und heftig streiten wie unglückliche Paare.

 

Der einzige Unterschied zwischen den Streitenden liegt im Umgang miteinander. In einer guten Partnerschaft wird nämlich nicht die Person oder der Charakter kritisiert, sondern lediglich Kritik an dessen Verhalten bzw. Äußerungen ausgeübt. Ein Beispiel: Wenn der Partner einer Verabredung nicht nachkommt bzw. sich verspätet und diese Situation schon des Öfteren eingetreten ist, reagiert die Partnerin verständlicherweise nicht mehr mit Nachsicht. Allerdings ist die Art, wie man sich diesbezüglich mitteilt, entscheidend und kann einen Zustand entweder entschärfen oder eskalieren lassen.

 

Mit dem Satz „Auf dich kann man sich einfach nicht verlassen! Immer kommst du zu spät! Da sieht man mal, wie wichtig ich dir bin“ attackiert man den Gegenüber und übt persönliche Kritik aus und macht diesem Vorwürfe. Anders wäre es mit der Aussage: „Ach, Schatzi, kannst du dich vielleicht einmal nicht verspäten? Oder mir wenigstens Bescheid sagen?“ Der Partner wird einsehen, dass es nicht nett ist, ohne Mitteilung jemanden warten zu lassen und wird sich in Zukunft bemühen, pünktlich zu erscheinen.

 

Ebenfalls wichtig ist es, nicht aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, sprich aus der Kleinigkeit der banalen Verspätung, den ganzen Tag schlechte Laune zu haben und den Partner mit Sturheit und Schmollen zu bestrafen. Zudem sollte bei einer Auseinandersetzung auch nicht alte Fehlverhalten wieder in Erinnerung gerufen werden, das heißt, nicht eine Sache, die bereits geklärt und überwunden war, wieder ins Rollen zu bringen und erneut alte Fehler aufzuwärmen.

 

Denn das ursprüngliche Problem kann nicht dadurch gelöst werden, sondern reißt nur alte Wunden auf. Beispiel: „Entweder du verspätest dich oder sagst mir wegen eines spontanen Geschäftsessen ab oder du musst mal wieder mit deinen Kumpels die Zeit in Kneipen verbringen, anstatt mal was mit mir zu machen!“ Die eventuellen vergangenen Streitsituationen wie die Arbeit oder sein Freundeskreis und der Vorwurf, keine Aufmerksamkeit der Partnerin zu schenken, sind hier fehl am Platz! Vergangenes soll vergangen bleiben! Die Art des Umgangs in einer Partnerschaft, klappt bei der Hälfte aller Paare gut, so der Psychologe Professor Hahlweg. Die andere Hälfte muss allerdings lernen, richtig zu streiten, wenn überhaupt Bereitschaft besteht und der Wille dafür gezeigt wird.

Streit ist für das Wachstum einer Beziehung notwendig

Streiten bedeutet nicht das Aus ihrer Liebe, sondern ist notwendig und positiv zu betrachten. Denn durch Streitereien lernen Sie Ihren Partner näher kennen über die diskutierten Ansichten und Bedürfnisse. Sie sind ehrlich zueinander und durch Streit wird ausgedrückt, dass Sie an Ihrer Beziehung arbeiten und wie Sie es sich in Zukunft vorstellen. Ein gelöster Konflikt kann zusammen schweißen und die Beziehung intensivieren. Und egal weswegen man sich streitet, die Findung eines Problems sollte immer stattfinden, anstatt dass ein Konflikt im Sand verläuft. Denn dadurch droht die Gefahr, dass sich dieser Konflikt wiederholen wird.

Richtig konstruktives Streiten ist erlernbar

Es ist wichtig, ein gesundes Maß an Streitkultur zu besitzen. Folgende Grundregeln beim Streiten sind zu beherzigen und folgende Verhaltensformen sollten nicht gezeigt werden:

  • eigene Gefühle erkennen und diese auch äußern
  • einen Streit in Richtung „konstruktiv“ zu lenken ist möglich, indem man zunächst den Gegenüber lobt und dann erwähnt, weswegen man trotzdem gekränkt ist; Beispiel: „Ich schätze an dir, dass..., aber es macht mich wütend, dass...“
  • sich aus der Ich-Perspektive mitteilen; Beispiel: „Ich finde es wirklich traurig, dass du deine Kleidung auf dem Boden fallen lässt und nicht wegräumst“ anstatt: „Das ist wirklich das Allerletzte von dir, immer deine Klamotten liegen zu lassen, damit man hinter dir aufräumt“
  • den Partner ausreden lassen und zuzuhören
  • empathisch sein und versuchen, den Partner zu verstehen
  • Pauschalierungen vermeiden, sprich „nie“ und „immer“ sollten gemieden werden und vorteilhafter Fakten an den Tisch gelegt werden
  • konkrete Lösungsvorschläge anbieten anstatt Schuldvorwürfe zu machen; Beispiel: „Könntest du in Zukunft bitte Bescheid geben, wenn du Überstunden machst“ anstatt: „Du hast mich schon wieder zwei Stunden mit dem Abendessen warten lassen, obwohl ich mir so lange in der Küche mit dem Essen Mühe gemacht habe!“
  • gezielte Verletzungen und Beleidigungen vermeiden, keine persönliche Kritik ausüben
  • nicht schreien
  • unter vier Augen streiten und nicht das Streitgespräch beispielsweise vor den Kindern austragen, denn das belastet und verletzt die Kinder
  • sich Zeit nehmen: Ein Konflikt sollte nie zwischen Tür und Angel, beispielsweise vor dem Zu-Bett-gehen ausgetragen werden, denn auch ein konstruktives Streitgespräch ist zeitaufwendig
  • einen Konflikt mit Humor entschärfen, über sich selbst lachen und dem Partner keine Angriffsfläche mehr zu bieten, sodass dieser sich beruhigen kann

 

Gesittet streiten und dabei nicht die Beziehung gefährden ist von großem Vorteil, denn häufig macht auch der Ton die Musik! Ein klug ausgetragener Streit ist eine Bereicherung für eine Partnerschaft. Und nach dem Streit ist die Versöhnung doch am allerschönsten!

 

Herr Kurt Hahlweg, welcher übrigens 32 Jahre glücklich mit seiner Frau verheirat ist, gibt in diesem Sinne folgende Aussage auf den Weg: „Wir Deutschen geben unser Geld lieber für Scheidungsanwälte und Sorgerechtsverfahren aus, als ein paar Euro in einen Kommunikationskurs zu stecken. Dabei belegen meine und auch andere Studien zur Wirksamkeit dieser Kurse: Faires Streiten kann man lernen. Es macht die Beziehung glücklicher und haltbarer.“

Vielleicht sollte man seiner Äußerung bei dem nächsten bevorstehenden Streit mehr Beachtung schenken.

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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