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Corona-Schnelltests in der Apotheke

Kommentar schreiben Dienstag, 28. April 2020

Corona-Schnelltests sind mittlerweile für medizinisches Fachpersonal auch über Apotheken bestellbar. Sie versprechen auf unkomplizierte Art und Weise ein schnelles Ergebnis und somit Gewissheit über eine Sars-CoV-2 Infektion. In Apotheken ist die Durchführung dieser Tests rechtswidrig und auch die Abgabe an den privaten Endverbraucher ist momentan nicht erlaubt.

 

Inhaltsverzeichnis

 

„We have a simple message to all countries; test, test, test“. Mit diesem Appell richtete sich WHO Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus Mitte März an alle Länder. Flächendeckende Tests gelten als beste Waffe im Kampf gegen das Corona-Virus.1

In Deutschland wird standardmäßig zum Nachweis einer Infektion aktuell das hoch-sensitive RT-PCR-Verfahren (real-time Polymerase Chain Reaktion) eingesetzt.2 Für dieses wird den Betroffenen ein Abstrich aus Mund, Nase oder Rachen entnommen und im Anschluss das darin enthaltene virale Erbgut im Labor vervielfältigt. Nachfolgend lässt sich abgleichen, ob dieses mit dem Virus Sars-CoV-2 übereinstimmt. In der Regel erhalten Betroffene nach 2-3 Tagen den Befund, mancherorts kann dies aufgrund eines großen Testaufkommens auch länger dauern.

 

Das Robert-Koch-Institut (RKI) sammelt deutschlandweit Daten von Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen sowie klinischen und ambulanten Laboren und führt diese wöchentlich zusammen. Demnach ergaben die Daten von 112 Laboren in KW 14, dass in der Folgewoche Kapazitäten für 730.156 Tests pro Woche zur Verfügung stehen.3 In der Vorwoche meldeten allerdings 86 Labore Lieferengpässe für alle Reagenzien und Abstrichtupfer an, 3 Labore sahen sich gezwungen aufgrund dessen ihre Kapazitäten reduzieren.4 Schnelltests scheinen daher zeitsparende Alternativen zu sein, die auch außerhalb von medizinischen Laboren durchgeführt werden können.

 

Prinzip und Durchführung der Schnelltests

 

Bei den Schnelltests handelt es sich um chromatographische Immuntests zum qualitativen Nachweis von IgG und IgM-Antikörpern gegen Sars-CoV-2. Das Antikörpermolekül IgM wird 3-7 Tage nach einer Infektion gebildet und kommt nach der Genesung nicht mehr im Blut vor. Die IgG Bildung erfolgt in der Regel erst im späteren Infektionsverlauf, erreicht nach ungefähr 10 Tagen ihren höchsten Wert und kann oft noch über mehrere Jahre nachgewiesen werden.

 

Die Testkits enthalten alle erforderlichen Testmaterialien, zusätzlich bereitgestellt werden müssen Mulltupfer, Timer, Sammelbehälter für Proben und Nadeln sowie Schutzausrüstung. Für den Schnelltest wird den Betroffenen zunächst mit einem beiliegenden Alkoholtupfer die Fingerbeere desinfiziert und im Anschluss mit einer Lanzette etwas Kapillarblut entnommen. Dieses wird mit Hilfe einer Pipette zusammen mit wenigen Tropfen einer beiliegenden Pufferlösung auf das Testfeld aufgebracht.

 

Nach einer Wartezeit von 10-15 Minuten erscheint das Ergebnis dort als Linien: eine Linie bedeutet, dass der Test negativ ist, zwei oder drei Linien sprechen für ein positives Ergebnis, keine Veränderung im Testfeld macht den Test ungültig. Laut Hersteller deutet ein positiver IgM-Wert demnach auf eine Infektion in der Frühphase (4 bis 10 Tage) hin, ein positiver IgG-Wert auf eine spätere Phase der Erkrankung (ab 11 Tagen). Die Testkassette wird im Anschluss in einem beiliegenden Beutel entsorgt.5

 

Schnelltests auch für Apotheken bestellbar - Durchführung in der Apotheke und Verkauf an Endkunden sind allerdings nicht erlaubt

 

Momentan sind Corona-Schnelltests ausschließlich bestimmten Berufsgruppen vorbehalten; die Abgabe an den Endverbraucher ist rechtswidrig. Und auch eine Durchführung in der Apotheke ist nicht erlaubt. „Insbesondere eine Abgabe an Laien ist untersagt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung von Tests an Patienten in der Apotheke ebenfalls unzulässig ist“, stellt die ABDA in einem Schreiben an die Apothekerverbände zu Beginn dieser Woche klar. Die Durchführung dieser Tests sei nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausschließlich Ärzten vorbehalten. „Darüber hinaus dürfte die Testung von Patienten in der Apotheke als erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde einzustufen sein“. Bei Nichtbeachtung droht Apotheken ein empfindliches Bußgeld: "Die Verletzung des Abgabeverbots kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden."6

Ein Hersteller, der auch Apotheken beliefert, ist die NanoRepro AG. Deren Portfolio wurde kürzlich um einen Corona-Schnelltest erweitert der nach Vorbestellung ab der 18. Kalenderwoche an medizinisches Fachpersonal wie Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken ausgeliefert wird. Je nach Abnahmemenge liegen die Kosten für einen Test zwischen 9,80 und 13 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.7

 

Michael Fuchs, Kaufmännischer Geschäftsführer der NanoRepro AG schließt gegenüber apomio eine zukünftige Anwendung seines Corona-Schnelltests für Privatpersonen nicht aus. Diese Möglichkeit befinde sich momentan in der Zulassung und man hoffe die normale Dauer von 6 Monaten eventuell verkürzen zu können. Für den Endkunden wären die Tests dann in Apotheken, Drogerien oder online zu beziehen.8

Auch die Pharma-Peter GmbH erweiterte Anfang April die Produktpalette um einen Corona-Schnellest. Auf Nachfrage von apomio teilte das Hamburger Unternehmen mit, dass der Covid-19 Schnelltest Canea bereits jetzt restlos ausverkauft und ein weiterer Bezug nicht möglich sei. Eine neue Lieferung sei nicht absehbar. Derzeit liegen außerdem keine Pläne vor, den Covid-19 Schnelltest Canea zukünftig auch für die Eigenanwendung zuzulassen.9

 

Schwachstelle der Schnelltests

 

Das RKI sowie diverse Berufsverbände lehnen die alleinige Akutdiagnostik mithilfe von Schnelltests ab. Dementsprechend warnen der Berufsverband der Akkreditierten Medizinischen Labore in Deutschland (ALM) und der Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie (BÄMI) in einer Pressemitteilung vor deren Einsatz. Denn: „Aktuell vermarktete Schnelltests suchen nicht nach Erregern, sondern nach Antikörpern“, wird Dr. Daniela Huzly, Bundesvorsitzende des BÄMI zitiert. „Antikörper sind bei Virusinfektionen wie mit dem Sars-CoV-2 meist frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen. Für Sars-CoV-2 liegen noch gar keine gesicherten Erkenntnisse hierzu vor“, so die Ärztliche Leiterin der Diagnostik im Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg.

 

Antikörpertests eignen sind demnach nur bedingt dafür eine Infektion mit Sars-CoV-2 aufzuzeigen, da Betroffene erkrankt sein können, ohne dass sich bereits Antikörper nachweisen lassen. Der Schnelltest würde demnach zu einem falsch-negativen Testergebnis führen obwohl der Getestete bereits infektiös ist. Dringend erforderliche Hygiene- und Quarantänemaßnahmen würden nicht ergriffen werden. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits vorhandene Antikörper gegen andere Coronaviren durch Kreuzreaktionen zu einem falsch-positiven Testergebnis führen.10

 

Eine weitere Schwachstelle kann in der fehlenden Validierung der Tests liegen. Corona-Schnelltests sind Medizinprodukte, die als In-Vitro-Diagnostika (IVD) niedrigen Risikos eingestuft (Liste B) werden. Dies ermöglicht den Herstellern auf eine unabhängige Überprüfung zu verzichten, diese selbst zu zertifizieren und mit dem CE-Zeichen zu deklarieren.2

 

Schnelltests eventuell für epidemiologische Fragestellungen interessant

 

Auch wenn die Tests für die Akutdiagnostik eher weniger geeignet scheinen, könnten sie für epidemiologische Fragestellungen hilfreich sein. Denn durch eine breite Testung auf Sars-CoV-2 spezifische Antikörper könnte man die Serokonversionsrate in der Bevölkerung erfassen und dadurch Rückschlüsse auf den Stand der Immunisierung ziehen.11 Ein Punkt, der allerdings in Fachkreisen mittlerweile auch kontrovers diskutiert wird: in der Pressekonferenz von 17. April 2020 verwies WHO-Nothilfedirektor Mike Ryan auf frühe Untersuchungen die darauf hindeuten, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung solche Antikörper in sich trage. Dies spreche gegen die Entwicklung einer Herdenimmunität.12

 

In Bezug auf das aktuelle Corona-Virus gibt es also nach wie vor noch etliche Ungereimtheiten und Forscher weltweit arbeiten mit Hochdruck an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Arznei- und Impfstoffen. Zwei Verse aus Hölderlins Patmos-Hymne mögen die aktuelle Situation recht passend beschreiben und Hoffnung machen: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.13

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Linda Künzig
Autor: Linda Künzig

Linda Künzig, Apothekerin mit Weiterbildungen im Bereich Homöopathie und Naturheilverfahren. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterstützt sie seit Mai 2019 die Apomio-Redaktion als freie Autorin.

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