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Aktuelle Debatte: Saubere Luft für Deutschland

Kommentar schreiben Mittwoch, 24. April 2019

Die Nachricht, dass Luftverschmutzung der Hauptgrund für vorzeitige Todesfälle in 41 Ländern Europas ist, rüttelt auf. Dies ging aus dem Report „Luftqualität in Europa 2018“ der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Am 9. April veröffentlichten nun Wissenschaftler der Nationalen Akademie Leopoldina eine Stellungnahme. Der unisono klingende Tenor: „Unter den Umweltfaktoren, die in Deutschland zu Erkrankungen und Verkürzung der Lebenszeit beitragen, ist Luftverschmutzung der wichtigste.“

 

Einig sind sich Wissenschaftler in Deutschland, dass Luftschadstoffe die Gesundheit ernsthaft gefährden. Als besonders bedenklich für den Menschen gilt Feinstaub. Er enthält beispielsweise Benzopyrene, die eingeatmet zu krebserregenden Metaboliten werden. Der relativ strenge Grenzwert für Feinstaub wird in Deutschland nach Ansicht der Wissenschaftler der Nationalen Akademie Leopoldina flächendeckend „so gut wie eingehalten“. Tatsächlich überschritten die Benzopyren-Konzentrationen seit 2007 lediglich an vier straßennahen Messstationen 9-mal den Zielwert. Dennoch sei der Grenzwert politisch-institutionell festgelegt und Feinstaub äußerst schädlich für den menschlichen Organismus.

 

Der EU-weite Grenzwert für Stickstoffoxide, der zu Beginn der Luftqualitäts-Debatte im Vordergrund stand, gilt Experten zufolge jedoch als „weniger streng“. Doch nach der Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sei eine Verengung der aktuellen Debatte auf die Stickstoffdioxide nicht zielführend. Wesentlich wichtiger sei eine Konzentration auf die Reduktion des deutlich gefährdenderen Feinstaubs.

 

Wissenschaftler der Leopoldina fordern „nachhaltige Verkehrswende“

 

Kritisch sehen die Wissenschaftler der Leopoldina „kleinräumige Maßnahmen“ der Verkehrspolitik. Kurzfristige Fahrverbote und Straßensperrungen führen eher zu Verkehrsverlagerung in andere Gebiete. Zudem würden weniger Dieselmotoren zwar Stickstoffdioxide senken, aber mit CO2-betriebenen Benzinern den Treibhauseffekt erhöhen. Stattdessen empfiehlt die Wissenschaftsakademie der Politik eine „nachhaltige Verkehrswende“. Zielführend sei dazu der Umstieg auf die öffentliche und emissionsärmere Mobilität, Software-Updates für Dieselmotoren, Hardware-Nachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen und höhere Abgaben und Treibstoffpreise.

 

Als Quelle von Feinstaub gelten laut Umweltbundesamt hauptsächlich Verbrennungsprozesse von Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen, Motoren, private Öfen und Industriefeuerung. Partikelfilter können abgasbedingten Feinstaub hier weitgehend entfernen. Zusätzlich tragen Reifenabrieb und Bremsbeläge des Kraftverkehrs zur Feinstaubbelastung bei. Hinzu kommen Dünge- und Güllemittel der Landwirtschaft. Fast die Hälfe der Feinstaubbelastung wird aber auf NMVOC-Reaktionen von Gasen mit Lösungsmitteln und Lacken zurückgeführt.

 

Luftverschmutzung ist ein weltweites Problem

 

Die WHO veröffentlichte im Jahr 2016 ein Luftgütemodell, nach dem im Jahr 2012 in Europa 479.000 Menschen vorzeitig durch Luftverschmutzung starben. Die Universität Bath entwickelte dazu ein Modell, das Satellitendaten und über 3000 Bodenmessstationen global berücksichtigte.  Ende 2018 berichtete die WHO über erschreckende Zahlen, die auf Auswertungen aus dem Jahr 2016 zurückgingen: Weltweit atmeten 93 Prozent der Kinder gesundheitsschädliche Luft ein. Jährlich starben daran laut der WHO weltweit 7 Millionen Menschen, 600.000 davon seien Kinder.

 

Rege Debatte in Deutschland

 

Bereits im Februar wurden die Ergebnisse einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT-Studie) publik, derzufolge jährlich 13.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland auf Verunreinigungen der Luft zurückgingen.  Dabei beruhten die Ergebnisse auf statistischen Abschätzwerten. Insbesondere mathematische Formeln wie die „Population Attributable Fraction“ legen Schadstoffe auf die gesamte Population eines Rastergebiets um. Experten kritisieren an der Studie allerdings, dass die genannten Todesfälle nicht eindeutig klinisch identifizierbar seien. Die Studie befeuerte eine Debatte um schädigendes Stickstoffdioxid in der Luft. Forscher der Nationalen Akademie Leopoldina  fordern nun ein umdenken: Nicht Stickstoffdioxid oder Ozon, sondern Feinstaub sei der gesundheitsgefährliche Bestandteil in der Luft.

 

Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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