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Wenn Sport zur Sucht wird

Kommentar schreiben Aktualisiert am 06. Juni 2016

Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige sportliche Aktivitäten fördern die Gesundheit und halten Körper und Geist fit – so heißt es. Aber wann spricht man noch von regelmäßiger Bewegung und wann hat man bereits das Gespür für das gesunde Maß an Bewegung verloren? Wann wird Sport zu einer Sucht? Und wie viel Sport ist wirklich noch gesund? Wissenswertes zu diesem Thema im folgenden Beitrag.

Das exzessive Sporttreiben

Der Begriff Sportsucht ist in den Vereinigten Staaten seit Mitte der 1990er Jahre bekannt – bislang gilt die Sportsucht allerdings nicht als international anerkannte psychische Störung und wird in Deutschland auch nicht als eigenständige medizinische Diagnose erklärt. Bei einem Teil der exzessiven Sporttreibenden kann nämlich auch gleichzeitig eine Essstörung (zum Beispiel Magersucht) vorliegen und intensive Sportaktivitäten dienen dazu, eine Gewichtreduktion anzustreben. Beim männlichen Geschlecht ist auch der Wunsch, zunehmend Muskeln aufzubauen und daher exzessiv dafür zu trainieren, als sogenannte Muskelsucht bekannt. Von der Sportsucht können demnach beide Geschlechter, wenn auch aus anderen Gründen, betroffen sein. Besonders jüngere Menschen sind im Hinblick auf die Sportsucht mehr gefährdet. Begünstigt wird die Sportsucht von Persönlichkeitsmerkmalen wie Perfektionismus oder hoher Leistungsmotivation, aber auch kritische Lebensereignisse können von entscheidender Bedeutung sein: Beziehungsprobleme, ein Todesfall in der Familie oder Stress in der Arbeit können Sportler in die Sucht treiben.

Der Übergang von harmlosem Freizeitsport zur krankhafter Sportsucht kann hierbei meist schleichend verlaufen und von den meisten Menschen nicht erkannt werden. Wie ein Alkoholabhängiger seine Alkoholsucht nicht zugeben würde, so wird auch oft die Sportsucht nicht zugegeben. Von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) wird ausgegangen, dass schätzungsweise mehr Menschen als bisher angenommen unter einer Sportsucht leiden; man geht von etwa ein bis drei Prozent der deutschen Sportler aus. Sportsucht ist kein Massenphänomen, was erklärt, warum in dieser Hinsicht wenig geforscht wird.

Warum wird man sportsüchtig?

Es gibt mehrere wissenschaftliche Erklärungsansätze, um die Entstehung von exzessivem Sporttreiben zu erklären. Folgende mögliche Erklärungsansätze können sein:

  1. Erklärungsansatz auf psychischer Ebene: der Leistungssport dient dazu, das Selbstbewusstsein zu steigern
  • Misserfolge in anderen Bereichen werden kompensiert
  • durch Sport weicht man der Bewältigung von Probleme aus (Flucht vor Alltagsproblemen)
  • die völlige körperliche Erschöpfung durch den Sport wird als Erfolgserlebnis gewertet
  1. Erklärungsansatz: die Bedeutung körpereigener Hormonproduktion

Bei intensiver sportlicher Aktivität kommt es zur verstärkten Ausschüttung von Endorphinen, die veranlassen, dass der Körper sich im Extremfall in einem Rauschzustand befindet – dieser Zustand wird von exzessiven Sporttreibenden angestrebt. Von Langstreckenläufern wird dieser Zustand auch als „Runner’s High“ bezeichnet.

  1. Erklärungsansatz: das Schönheitsideal der westlichen Leistungsgesellschaft

Die vorherrschenden Schönheitsideale verstärken den Effekt und treiben zu immer neuen Höchstleistungen an, sodass exzessives Sporttreiben einen positiven Stellenwert erhält und hoch gelobt wird, anstatt mit Vorsicht angesehen zu werden. Schlanke und durchtrainierte Körper gelten in der heutigen Gesellschaft als erstrebenswert und Fitness wird mit Selbstdisziplin gleichgesetzt und mit Bewunderung betrachtet.

Die Anzeichen einer Sportsucht

Folgende Anzeichen können - Sportpsychologen zufolge - auf eine Sportsucht hindeuten:

  • wenn der Sport zu einem zentralen Lebensinhalt wird
  • wenn die sportliche Belastung kontinuierlich gesteigert wird
  • wenn bei erzwungenem Sportverzicht Schuldgefühle oder Depressionen entstehen und körperliche Symptome wie Nervosität und Magenschmerzen entstehen
  • wenn der Drang Sport zu treiben als innerer Zwang erlebt wird
  • wenn körperliche Warnsignale vor Überlastung ignoriert werden
  • wenn man trotz körperlicher Verletzungen weiter trainiert
  • wenn man soziale Kontakte wegen des Sports vernachlässigt und sogar aufgibt

Wer sich für gefährdet hält, sollte sich folgende Frage ehrlich beantworten können: „Könnte ich die Sporteinheit einfach mal auslassen?“ Eine gute Richtlinie, wann Sport noch gesund ist und wann die Grenze zur Sucht überschritten ist, ist, wenn Sport mit den restlichen Lebensbereichen nicht kollidiert: Wenn der Job weg ist, die Ehe zerbricht und der Freundeskreis sich rar macht ist diese Grenze eindeutig überschritten worden.

Auswirkungen auf Körper und Psyche bei der Sportsucht

Ständige körperliche Belastungen, die unbeachtet gelassen werden und beispielsweise über Jahre anhalten können zur Schwächung des Immunsystems und zu Schäden an Gelenken, Knochen, Bändern und Sehnen führen. Auch dass die körperlichen Warnsignale nicht ernst genommen bzw. ignoriert werden, können erschreckende Ausmaße annehmen: „Es gibt Einzelfälle, in denen sich Süchtige die Ferse bis auf den Knochen abgelaufen haben und trotzdem weiter trainierten“ so die Worte von Dr. Heiko Ziemainz, welcher an der Universität Erlangen das Thema Sportsucht erforscht.

Auch Unstimmigkeiten in anderen Lebensbereichen können zur folglichen Konsequenzen der Sportsucht werden: Die Betroffenen ordnen alles dem Sport unter; es kann zu Fehlzeiten in der Arbeit kommen, Vernachlässigen sozialer Kontakte, zu Eheproblemen usw. Dr. Ziemainz erklärt: „Bei einer Sucht ist Sport kein Teil des Lebens mehr, sondern bestimmt es. Man bewegt sich nicht aus Lust, sondern aus einem inneren Zwang heraus“.

Die Bewältigung der Sportsucht

Fazit: Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens bewirkt ein Zuviel oft das Gegenteil. Die Einsicht, dass man ein Problem hat und den Sport nicht nur als Ausgleich zur Berufswelt und zur Förderung der körperlichen Fitness nutzt, sondern diesen krankhaft ausübt, ohne aufhören zu können und zu wollen, ist der erste und wichtigste Schritt zur Besserung. Dem Teufelskreis der Sportsucht können Betroffene aus eigener Kraft nicht immer eigenständig entfliehen, sodass eine Psychotherapie Hilfestellung gewährleisten kann. Das Ziel der Therapie: die Kontrolle zurück zu gewinnen und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Leistung und Regeneration zu finden. Denn die gute Nachricht für die Sportsüchtigen ist: Sport ist – im Vergleich zu Alkohol – nicht ein Leben lang tabu, sondern ist in Maßen weiterhin gesund.

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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