Der Apothekenmarkt 2019/2020: Schwierig, nicht hoffnungslos
Der Internethandel, Nachwuchsprobleme bei Landapotheken und die zuweilen spürbare Politikverdrossenheit sind die wohl bedeutsamsten Sorgenkinder der deutschen Apothekerschaft. Doch sind die Runzeln bereits so tief, dass man um tiefgreifende Maßnahmen nicht mehr umhinkommt? Ein kurzer Überblick.
Wie hoch sind die Umsätze deutscher Apotheken tatsächlich?
Laut der Faktenbroschüre der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) zum Jahr 2019 erwirtschafteten deutsche Apotheken im letzten Jahr durchschnittlich rund 144.000 Euro, diese Zahl bezieht sich auf den betriebswirtschaftliche Gewinn vor Steuern. Davon müssen Apothekeninhaber als Freiberufler selbstverständlich noch Steuern, Neuinvestitionen und ihre Altersvorsorge abziehen, zumal sich der Mittelwert eben nicht auf alle Apotheken umlegen lässt. In Deutschland gehen Apotheken umsatztechnisch zusehends auseinander. Doch mindestens 86 Prozent aller Apotheken in Deutschland liegen nach wie vor bei einer nennenswerten Umsatzspanne von über 1,5 Millionen Euro Netto-Umsatz pro Jahr. 44 Prozent aller Apotheken-Umsätze erzielten sogar Werte, die über dem mittleren Umsatzlevel lagen.1
Hoffnungsträger Apotheken-Stärkungsgesetz
Ein weiteres gutes Omen dürfte das Apotheken-Stärkungsgesetz auf dem Apothekenmarkt bedeuten, wenn es tatsächlich im Jahr 2020 umgesetzt wird. Das Apothekenstärkungsgesetz beziehungsweise „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (kurz: VOASG) dient dazu, den Internethandel mit Arzneimitteln in Europa auf ein erträgliches Maß zu begrenzen und die „flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken zu stärken.“2
Der Entwurf zum Gesetz wurde im Juli vom Bundeskabinett beschlossen. Das mit Spannung erwartete Gesetz, dessen Erstlesung im Bundestag allerdings im Oktober gekippt wurde, will die Gleichpreisigkeit im GKV-Bereich wiederherstellen, indem es ein RX-Boni-Verbot im SGB V verankert. Dafür sollen Rabatte ausländischer Versandapotheke an deutsche Kunden bei Vertragsübertritten mit bis zu 50.000 Euro belegt werden. Außerdem schnürt der Entwurf ein Förderpaket von insgesamt 205 Millionen Mehreinnahmen für Vor-Ort-Apotheken zusammen. Vorgesehen sind 40 Millionen Mehreinnahmen für Notdienste, 150 Millionen für neuartige pharmazeutische Dienstleistungen und 15 Millionen Euro für BTM-Dokumentationen.3
Wachsender Versandhandel mit RX- und OTC-Arzneimitteln
Die Situation deutscher Präsenzapotheken kann sich bilanztechnisch im Jahr 2020 also weiterhin durchaus positiv zeigen, falls die Weichen politisch so gestellt werden, dass in- und ausländische Einflüsse das Marktsegment der RX-Arzneimittel nur geringfügig antasten. Auf dem Gesamtapothekenmarkt zeigen Vor-Ort-Apotheken noch eine starke Vorhand. In Deutschland ist der Versandhandel bereits seit 2004 erlaubt und verzeichnete in den letzten 10 Jahren einen wachsenden OTC-Marktanteil von derzeit 17,7 Prozent. Doch für den rezeptpflichtigen Anteil liegen inländische wie ausländische Versandapotheken in Deutschland derzeit nur bei einem Marktvolumen von knapp 1 Prozent, mit zuletzt rückläufigem Umsatzwert von minus 1,6 Prozent im Vorjahresvergleich. Offenbar bringen Versandapotheken nur ihre Ersatzspieler aufs Feld, solange das rezeptpflichtige Segment politisch noch ein so heißes Eisen bleibt.4
Mängelexemplar „Landapotheker“
Auf der anderen Seite wird die Situation ländlicher Apotheken seit Jahren mit Stirnrunzeln beobachtet. Erst kürzlich scherzte Apothekeninhaberin Monika Prinz im Gespräch mit Apotheke Adhoc über ihren Beruf als „selbstgewähltes Gefängnis“5. Seit 4 Jahren versuche sie, dem Portal zufolge erfolglos, ihre Apotheke zu verkaufen. „Es gibt zu viele Eingriffe durch Krankenkassen und Politik“, kritisierte sie in der Apotheke Adhoc die für Jungapotheker zurzeit unentspannte Lage auf dem Apothekenmarkt. Zwar führt der demographische Wandel Apotheken Zuwächse an Kunden und Arzneimitteleinnahmen zu. Doch fordern zunehmend ältere Menschen eher Boten- oder Versanddienste ein.
Hieran müssen sich ländliche Apotheken zwingend orientieren. Offerieren sie keine einfache Zugänglichkeit zu Medikamenten, laufen sie Gefahr, Chroniker und deren Angehörigen als Stammkunden zu verlieren. Ein einzelner Arzt, der seine Praxis aufgibt, gefährdet auch bei hohen Rezeptanforderungen der Bevölkerung die Apothekenumsätze. Jüngere Kunden können verloren gehen, wenn sie Rezepte gesammelt beim Arztbesuch in der größeren Kreisstadt einlösen oder von Rabatten ausländischer Versandapotheken profitieren.
Fazit: Nichts weiß man nicht
Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Politik mit einem RX-Versandverbot oder einem Gleichpreisigkeitsanker im Sozialgesetzbuch die Ampel für ausländische Rezeptversender in Zukunft tatsächlich auf Rot oder zumindest auf ein dunkles Orange schalten kann. Bislang wurde der Koalitionsvorsatz des RX-Versandverbots von CDU und SPD nicht umgesetzt. Auch die Verankerung der Gleichpreisigkeit bei RX-Arzneimitteln sehen Politiker und Experten derzeit als politisch waghalsiges Unterfangen. Es gebe verfassungsrechtliche wie europarechtliche Bedenken, sagen so manche.
Auf eine kürzliche Anfrage des CDU-Abgeordneten Michael Hennrich an die Bundesregierung, welche konkreten verfassungs- und europarechtlichen Gründe denn dazu führten, den Koalitionsvertrag mit dem RX-Versandverbot doch nicht umzusetzen, antwortete die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiss (CDU), nach Angabe der Deutschen Apothekerzeitung: „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln würde aber gegenüber den im oben genannten Gesetzentwurf enthaltenen Festpreisregelungen einen wesentlich stärkeren Markteingriff darstellen, dessen Notwendigkeit gesondert dargelegt und begründet werden müsste.“6 Am 17. Oktober sollte ursprünglich die geplante Erstlesung des Apotheken-Stärkungsgesetzes im Bundestag stattfinden, die allerdings mit Verweis auf ein zuvor zustimmendes Urteil der EU-Kommission vertagt wurde.
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Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.