Der Brexit - und seine Auswirkungen auf den deutschen Arzneimittelmarkt
Der Brexit kommt unausweichlich. Ende März 2019 soll der Austritt des britischen Königreichs aus der EU rechtskräftig vollzogen werden. Kommt es zu einem „harten Brexit“ ohne Übergangsphase, dürfte es zu chaotischen Verhältnissen in Großbritannien und in der EU kommen. Eine große Gefahr betrifft den Gesundheitsmarkt und die Wirtschaft. Denn hier waren Großbritannien und die EU bislang eng verflochten. Zukünftig werden britische Arzneimittelbehörden jedoch für die Abwicklung des EU-Binnenmarktes wegfallen...
Zuständigkeitschaos bei deutschen Behörden?
Ein erhebliches Problem durch den Brexit betrifft die zukünftige Organisation des Arzneimittelverkehrs. Zwar hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seit den Brexit-Planungen Netzwerkregulatorien getroffen, doch schlägt der Wegfall von zwei britischen Behörden sicherlich stärker auf, als erhofft.
„Der Brexit darf nicht dazu führen, dass neue Arzneimittel später verfügbar werden oder Risiken von bereits zugelassenen Arzneimitteln weniger engagiert angegangen werden“, lässt ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausrichten.
„In Bezug auf die versorgungsrelevanten Arzneimittel hatte das BfArM eine systematische Abfrage unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte durchgeführt, um möglichst frühzeitig mögliche Versorgungsrisiken zu identifizieren und geeignete Maßnahme abstimmen zu können“, erläutert der Sprecher des Bundesinstituts auf Anfrage.
Insbesondere habe die systematische Abfrage des BfArM ergeben, welche bisherigen Zulassungsaufgaben von Großbritannien mit sofortiger Wirkung von deutschen Behörden übernommen werden müssen. Das habe wiederum dazu geführt, dass 21 neue Stellen bei der deutschen Arzneimittelbehörde geschaffen wurden.
Britische Arzneimittelagenturen steigen aus
Konkret werden spürbare Auswirkungen für die behördliche Abwicklung von Zulassungen und Arzneimittelprüfungen erwartet. In diesem Bereich fallen mit dem Brexit zwei bedeutende britische Behörden weg. Dies dürfte die Abwicklung von Arzneimitteln nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erschweren: „Betroffen vom Brexit sind insbesondere die Arzneimittelbewertung bei Herstellung, Entwicklung, Zulassung und Pharmakovigilanz“, lautet die diesbezügliche Erklärung des BfArM in einer aktuellen Pressemitteilung.
Bislang wurde die Arzneimittelbewertung bezüglich Zulassung, Herstellung und Pharmakovigilanz zu großen Teilen von Arzneimittelagenturen in Großbritannien übernommen. Mit dem Brexit fallen diese Aufgaben jedoch nicht mehr in den Aufgabenbereich der Arzneimittelagenture MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) und der Arzneimittelagentur VMD (Veterinary Medicines Directorate).
Problematisch wird der Wegfall insbesondere für pharmazeutische Industrie und Hersteller in Deutschland, die Neuzulassungen verschlafen haben. Auf diese Gefahr habe das BfArM die pharmazeutische Industrie seit rund 2 Jahren wiederholt aufmerksam gemacht: „Das BfArM hatte die pharmazeutische Industrie seit Beginn der Brexit-Planungen wiederholt mit Nachdruck aufgefordert, ihre Hausaufgaben zu machen und rasch zu handeln, wenn Unternehmen neue Zulassungen oder ein neues verfahrensführendes Land benötigen, um einen Übernahmestau kurz vor Inkrafttreten des Brexit zu vermeiden“, so die Angaben des BfArM gegenüber apomio.
Betroffen sind insbesondere solche Industrielle, deren Arzneimittelzulassung zuvor bei der britischen Behörde angesiedelt war. Denn für diese werde jetzt „ein neues verfahrensführendes Land (sog. Reference Member State, RMS)“ notwendig. Das BfArM hat dem Sprecher zufolge bereits bis Ende 2018 rund 25 Prozent aller bisherigen „RMS-Switche“ übernommen.
Darauf ist im Fall eines harten Brexit zu achten
Damit Arzneimittel im Fall eines harten Brexit weiter in der EU vermarktet werden dürfen, müssen folgende Personen unbedingt in der EU oder mindestens im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angesiedelt sein: Der Zulassungsinhaber, der Antragsteller, die Qualifizierte Person, der Stufenbeauftragte und die Qualifizierte Person für Pharmakovigilanz müssen nach einem „harten Brexit“ ihren künftigen Sitz außerhalb von Großbritannien haben.
Zusätzlich dürfen Aufgaben wie die Qualitätskontrolle, die Chargenkontrolle und deren Freigabe und die sogenannte „Pharmakovigilanz-Masterfile“ prinzipiell nur in der EU oder EWR abgewickelt werden. „Die Übertragung der genannten Personen und Aktivitäten in die EU oder den EWR muss vor dem 30. März 2019 erfolgen“, erklärt der Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Standort für solche Aktivitäten.
Lieferschwierigkeiten werden nicht erwartet
Für die Lieferfähigkeit von Arzneimitteln kann das Bundesinstitut jedoch Entwarnung geben. Zu Lieferschwierigkeiten werde es der Behörde zufolge kaum kommen. In Bezug auf die versorgungsrelevanten Arzneimittel hatte das BfArM eigens eine systematische Abfrage unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte durchgeführt. Zum Ergebnis dieser Lieferanalyse erklärte das Bundesinstitut gegenüber apomio: „Die Auswertung ergab für das BfArM, dass mit keinem Versorgungsengpass bei den als versorgungsrelevant eingestuften Arzneimitteln zu rechnen ist.“
Weitere Auswirkungen des Brexits für den Arzneimittelmarkt
Sobald der Binnenmarkt mit seinem freien Warenverkehr mit der britischen Insel wegfällt, dürften Zölle auf Arzneimittelimporte aus Großbritannien erhoben werden. Vice versa fallen Zölle für Arzneimittelexporte nach Großbritannien an. Auch kann es dazu kommen, dass der freie Dienstleistungsverkehr mit Großbritannien leidet. Das wird insbesondere für deutsche Unternehmen befürchtet, die Arzneimittel in Großbritannien herstellen oder handeln. Anders herum können britische Unternehmen nach einem „harten Brexit“ nicht mehr von erleichterten EU-Handelsbedingungen profitieren.
Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.