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Zwangsstörungen - Ab wann zu viel und zu oft krankhaft ist

Kommentar schreiben Aktualisiert am 14. Mai 2015

Sich die Hände nach einem Einkaufsbummel zu waschen, macht Sinn und dient dem Schutz vor Infektionen. Sie nach jedem Gang durchs Treppenhaus zu desinfizieren, ist schon ein Tick. Wenn aber nach dem Kontakt mit fremden Menschen hundert Mal nach einem bestimmten Ritual die Hände gewaschen werden müssen, spricht man von einer Zwangsstörung. Was ist noch ein normaler Tick und was ist krankhaft? Haben alle Menschen Ticks? Was sind die Ursachen von Zwangsstörungen und wie können Angehörige den Betroffenen helfen?

Was ist noch ein normaler Tick und was ist krankhaft?

Wenn man seine Bücher alphabetisch nach Autoren geordnet im Regal aufstellt, jeden Samstagmorgen Punkt 10 Uhr den Großeinkauf erledigt oder die Wohnung so sauber hält, dass man vom Boden essen kann, sind das Ticks. Vielleicht findet man es auch normal, jeden Abend vorm Schlafengehen unterm Bett zu schauen, ob sich eine Gefahr darunter verbirgt oder täglich zwei Mal die Unterhosen zu wechseln. Alles Verhaltensweisen, die noch im Bereich eines Ticks sind, aber schon an Zwangshandlungen erinnern. Als Ticks gelten sie so lange, bis sie zur Belastung werden, bis der Mensch darunter leidet. Meist erkennt er an seinem Tick schon, dass er übertreibt und seine Handlungsweise nicht unbedingt Sinn macht. Aber er findet es gut so, es stört seinen Alltag und sein Wohlbefinden nicht.

Anders bei einer Zwangsstörung. Hier leidet der Betroffene unter seinem Verhalten. Er leidet  unter dem Zwang, bestimmte Dinge immer wieder denken oder tun zu müssen. Sie haben Besitz von ihm ergriffen. Er muss immer wieder genau so agieren, auch wenn es ihn quält und er sieht, wie sinnlos es ist. Er kann nicht anders. Seine zwanghaften Verhaltensweisen schaffen nicht nur einen hohen Leidensdruck. Sie beeinträchtigen auch sein Berufs- und Privatleben aufgrund ihrer unausweichlichen Dringlichkeit und weil sie sehr viel Zeit beanspruchen. Können die Zwangshandlungen nicht ausgeführt werden, verursacht das eine hohe innere Anspannung und Angst.

Man unterscheidet zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Ein Zwangsgedanke ist z.B. die Angst, seine Arbeit nicht richtig zu tun, immer etwas Falsches gesagt oder getan zu haben, oder sich zu blamieren und bloßgestellt zu werden. Weitere Zwangsgedanken sind die Befürchtung, anderen etwas antun zu wollen. Verbreitet sind auch starke Selbstzweifel, so dass jede Überlegung wieder und wieder durchgegangen wird, ohne dass man zu einer Lösung kommt. Bekannt ist auch der Zwang, alles zählen zu müssen, was einem begegnet.

Zu den Zwangshandlungen, die oft Folge davon sind, gehörten z.B. der Wasch- und Putzzwang und  der Kontrollzwang, bei dem sich der Patient eine bestimmte Anzahl oft versichern muss, dass der Herd ausgeschaltet ist oder wichtige Papiere noch an ihrem Platz liegen. Eine weitere Form ist der Ordnungszwang mit exakter Ausrichtung von Gegenständen auf dem Tisch oder der Kleidung im Schrank. Dabei wird das Ordnen immer wieder wiederholt. Auch das zwanghafte Sammeln ist eine Form dieser psychischen Störung.

Von der Zwangsstörung sind ungefähr 2-3% der Bevölkerung betroffen. Sie tritt meist schon im Kindesalter auf. Bleibt sie unbehandelt, wird sie chronisch und zum festen Bestandteil des Lebens. Der Betroffene schämt sich oft für sein Verhalten und hält es geheim. Das erschwert die Unterstützung von Außenstehenden und vor allem die Anregung, Therapie zu machen.

Haben alle Menschen Ticks?

Menschen brauchen ein gewisses Maß an Ritualen, da sie Sicherheit und Struktur bieten. Es tut gut, wenn man sich in der heutigen Zeit wenigstens darauf verlassen kann, dass die Kosmetika genau so exakt auf dem Baderegal aufgereiht sind, wie man es möchte. Es trägt auch zum Wohlbefinden bei, wenn die Pullis immer gleich gefaltet im Schrank angetroffen werden. Es tut gut. Es trägt keinerlei krankhaften Züge in sich, sondern ist Teil seiner eigenwilligen Persönlichkeit.

Was sind die Ursachen und Auslöser von Zwangsstörungen?

Hintergrund ist immer eine Kombination von Faktoren. Eine grundsätzliche Tendenz besteht bei Menschen, die dem Leben sehr ängstlich und unsicher gegenüberstehen. Sie haben den Hang zu Perfektionismus, sind oft entscheidungsschwach und haben feste, rigide Vorstellungen. Dazu kommt eine erbliche Komponente. Je mehr Verwandte unter Zwangsstörungen gelitten haben, umso so höher ist die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung. Auch Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns, kommen als Ursache in Betracht.

Kinder mit traumatischen Erfahrungen oder mit für sie unlösbaren Situationen, könnten als Ventil Zwangshandlungen entwickeln, die ihnen das Gefühl der Erleichterung geben. Oft wurde in der Kindheit der natürliche Drang zur freien Entwicklung unterdrückt. Das Kind hatte sich einem strengen elterlichen Regelwerk unterzuordnen. Durch die daraus entstehende Unsicherheit und die gleichzeitige Anstrengung, es den Eltern oder anderen Autoritäten recht machen zu wollen, kommt es zu Überbewertungen von negativen Gedanken, von Ängsten und Fehlverhalten.

Während ein seelisch gesunder Mensch den Gedanken „den bringe ich noch um,“ schnell wieder vergessen hat, erschrickt die zu Zwangsstörungen neigende Persönlichkeit vor sich selbst. Sie steigert sich in diesen Gedanken hinein. Sie hat Angst, ihn tatsächlich umzusetzen, und will ihn loswerden.. Durch die angstvolle, übertriebene Aufmerksamkeit auf diesen Satz, wird er immer stärker und irgendwann übermächtig. Der Betroffene sucht nach Möglichkeiten, sich davon zu befreien oder dafür zu büßen, weil auch Schuldgefühle im Spiel sind, und entwickelt entsprechende zwanghafte Handlungsmuster. Auslöser von Zwangsstörungen können Stress und hohe seelische Belastung sein.

Wie können Angehörige den Betroffenen helfen?

Zwangsstörungen werden nicht von alleine besser oder hören irgendwann auf. Der Betroffene ist auf professionelle Hilfe angewiesen. Es gibt heute sehr gute medikamentöse und psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten. Angehörige sollten mit dem Kind oder Jugendlichen so schnell wie möglichen einen entsprechenden Psychotherapeuten aufsuchen. Je früher man die psychische Störung behandelt, umso besser sind die Heilungschancen. Angehörige sollten sich nicht in die Rituale mit einbeziehen lassen. Bei Bedarf sollten sie selbst therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, um besser mit der Erkrankung des Kindes oder Partners umgehen zu können.

Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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